Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Projekt Neuschnee

Ausgabe #6/2016 • Obdach

Schneekanonen waren gestern. Ein Start-up aus Niederösterreich erzeugt Schneekristalle nach dem Vorbild der Natur für die heimischen Pisten.

Das Szenario kennen wir: Der Skiurlaub naht und der Schnee bleibt aus. Statt auf verschneiten Hängen ins Tal zu wedeln, steht man ratlos vor grünen Wiesen. Natürlich haben die Tourismusgebiete längst auf die Klimasituation reagiert. Über 60 Prozent der österreichischen Pisten sind mittlerweile künstlich beschneibar. Was TouristikerInnen und WintersportlerInnen freut, hat aber oft dramatische Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Und wer schon einmal einen Sturz auf einer Kunstschneepiste hingelegt hat, der weiß, dass der technisch erzeugte- Schnee auch seine Gefahren birgt. Die Zahl der komplizierten Brüche bei SkifahrerInnen und SnowboarderInnen steigt, denn im Vergleich zum Naturschnee haben die künstlichen Kristalle eine mindestens dreimal dichtere Struktur und bilden beim Befahren einen steinharten Untergrund.

"NEUSCHNEE" LÄSST ES SCHNEIEN
Das niederösterreichische Start-up Neuschnee will das nun ändern und hat ein völlig neues Verfahren zur Schneeherstellung entwickelt. Mit einer Wolkenkammer wird nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch luft ig leichter Schnee erzeugt. Und das Verfahren schont neben der Gesundheit der SkifahrerInnen auch Umwelt und Ressourcen. Eine herkömmliche Schneekanone stellt aus einem Kubikmeter Wasser zwei Kubikmeter Schnee her und verbraucht dabei je nach Temperatur zwischen einer und fünf Kilowattstunden Strom. Die rund 20.000 Schneekanonen Österreichs verbrauchen pro Jahr zur Schneeherstellung 50 Millionen Kubikmeter Wasser, was mit über 70 Millionen Euro zu Buche schlägt. Und auch der Stromverbrauch ist enorm: 15.000 kWh beträgt der jährliche Energieverbrauch durch die Schneekanonen.

„Neuschnee erzeugt echte Schneekristalle nach dem Vorbild der Natur. Die Schneekristalle wachsen in einer Wolkenkammer, was eine individuelle Einstellung der Qualität bedeutet, aber auch eine Einsparung von Energie und Wasser bis zu 60 Prozent ermöglicht. Daher haben unsere Anlagen auch keine Ähnlichkeit mit herkömmlichen Schneekanonen oder sonstigen Anlagen zur Schneeproduktion. Sie umschließen ein relativ großes Volumen, in dem die künstliche Wolke für das Kristallwachstum erzeugt wird“, erklärt Michael Bacher, Gründer und Geschäft sführer von Neuschnee, das Verfahren des niederösterreichischen Start-ups.

UNIVERSITÄTS-SPIN-OFF
Die Neuschnee GmbH ist ein Spin-off der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Wien. Sie erforscht und entwickelt Geräte zur Erzeugung von Schnee und Eis für unterschiedlichste Anwendungsbereiche. War die Schneeerzeugung bisher einfach nur das Gefrieren von Wassertropfen, so entwickelt das Team von Neuschnee innovative, multifunktionale Schneeerzeuger, die zukunft sweisend sind. „Auf der Suche nach möglichst naturnahem Schnee für die Lawinenforschung im Labor entstand gemeinsam mit anderen ForscherInnen die Idee für das Produkt Neuschnee. Anfangs hatten wir auch völlig andere Anwendungsgebiete im Kopf. Aber für uns war klar, dass in Österreich eine wirtschaft liche Verwertung im Wintersport umgesetzt werden muss“, sagt Bacher. „Selbstverständlich hat das auch damit zu tun, dass es ein unbeschreibliches Erlebnis ist, mit den Skiern auf frischem Neuschnee ins Tal zu gleiten. Und weil das heute nur abseits der Pisten möglich ist, sind wir noch immer hochmotiviert, unseren weichen Schnee als zusätzliches Angebot für WintersportlerInnen in die Skigebiete zu bringen. Denn: Eine Fahrt auf frischem Neuschnee hat auch eine Menge Suchtpotenzial. In Summe also genug Gründe für uns, die Erfi ndung nicht im Universitätslabor verstauben zu lassen“, erklärt Bacher seine Motivation.

2014 wurde das Projekt gestartet, und auch im heurigen Winter wird im Skigebiet Obergurgl-Hochgurgl weiterentwickelt und geforscht. Der Schnee wird in einem geschlossenen Behälter erzeugt. Durch das Einsprühen feinster Wassertropfen in die Wolkenkammer bildet sich eine künstliche Wolke. Aufgrund der tiefen Umgebungstemperaturen und der Injektion von kleinsten Eisplättchen fällt aus dieser Wolke Schnee, der mit natürlichem Schnee ident ist. Gleichzeitig wird die Wolke aber permanent mit Feuchtigkeit versorgt, um den so generierten Schneefall aufrecht zu erhalten.

Belohnt wurde die innovative Neuschnee GmbH mit der Auszeichnung als Patent des Jahres 2016. Mit diesem Staatspreis zeichnet Bundesminister Jörg Leichtfried gemeinsam mit dem Österreichischen Patentamt jene Unternehmen und Erfi nderInnen aus, die wesentlichen Anteil am wissenschaft lichen und wirtschaft lichen Fortschritt in Österreich haben.

________________________________________________________________________________________________

"FÜR UNS WAR KLAR, DASS IN
ÖSTERREICH EINE VERWERTUNG
IM WINTERSPORT UMGESETZT
WERDEN MUSS."

Michael Bacher, Geschäftsführer Neuschnee

________________________________________________________________________________________________

EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT
Noch läuft die Wolkenkammer von Neuschnee im wissenschaft lichen Testbetrieb, doch schon bald werden sich die heimischen SkifahrerInnen über das neue Schneevergnügen freuen können. „Eine erste Anwendung unserer Anlage werden wir im Winter 2017/18 in einem österreichischen Skigebiet präsentieren. Es wird dann noch keine großfl ächig beschneiten Pisten mit Neuschnee geben, sondern den Fokus auf spezielle Nischenanwendungen, wo wir die Vorteile unseres Schnees greifb ar machen können“, wagt Bacher den Blick in die Zukunft.

Und nicht nur die Pisten in den heimischen Skigebieten sollen beschneit werden. Bacher: „Wir wollen unsere Technologie möglichst breit vermarkten, und da zählen natürlich auch Indoor-Anwendungen dazu. Es gibt Kontakte zu einem etablierten Anbieter solcher Indoor-Systeme, und diese Kooperation wollen wir nutzen, um Neuschnee auch in Schneehallen oder Indoor-Schneesportanlagen zu bringen. Der große Vorteil solcher Anlagen besteht darin, dass Schnee in einer technisch gekühlten Umgebung erzeugt werden kann und alle Schwierigkeiten einer Outdoor-Anwendung wegfallen.“ In den nächsten drei Jahren sollen, ausgehend vom bisherigen Testgebiet in Obergurgl-Hochgurgl, der heimische Markt für Skigebiete und der internationale Markt für Lifestyle-Anwendungen erfolgreich erobert werden.