Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Der Ländliche Raum braucht Impulse

Ausgabe #2/2017 • 8SAM_KEIT

4,5 Millionen Menschen leben im ländlichen Raum. Doch immer mehr Menschen wandern in große Städte ab. Neue Konzepte sollen der Landflucht Einhalt gebieten.

Österreichs Bevölkerung wächst, aber immer mehr Menschen ziehen von entlegenen Regionen in Ballungszentren und Städte. Mit einem Masterplan für den ländlichen Raum, längst überfällig, sollen soziale und wirtschaftliche Impulse, vor allem gegen die Abwanderung junger Menschen und den Rückbau der Infrastruktur sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen, ausgelöst werden. Kleinstrukturierte Landwirtschaft, intakte Natur, Brauchtum, Handwerk und regionale Lebensmittel prägen die Lebensräume außerhalb der Städte. Mehr als 4,5 Millionen Menschen wohnen im ländlichen Raum mit etwa 2.100 Gemeinden. Seine Funktionsfähigkeit als wettbewerbsfähiger Wohn-, Arbeits- und Wirtschaftsstandort ist für die Zukunft der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Aktuelle Studien und Kommunalberichte des Gemeindebundes beschäftigen sich mit dem Wechselspiel zwischen Landflucht und Stadtträumen. In der neuen Publikation des Städtebundes „Zukunft Stadt“ wird nachgewiesen, dass der Zustrom nach Wien und in die Landeshauptstädte unvermindert anhält.

Die Einwohnerzahl der Landeszentren ist in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um sieben Prozent gestiegen. Unter den fünf Regionen, für die bis 2050 das größte Bevölkerungswachstum prognostiziert wird, sind drei im Wiener Umland und zwei im Raum Innsbruck und Graz. Den stärksten Einwohnerrückgang verzeichnete in den letzten Jahren die steirische Gemeinde Eisenerz mit 25 Prozent; aus Bad Radkersburg wanderten 14 Prozent der EinwohnerInnen ab, aus Mariazell 12 Prozent. Ein starker Bevölkerungsrückgang wird in den nächsten Jahrzehnten auch für die Bezirke Zwettl (–13 Prozent), Wolfsberg (–17), Tamsweg (–17) und Murau (–24) erwartet. Vor allem junge Frauen zieht es in die Ballungsgebiete, weil der Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen stark männlich geprägt ist.

CHANCENGERECHTIGKEIT FÜR REGIONEN
Gemäß Prognosen der Statistik Austria dürfte die Bevölkerung Österreichs bis 2024 auf über neun Millionen Menschen ansteigen. Zudem nimmt die Überalterung zu. Die Zahl der Über-65-Jährigen könnte bis 2030 von 1,54 Millionen auf 2,17 Millionen ansteigen. Die Bundesregierung möchte bis Herbst 2017 unter dem Motto „Heimat-Land-Lebenswert“ ein Maßnahmenpaket präsentieren, um mittelfristig die Chancengerechtigkeit für die Regionen zu verbessern. Die Bevölkerung soll aktiv in die Erarbeitung entsprechender Initiativen eingebunden werden. Die Bandbreite der Themen reicht von Land- und Forstwirtschaft, Tourismus über die Auslotung ökonomischer Potenziale in den Gemeinden, Infrastruktur und Mobilität bis zu Chancen für Frauen und die Auslagerung von Behörden und Ämtern – nach bayrischem Vorbild – in die Regionen.

Eine digitale Landkarte fasst 250.000 Projekte zusammen, die gemeinsam mit Lebensministerium, Gemeindebund und Kommunen umgesetzt werden sollen. Das ländliche Entwicklungsprogramm bis 2021, Herzstück der österreichischen Agrarpolitik, trägt nicht nur zur Existenzsicherung bäuerlicher Familienbetriebe bei, sondern löst auch Wirtschafts- und Beschäftigungsimpulse in den Regionen mit einer Wertschöpfung von 1,6 Milliarden Euro aus. Das ergab eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts.
Landluft für Bürokraten, das möchte Agrar- und Umweltminister Andrä Rupprechter im Zuge der Umsetzung des Masterplans für den ländlichen Raum erreichen. Die Studie des Instituts für Föderalismus kam zum Ergebnis, dass in den nächsten zehn Jahren in den Regionen etwa 3.500 Posten durch Behördenauslagerungen aus Wien geschaffen werden könnten. Politische VertreterInnen und ExpertInnen appellieren im Rahmen der Initiative „Wirtschaft am Land“ für einen zügigen Ausbau des Breitbandnetzes vor allem in
Gebieten mit wirtschaftlichem Nachholbedarf.

GEMEINDEN SCHAFFEN HEIMAT
Der am 15. Dezember 2016 vom Nationalrat verabschiedete, bis 2021 geltende Finanzausgleich sichert wichtige Aufgaben der Gemeinden in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kindergärten und Soziales. Etwa 113 Millionen Euro stehen aus dem Finanzausgleich ausschließlich strukturschwachen Gemeinden zu, deren Finanzkraft pro Kopf unter 75 Prozent des Bundesdurchschnitts liegt. Zu einer großen Aufgabenbereinigung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kam es, wie Finanzminister Hans Jörg Schelling und der langjährige Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, bedauerten, leider nicht. Er übergab nach 18 Jahren am 29. März 2017 sein Amt Alfred Riedl, seit 1990 Bürgermeister der 3.000 EinwohnerInnen zählenden Gemeinde Grafenwörth im Bezirk Tulln.

„Gemeinden schaffen Heimat“ ist das Motto des Gemeindebundes, der das von der Regierung beschlossene „Kommunalinvestitionsgesetz“ begrüßt. Rund 175 Millionen Euro sind für zusätzliche Investitionen der Kommunen vorgesehen. Das auf zwei Jahre befristete Programm soll 800 Millionen Investitionen auslösen, vor allem für die Kinder- und Seniorenbetreuung, im Verkehrswesen und bei der Wasserversorgung. Die Projektkosten werden bis zu 25 Prozent unterstützt. Eine große Sorge für die Gemeinden ist auch der Schwund der Grünflächen gegenüber 50.000 Hektar ungenützter Gebäudeareale. Der Verlust von täglich einer Fläche von 30 Fußballfeldern bzw. eines bäuerlichen Familienbetriebes mit 20 Hektar kann nur mit sorgsamen Flächenwidmungen gemildert werden. Das Institut für Höhere Studien (IHS) plädiert für eine Revitalisierung ungenützter Gebäude. Die „Brachlandmilliarde“ soll die weitere Versiegelung des Landes verhindern und eine zusätzliche Wertschöpfung von 2,14 Milliarden Euro ermöglichen. Die Gemeinden prägen das Land, das ist politischer Konsens. Sie sind der größte Investor, Eigentümer von 60.000 Gebäuden und für den Betrieb von 3.400 Kindergärten und 4.500 Schulen verantwortlich. Die Gemeinden müssen 88.000 Kilometer Straßen erhalten und beschäftigen 75.000 Menschen. Rund drei Viertel befragter EntscheidungsträgerInnen gaben bei einer Befragung des Gemeindebundes an, die Kommunen hätten vom EU-Beitritt profitiert. Fehlende Arbeitsplätze, weniger Bildungs