Sparkassen Zeitung

Economy

Blockchain und die Banken

Ausgabe #6/2016 • Obdach

Manipulationssichere E-Voting-Sy steme, sekundenschnelle Überweisungen und Onlinespeicher mit integrierter Privatsphäre – Die neue Technologie Blockchain ist eine lange Liste von Datensätzen, die nahezu fälschungssicher ist. Immer mehr „Ketten“ werden den jeweils anderen hinzugefügt, was auch den Namen Blockchain erklärt. Was steckt hinter der Technologie? Petia Niederländer, Head of Retail & Corporate Operations Erste Group beantwortet wesentliche Fragen zur Blockchain-Technologie.

Manipulationssichere E-Voting-Sy steme, sekundensSparkassenzeitung: Wie können Banken die Blockchain- Technologie einsetzen?
Petia Niederländer: Die Blockchain-Technologie ermöglicht es Banken, Transaktionen mit anderen Banken sofort und sicher abzuwickeln. Wenn bei einer Transaktion Vermögenswerte zwischen mehreren Finanzinstituten transferiert werden und es sich nicht um eine Beziehung zwischen Einzelkundinnen und Kunden und ihrer Bank handelt (zum Beispiel die Gewährung von Krediten), kommt es immer zu Unsicherheiten hinsichtlich der zeitgerechten Abwicklung und der Sicherheit der Transaktion. Diese Unsicherheit ist bei Zahlungen relativ unauffällig, bei Handels- oder Exportfinanzierungen sowie im Depot- oder Wertpapierhandelsgeschäft aber signifikant. Die Blockchain-Technologie wirkt diesen Punkten entgegen.

Für uns ist die Blockchain vor allem ein Abwicklungswerkzeug, das unsere Beziehungen zu anderen Banken vereinfacht. Natürlich würden aber auch unsere Privat- und Firmenkunden davon profitieren.

Blockchain ist als die Technologie hinter Bitcoin bekannt. Es scheint aber, dass Banken die Blockchain anders einsetzen.
Niederländer: Die Technologie hinter Bitcoin ist mehr als ein Jahrzehnt alt. Aber die neuen Varianten der Blockchain – beziehungsweise der Distributed-Ledger-Technologie – verfügen über verschiedene Möglichkeiten, um Vergleiche durchzuführen und eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen. Der gemeinsame Nenner der Blockchain-Technologie ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Register, in denen Konten- und/oder Transaktionsinformationen gespeichert werden – so genannte Ledger – nicht zentral im eigenen Kernbankensystem verwalten. Stattdessen werden alle Transaktionen von Teilnehmer zu Teilnehmer aufgezeichnet, wobei die Technologie sicherstellt, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über denselben Datensatz verfügen. Durch die Verteilung dieser Aufzeichnungen wird die Transaktion sicher, da es nahezu unmöglich ist, alle Teilnehmer der Blockchain zu hacken oder zu manipulieren.

Wie sieht es mit der Datensicherheit aus? Müssen die Banken ihre Daten allen Teilnehmern der Blockchain zugänglich machen?
Niederländer: Die Daten sind verschlüsselt, was bedeutet, dass sie zwar allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern offen stehen, aber für das Lesen der Daten ein Schlüssel erforderlich ist. Dennoch machen Banken, trotz Verschlüsselung, ihre Daten nur ungern zugänglich. Viele von ihnen haben deshalb so genannte Private Ledgers entwickelt, also eine Transaktionsabwicklung in geschlossenen Netzwerken. In denen kommunizieren sie dann mit anderen Banken ähnlich wie im Korrespondenzbank-Netzwerk: Der Ledger ist nur für vertrauenswürdige Partner zugänglich.

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"DER ERSTE SCHRITT BESTEHT
DARIN, DIESE NEUE TECHNOLOGIE
IM ZAHLUNGSVERKEHR ZU NUTZEN."

