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Economy

Lösen bitcoins die Banknoten ab?

Ausgabe #3/2017 • Next Generation

Günstig, von Mensch zu Mensch und fälschungssicher. Kryptowährungen regen aktuell zu Fantasien an. Das Potenzial, die Auswirkung auf die Finanzwelt und die Sicht der Banken auf den Hype im Überblick.

Am 22. Mai 2010 bekam der Programmierer Laszlo Hanyecz Appetit auf Pizza. In einem Forum bot er dafür 10.000 Bitcoins an. Ein Brite akzeptierte das Angebot und besorgte für die damals noch junge Währung zwei Pizzen für 24 Dollar. Heute entspräche das Volumen einem Preis von zehn Millionen Euro – pro Pizza. Es war die erste verbriefte Transaktion von Bitcoins gegen reale Güter. Am 22. Mai wird daher jedes Jahr der „Bitcoin Pizza Day“ gefeiert. Die Geschichte zeigt, wie volatil der Kurs der Kryptowährung noch ist. Im Jänner rutschte der Kurs noch unter die Marke von 800 Dollar pro Bitcoin. Dann erkannte Japan Bitcoins als offizielles Zahlungsmittel an und die US-Börsenaufsicht SEC prüfte einen Bitcoin-basierenden Index auf Zulassung. Der Preis verdoppelte sich innerhalb von zwei Monaten. Vor einem Monat knackte er erstmals die 2.000-Dollar-Marke. In den vergangenen fünf Jahren schoss er um 55.000 Prozent in die Höhe. Ein Bitcoin ist damit deutlich mehr wert als eine Feinunze Gold (1.150 US-Dollar). Alle Bitcoins zusammen kommen aktuell auf einen Gegenwert von 35 Milliarden US-Dollar. HändlerInnen halten einen Anstieg auf bis zu 10.000 Dollar bis Ende des Jahres für realistisch.

Bitcoins werden durch Rechenleistung erzeugt. Um das „Mining“ erfolgreich zu betreiben, braucht es entsprechende Hardware, da die benötigte Rechenleistung in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. In den Anfangstagen der Bitcoins setzten die Miner auf die herkömmlichen CPUs ihrer Rechner, doch deren Leistung erschöpfte sich bald. Darauf kamen die stärkeren Grafik-Prozessoren in Mode. Mehrere Computer wurden zusammengeschlossen: FPGA. Heute sind ASIC-Miners im Einsatz, die ganze Fabrikhallen füllen können. Vor allem in China werden wahre Mining-Farmen betrieben. Von den 21 Millionen Bitcoins sind 18 Millionen bereits geschürft. 2130 sollen alle Bitcoins im Umlauf sein. 

Finanzbeben oder Sturm im Wasserglas?
Die Vorteile von Bitcoins sind nicht von der Hand zu weisen: Überweisungen ohne Swift, IBAN, BIC und Verwendungszweck, gratis, per App oder Mail. Geschützt vor Hyperinflation und fälschungssicher. Bitcoins und vor allem die dahinterliegende Blockchain-Technologie können sowohl das Finanzsystem als auch das Internet an sich auf die nächste Evolutionsstufe heben. Doch ob es so weit kommt, hängt vor allem von den Regulatoren ab. Während sich in Asien Japan und Singapur eingehend mit den Kryptowährungen beschäftigen und auch Kanada seine Unterstützung zugesagt hat, drängt die EU auf Einschränkungen. Mit dem sogenannten „Action Plan“ gegen Terrorfinanzierung hat Brüssel vor knapp einem Jahr beschlossen, auch virtuelle Währungen unter die europäischen Regeln und Gesetze gegen Geldwäsche zu stellen. Ende Dezember hat der Rat der Europäischen Union einem Vorschlag der Kommis-

sion zugestimmt, wie die Kontrolle über die Geldströme zu verschärfen sei. Der Entwurf der Kommission, der derzeit diskutiert wird, stellt den Kern der Pläne der EU gegen Geldwäsche, Steuerflucht und Terrorfinanzierung dar.

Zentralbanken planen Digital-Währungen
Mehrere Zentralbanken denken offiziell bereits über eigene Währungen auf Blockchain-Basis nach, etwa die Bank of England und einige asiatische Notenbanken. Gegenwert wäre wohl nicht Rechenleistung, sondern das Vertrauen in die Institutionen. Nationalbankchef Ewald Nowotny verglich unlängst am Rande der Volkswirtschaftlichen Tagung der Nationalbanken den gegenwärtigen Hype mit der ersten wirklichen Spekulationsblase, der Tulpenblase in Holland. Bitcoins seien „nicht ungefährlich“ und hätten das Potenzial, „zu einer Verunsicherung des gesamten Geldsystems zu führen“. Derartige Digitalwährungen seien „kein Ersatz für Bargeld“. Damit schlägt er in dieselbe Kerbe wie ÖSPV-Generalsekretär Franz Portisch, der den etwaigen Versuchen, den Bargeldverkehr einzuschränken, eine Absage erteilt: „Bargeld ist noch immer das am besten funktionierende und am leichtesten zugängliche Zahlungsmittel. Es ist wichtig, gebräuchlich und vor allem für Privatpersonen und KMU das Zahlungsmittel der Wahl.“ Denn mit den Wünschen nach einer Regulierung der Kryptowährungen durch die Zentralbanker einher geht auch eine Einschränkung des Bargelds. Genauer: die Einführung von Obergrenzen. Ein Treiber dieser Idee, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, brachte eine EU-weite Begrenzung auf 5.000 Euro in die Diskussionen ein. Aktuell herrscht in Österreich eine Ausweispflicht ab 15.000 Euro.

Wechsel der Generationen
Bedeutet Blockchain das Ende der Banknoten? Auch wenn kein vollständiges Verbot von Bargeldzahlungen im Fahrplan der EU-Kommission erwähnt wird, so kann es am Ende darauf hinauslaufen. Portisch: „Mit Bargeldobergrenzen beginnt es, die in Folge immer weiter gesenkt werden können. Bei den Banknoten erleben wir es bereits. Die größeren Scheine werden immer mehr vom Markt genommen.“ Weitere Einschränkungen des Bankgeheimnisses werden erwartet. Die Kryptowährungen läuten einen Paradigmenwechsel ein, der das Ausmaß der potenziellen Umwälzungen durch die Digitalisierung erahnen lässt. Profitiert hat davon der eingangs erwähnte Early Adopter Laszlo Hanyecz. Nach dem Genuss der beiden Pizzen veranlagte er den Rest seines stattlichen Bitcoin-Vermögens in einen neuen Rechner. In einem Interview mit der New York Times fand er die Pizza-Transaktion und den Medienrummel um ihn „unheimlich cool“. Hoffentlich verfolgt er den Hype aktuell nicht mit.