Sparkassen Zeitung

Economy

„2016 konnten wir 235.000 Kunden dazugewinnen“

Ausgabe #2/2017 • 8SAM_KEIT

Seit Herbst 2016 leitet er als Vorstandsvorsitzender der Erste Bank Oesterreich die größte heimische Sparkasse: Stefan Dörfler kann, auf einem soliden Fundament stehend, weiter aufbauen. Die Primärmittel sind selbst in der Nullzinsphase weiter gestiegen, die Zahl der KundInnen wächst weiter und die Nachfrage nach Kommerzkrediten signalisiert die lang erwartete Konjunkturbelebung. Dörfler im Interview zu Erwartungen und Strategien.

Sparkassenzeitung: Sie haben vor Kurzem die Ergebnisse des Jahres 2016 präsentiert. Auffällig dabei ist, dass trotz einer Nullzinsphase das Einlagevolumen gestiegen ist. Ist dies ein Ergebnis des seit der Finanzkrise so ausgeprägten Sicherheitsdenkens, bei dem die Zinsperspektive keine Rolle spielt? Ist die Scheu vor dem höherverzinslichen Wertpapier weiter aufrecht
Stefan Dörfler: Für mich ist das primär Ausdruck des Vertrauens, das uns die Kundinnen und Kunden – immerhin stiegen die Einlagen im Vorjahr um mehr als fünf Prozent – entgegenbringen. Man beachte dabei bitte auch die Differenzen zum Gesamtmarkt. Die Sparkassen gelten als regional verankerter und vertrauenswürdiger Bankpartner. Der Vertrauenszuwachs dokumentiert sich auch in der Kundenzahl: Sie ist in der Sparkassengruppe im Vorjahr insgesamt um 235.000 auf sehr erfreuliche 3,54 Millionen gestiegen. Das ist unter den Rahmenbedingungen harten Wettbewerbs keine Selbstverständlichkeit.

Natürlich herrscht bei den Habenkunden derzeit noch eine Liquiditätsvorliebe vor. Sparerinnen und Sparer, Anlegerinnen und Anleger warten auf die Zinswende. Der extrem hohe Stand auf den Girokonten, immerhin sind dort die Einlagen um elf Prozent gestiegen, ist Ausdruck dieser Warteposition. Doch noch sind die Rendite-Erwartungen an den Kapitalmarkt nicht sehr hoch. Aber selbstverständlich weisen wir bei der Beratung über Chancen und Risiken die Kundinnen und Kunden konsequent darauf hin: Drei Monatseinkommen sollten Cash gehalten werden, darüber hinaus sollte man beginnen zu diversifizieren.

Merken Sie bei der Nachfrage nach Kommerzkrediten auch in der Erste Bank die sich abzeichnende Konjunkturbelebung?
Dörfler: Ja, eindeutig. Die unternehmerische Investi-
tionstätigkeit belebt sich. Es handelt sich dabei sowohl um Instandhaltungs- wie auch um Erweiterungsinvestitionen. Darüber hinaus darf man die Start-ups nicht vergessen. Das sind zwar vorerst nicht hohe Kreditvolumina, aber Investitionen in künftige Dynamik. Wir können bestätigen: Im Kommerzkundengeschäft ist die gesamtwirtschaftliche Wachstumsbelebung angekommen.

Die Finanzkrise hat ein umfangreiches Regelwerk für Banken zur Folge gehabt. Nun hat der neue US-Präsident schon mehrmals angekündigt, diese Regularien in den USA spürbar lockern zu wollen. Wird das in Europa auch zu einem Umdenken führen und etwa Basel IV oder – horribile dictu – gar Basel V verhindern?
Dörfler: Da ist noch vieles offen. Ich war jüngst in Vertretung von Andreas Treichl bei einer EZB-Informationstagung. Dort wurde angekündigt im Sommer dieses Jahres diesbezüglich gemeinsame Vorgehensweisen zu beraten und zu beschließen. Lassen Sie es mich so formulieren: Sollten die US-Amerikaner bald kräftig in die Entregulierungsrichtung ziehen, dann wird es auf Dauer wohl nicht gehen, dass die Europäer weiter kräftig in Richtung weiterer Regularien ziehen. Diese Spannung wird man auf Dauer nicht aushalten.

Die EZB-Zinspolitik wird den Nullzinspfad bald verlassen?
Dörfler: Jedenfalls wird es hier Anpassungen geben, auch wenn ein Zeitplan noch nicht absehbar ist. Eines ist aber klar: Eine konjunkturelle Belebung ging von dieser Niedrigstzinsstrategie nicht aus. Sie hat den Staatshaushalten bei den Kosten der Refinanzierung geholfen, aber die unternehmerischen Investoren haben sich nachweislich an anderen Parametern orientiert. Jetzt sind die Odereingänge und Ertragserwartungen wieder das bestimmende Motiv.

