Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

"Gebete aus drei verschiedenen Bibeln"

Ausgabe #5/2015 • Trends

„Die Gebote, die uns die EZB verordnet, stammen aus drei verschiedenen Bibeln.“

Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Sparte Banken und Versicherungen in der WKÖ
 

Ein Gespräch mit Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Sparte Banken und Versicherungen in der Wirtschaftskammer Österreich

Die gemeinsame Stimme der Banken und Versicherungen auch innerhalb der Wirtschaftskammer lautstark zu erheben, ist eine seiner wichtigen Aufgaben. Dabei fühle er sich von WKÖ-Präsident Christoph Leitl ermutigt, denn dieser wisse um die gesamtwirtschaftliche Bedeutung einer funktionierenden Geldwirtschaft und sei über das gelegentliche Banken-Bashing auch in UnternehmerInnenkreisen nicht glücklich. Zusätzlich positiv wirkt sich das Engagement von Spartenobmann und Chef der Erste Group Bank, Andreas Treichl aus. Dieses hebt die Funktion der Banken und ihre unverzichtbare ökonomische Position hervor.

Franz Rudorfer kämpft an vielen Fronten. In jüngster Zeit registriert er ein verbessertes Verständnis für Banken und BankerInnen im Lande. Auch die restriktiven und standortpolitisch bedenklichen Auswirkungen der heimischen Bankensteuer werden von der Politik nicht mehr diskussionslos vom Tisch gewischt. Es gibt wieder die Einsicht, dass es ohne wettbewerbsfähige Finanzindustrie nicht gehe. „Die Politik beginnt zu verstehen …“ Schwierig ist hingegen das Erfüllen aller Postulate, die jetzt praktisch täglich auf die europäische Bankenwelt niederprasseln. Rudorfer hat dafür ein sehr anschauliches Bild: „Das Morgengebet der EZB an die Banken lautet: Ihr müsst profitabler werden! Zu Mittag wird dann die Niedrigzinspolitik prolongiert und im feierlichen Mittagsgebet mit konjunkturellen Impulsen begründet. Im Abendgebet wiederum werden hingegen neue administrative Anforderungen formuliert, die wieder zusätzlich Geld kosten. Das heißt: Wir sollen mit niedrigsten Zinsen und wachsenden Aufwendungen für Regularien aller Art unterm Strich mehr Ertrag erwirtschaften! Diese Gebete beziehungsweise Gebote, die uns die EZB verordnet, stammen offensichtlich aus drei verschiedenen Bibeln …“

Zusätzlicher Stresstest für die SparerInnen

Das anhaltend niedrige Zinsumfeld sei gerade für die „biederen RetailbankerInnen“ eine nachhaltige Belastung. SparerInnen und AnlegerInnen leiden, und die Erträge sind schwer unter Druck. Dennoch, oder gerade deshalb: „Ein Kredit kann nicht zinsenlos gewährt werden, da müssen auch die KonsumentschützerInnen Vernunft walten lassen.“ Eine klare Absage erteilt der Spartengeschäftsführer einem internationalen Haftungsverbund, wie ihn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jüngst forderte. „Wir sind strikt gegen eine Vergemeinschaftung des Risikos. Das wäre ein zusätzlicher Stresstest für die SparerInnen, und die haben mit den niedrigen Zinsen schon wahrlich Stress genug.“ Auch bei einem weiteren „Gemeinschaftsprojekt“ gibt sich Rudorfer deutlich ablehnend. Eine Finanztransaktionssteuer (FTS) – so wie sie derzeit angedacht ist – wäre Gift für die Börse, generell für die Kapitalmärkte und auch für die Fondswirtschaft in jenen elf Ländern, die sich politisch die FTS vorstellen können. „Alles, was nicht weltweit funktioniert, führt sofort zu regionalen Umgehungshandlungen“, begründet Rudorfer das „Nein“ der heimischen Kreditwirtschaft. Sorgen bereitet auch der Boom an nationalen und internationalen Regelwerken, die den Banken einen rapid ansteigenden administrativen Aufwand abfordern. Rudorfer warnt: „Wir brauchen eine ausreichende Ertragslage, um etwa die Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen zu können. Die Banken müssen genug Ressourcen haben, um diese Geschäftsfelder in den Märkten der Zukunft nicht zu verlieren.“

Immer öfter würden AnbieterInnen aus dem Nicht-Bankenbereich auftreten und sich die Rosinen aus dem Marktkuchen picken. Diese „Schattenbanken“ müssten schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen denselben Regeln unterworfen werden. Diese Problematik ist vorerst nicht zufriedenstellend gelöst, meint Rudorfer.

Für seine Funktion in der WKÖ gibt es ein klares Credo: Gemeinsamkeit in der Sparte, Überzeugungskraft in der Kammer, Proportionalität bei den Regulierungen und Ausbau der Stärken der österreichischen Finanzwirtschaft. Ein steiniger Weg …