Petia Niederländer, Head of Retail & Corporate Operations Erste Group

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Verwenden Sie in der Erste Group die Blockchain-Technologie?
Niederländer: Wir haben mit der Nutzung der Blockchain- Technologie begonnen; aktuell in Kooperation mit einem Partner – einem Technologieunternehmen namens Ripple Labs. Das Unternehmen entwickelt Softwareanwendungen, die eine Integration der Open-Source-Blockchain in unsere Systeme ermöglichen. Derzeit arbeiten wir an unserem ersten Projekt mit der Blockchain-Technologie – einem Proof-of-Concept für Devisengeschäfte und Echtzeit-FXTransaktionen. Geplant ist, die ersten Transaktionen bis zum Ende dieses Jahres zu testen.

Unser erster Schritt besteht also darin, diese neue Technologie im Zahlungsverkehr zu nutzen. Dadurch wäre sichergestellt, dass wir alle Vermögenswerte transferieren und buchen können. Als Nächstes werden wir andere Bereiche analysieren, in denen es zu Unsicherheiten hinsichtlich der zeitgerechten Abwicklung und der Sicherheit kommt und der Einsatz der Blockchain nicht zu komplex ist.

Worin besteht der Vorteil für die Kunden?
Niederländer: Die mit der Blockchain-Technologie abgewickelten Transaktionen werden sofort registriert und sind endgültig. Die Kundinnen und Kunden wissen somit, dass ihre Transaktion definitiv und in Echtzeit durchgeführt wurde. Das ist im Zahlungsverkehr bequem. Auch in Bereichen der Handels- und Exportfinanzierung ist dies sehr wichtig. Derzeit haben wir hier nicht die Möglichkeit, an jeden Kontrollpunkt eine Bestätigung auszustellen, dass eine sofortige und endgültige Durchführung der Transaktion erfolgt ist.

PETIA NIEDERLÄNDER

Hat die Blockchain-Technologie also zur Folge, dass Gebühreneinnahmen für Produkte wegfallen, die aktuell Unsicherheiten im Zahlungsverkehr reduzieren?
Niederländer: Einige Dienste, zum Beispiel Instant-Zahlungen, würden alltäglich werden, und natürlich würden die entsprechenden Gebühreneinnahmen wegfallen. Aber die Blockchain- Technologie würde es uns auch ermöglichen, die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden optimaler zu erfüllen oder sogar neue Produkte anzubieten, wodurch neue Einnahmequellen erschlossen würden.

Zum Beispiel könnten wir durch die Nutzung der Blockchain sicherstellen, dass Zahlungen nur dann durchgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dafür sind die Kunden bereit, eine Gebühr zu bezahlen. Es ist ihnen egal, ob wir das mittels SWIFT oder auf dem Formularweg tun oder die Blockchain dafür nutzen. Der Einsatz der Blockchain würde in diesem Fall sogar einen Vorteil für die Kunden bedeuten, weil sie eine Reihe frustrierender Prozesse vermeiden könnte, zum Beispiel das Ausfüllen von Formularen und deren Übermittlung an die Bank, während sie den Grenzübergang passieren, und so weiter.

Sie unterstützen einen Blockchain-Wettbewerb, der dieses Jahr in Graz stattfindet. Was dürfen wir erwarten?
Niederländer: Es handelt sich um einen internationalen Wettbewerb, bei dem Start-ups und Unternehmer aus verschiedenen Ländern die Möglichkeit haben, ihre innovativen Ideen für den Einsatz der Blockchain-Technologie in der Finanzindustrie zu präsentieren. Für uns ist das ein Industry Check: Wir werden sehen, wie die Blockchain auf dem Markt genutzt wird und wie andere Unternehmen zum Einsatz der Blockchain in der Finanzindustrie stehen. Außerdem können wir uns über interessante Ideen informieren und Kontakte zu Partnern knüpfen, mit denen wir in Zukunft in diesem Bereich zusammenarbeiten möchten.