Die Reduzierung von Filialstandorten im städtischen Ballungsraum wird zunehmend diskutiert und als Ausdünnung der Angebote empfunden …
Dörfler: Wir diskutieren intern kaum etwas intensiver als diese Frage. Entscheidend für uns sind Erreichbarkeit und Komfort für unsere Kundinnen und Kunden. Eine wachsende Zahl von Menschen – selbst die älteren Semester – nutzt in steigendem Umfang Onlinebanking oder die auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglichen Automatenräume für standardisierte Routinevorgänge. Das Profil der sogenannten Interaktion zwischen Kunden und Bank hat sich nämlich nachhaltig geändert. Für die Prüfung der Kontostände oder etwa für Überweisungen braucht man den klassischen Bankschalter immer seltener.

Gleichzeitig steigt hingegen der Bedarf an solider, persönlicher Beratung für komplexere oder individuell zu konfigurierende Produkte und Dienstleistungen. Daher bieten wir sehr flexible zeitliche Möglichkeiten für solche Beratungsdienste und investieren sehr viel in die professionelle Ausbildung unserer Beraterinnen und Berater. Eines bleibt für uns wichtig: Der Kunde und die Kundin selbst bestimmt, auf welchem Wege er oder sie mit der Sparkasse in Kontakt treten will. Das ist das oberste Prinzip für das Konzept, das man jetzt auf Neudeutsch so schön als „multi-channel“ bezeichnet.

Wie sieht es mit der Kundenzufriedenheit aus?
Dörfler: Diese wird von uns permanent gemessen. Wir haben uns ja mit dem System George, also dem umfassenden Komfortservice für das Onlinebanking, das Image der Innovationsführerschaft erworben. Das Ergebnis gibt uns Recht: Wir werden dieser Tage den einmillionsten George-Nutzer oder die einmillionste George-Nutzerin begrüßen. Selbstverständlich wird auch hier die Kundenzufriedenheit laufend überprüft, und die Ergebnisse sind mehr als ermutigend.

Generell gilt: Die Markt- und Serviceerfolge sind nur dann erzielbar, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit hoher Qualifikation und beträchtlichem Einfühlungsvermögen für Kundenwünsche agieren. Dabei sind wir mit Elan und Verve sehr gut unterwegs, was ohne die qualitätsorientierte Personalpolitik nicht möglich wäre.

Vor 15 Jahren galt das „All-in-one“-Prinzip als Erfolgsstory. Also alle Dienstleistungen an einem Schalter. Dann kam die Gegenbewegung: Für jede Finanzdienstleistung brauchte man den spezialisierten Berater, die Beraterin, der oder die alles maßgeschneidert anbietet. Gilt das noch immer aus Ihrer Sicht?
Dörfler: Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man das Spektrum der Finanzdienstleistungen im Retail-Bereich gemeinsam mit den Sparkassen weitestgehend abdecken kann. Wir als Bank sind für das Bankgeschäft im weitesten Sinne zuständig. Darüber hinaus gibt es unsere Verbundpartner, die vom Bausparen über das Leasing bis zur Immobilienfinanzierung weitere wichtige Dienstleistungen abdecken. Was die Versicherungskomponente betrifft, so sind wir mit unserer Kooperation mit der Vienna Insurance Group, also mit der s Versicherung oder auch der Donau Versicherung, sehr gut aufgestellt. Die Kooperation etwa mit der Wiener Städtischen ist eine Erfolgsgeschichte, die jeweils zur eigenen Markterweiterung führt. Sie dokumentiert sich aber auch dadurch, dass wir im Erste Campus eine Niederlassung der Städtischen und im Ringturm eine Filiale der Erste Bank errichtet haben. Was uns sehr freut!

Die Fondsgesellschaften haben anlässlich des „Tages der Fonds“ eine Umfrage präsentiert, wonach nur 25 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher einigermaßen nachvollziehen können, was ein Investmentfonds ist. Das heißt, die überwiegende Mehrheit kennt diverse Produkte gar nicht. Eine hoffnungslose Situation für Finanzdienstleister?
Dörfler: Man muss das sehr ernst nehmen. Deshalb werden wir auch in unseren Bemühungen zur Verbesserung der Financial Literacy in Österreich nicht erlahmen, auch wenn da noch ein langer Weg vor uns liegt. Wir haben ja am Erste Campus für Jugendliche den Erste Financial Life Park – kurz genannt Flip – eröffnet. Den Kern der Wissensvermittlung bildet eine interaktive 120-minütige Tour, bei der den Besucherinnen und Besuchern das Finanzwesen sowie die volkswirtschaftlichen Aufgaben einer Bank erklärt werden.

Das Finanzwissen ist hierzulande tatsächlich krass unterentwickelt, da kann man nicht früh genug beginnen. Auch die Beseitigung dieser Wissensdefizite gehört meiner Meinung nach zu den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Sparkassen.