Sparkassen Zeitung

Economy

"Die Grundregel des Bankgeschäfts ist, dass es für die Mesnchen gut sein soll"

Ausgabe #4/2017 • Rückgrat der Wirtschaft

Alfred Riedl, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes und Gerhard Fabisch, Präsident des Sparkassenverbandes über die Bedeutung der Regionalbanken für die Gemeinden, die Wichtigkeit des Breitbandausbaus im Kampf gegen die Abwanderung aus den Regionen und Nachhaltigkeit als zentrales Thema.

Sparkassenzeitung: Herr Riedl, wo sehen Sie als neuer Präsident des Gemeindebundes die aktuellen Herausforderungen für die Gemeinden?

Alfred Riedl: Das zentrale Anliegen ist, in der Stadt und auf dem Land gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Der ländliche Raum muss den Bewohnerinnen und Bewohnern und insbesondere den Familien die gleichen Chancen bieten, wie man sie in der Stadt findet. In jüngster Zeit gibt es hier gute Ansätze, um diesem Ziel wieder ein Stück näher zu kommen. Entscheidend ist vor allem eine funktionierende Infrastruktur.

Wie wichtig ist hier die Zusammenarbeit der Sparkassen mit den Gemeinden?

Gerhard Fabisch: Die Gemeinden sind in vielen Fällen die Ursprungszellen für die Gründung von Sparkassen. Es waren immer die Verantwortungsträger in den Regionen, die de facto die Sparkassen gegründet haben. So sind über Jahrzehnte sehr enge geschäftliche Beziehungen zu den Gemeinden gewachsen.

Wie sehen Sie die Bedeutung von Regionalbanken für die Gemeinden?

Riedl: Ursächlich für diese Beziehung war die Hilfe zur Selbsthilfe der Verantwortlichen in der Region. Natürlich darf das betriebswirtschaftliche Denken nicht zu kurz kommen, aber was zählt, ist auch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Hier einen gemeinsamen Nenner zu finden wird durch die regionalen und historischen Verbindungen einfacher.

Fabisch: Wir haben eine hohe Wertschöpfung, die wir in den ländlichen Gebieten erzeugen, da wir Menschen aus den Regionen beschäftigen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sparkassen, die dort ihre Löhne bekommen und diese wieder in den Regionen ausgeben. Wir achten auch darauf, dass unsere Lieferantinnen und Lieferanten, wie zum Beispiel Tischler, aus den Regionen kommen. Insgesamt erzeugen die Sparkassen in ganz Österreich eine Wertschöpfung von über acht Milliarden Euro. Die Region gibt uns sehr viel, und deshalb wollen wir der Region auch einen wichtigen Beitrag zurückgeben.

Ein großes Thema ist auch der Breitbandausbau in den Regionen. Warum geht es so schleppend voran?

Riedl: Zum einen liegt es daran, dass wir keine nachhaltige Zieldefinition haben, sondern nur für Wahlperioden taktische Initiativen setzen. Hätten wir beim Infrastrukturausbau vor 20 Jahren nicht nur das Kanal- und Wassernetz ausgebaut, sondern auch gleich die Kabel verlegt, hätten wir heute keine Probleme mit der digitalen Anbindung. Die Internetoffensive war zwar ein guter Anreiz, aber schon nach wenigen Jahren sind wir draufgekommen, dass die Mittel nicht ausreichen. Heute bräuchten wir zusätzliches Geld um den Ausbau voranzutreiben.

Breitband ist Daseinsvorsorge für die Gemeinden?

Riedl: Ohne Breitband wird der ländliche Raum wirtschaftlich nicht mithalten können. Heute ist eine gute Internetanbindung eine zentrale Standortvoraussetzung für Unternehmen. Gibt es keine gute Netzanbindung, dann wird sich der ländliche Raum auch nicht entwickeln. Es ist also im öffentlichen Interesse, hier ein passives Netz zu haben. Wie beim Strom wäre auch bei den Datenleitungen eine beherrschende öffentlich-rechtliche Eigentümerstruktur denkbar, die diese Infrastruktur wieder an private Betreiber vermietet. Auch der Strommarkt wurde liberalisiert, obwohl die Netze mehrheitlich im öffentlich-rechtlichen Eigentum stehen. Bisher hat das gut funktioniert. Überlassen wir den Netzausbau nur dem freien Markt, dann wird der ländliche Raum nie angebunden werden. Der gesamte Bereich muss entbürokratisiert werden und Fördergelder müssen schneller fließen.

Fabisch: Wir würden einen Ausbau ebenfalls unterstützen. Das ist heutzutage wie Strom und Wasser – wenn man das nicht hat, kann man niemanden dazu bewegen dorthin zu gehen. Umso wichtiger ist der allgemeine Konsens, dass Datenleitungen eine Infrastruktur sind, die zur Basisausstattung gehört. Eine kurzfristige und rein wirtschaftliche Betrachtung macht hier keinen Sinn. Man muss hier das öffentliche Interesse im Auge haben.

Kann man mit dem Breitbandausbau auch die Abwanderung der Jugend verhindern?

Fabisch: Auch wir haben ein großes wirtschaftliches Interesse daran, dass die Jugend nicht in die Städte abwandert. Geht die Jugend, dann verliert auch die Region, weil sie damit ihre Zukunft verliert. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass eine gute Infrastruktur nur ein erster Schritt sein kann, um ein Leben am Land attraktiv zu machen. Darüber hinaus gibt es noch viele Aspekte, wie Bildungs- und Kulturangebote, die hier eine wichtige Rolle spielen.

Dass man die Infrastruktur braucht, steht also außer Frage. Aber wer soll sie finanzieren?

Riedl: Natürlich kostet die Infrastruktur viel Geld, aber aus meiner Sicht gibt es genug Geld, das lukrative Investments sucht. Stehen hinter den Investitionen tragfähige wirtschaftliche Konzepte, dann lassen sich auch institutionelle Anleger wie Banken, Pensionskassen oder Versicherungsunternehmen für regionale Investments gewinnen.

Fabisch: Bei solchen Projekten braucht es zudem eine gewisse Solidarität. Es muss eine Kostenverteilung geben, die sich nicht nur an den Kabelkilometern bemisst. Damit haben entlegenere Höfe und Häuser nie eine Chance auf eine Netzanbindung, weil es zu teuer ist. Was bei Strom und Wasser kein Thema ist, darf heute auch bei der Datennetzanbindung keine Rolle mehr spielen.

Riedl: Besteht beim Kanal- und Stromnetzausbau zwischen Bund, Ländern und Gemeinden der Konsens, dass wir die volle Flächenversorgung bei sozial verträglichen Gebühren haben wollen, so fehlt diese Einigkeit im Breitbandausbau. Dabei ist dieser genauso wichtig wie eine Strom- oder Wasseranbindung.

Wie steht es um die Mobilität? Ist nicht auch die Verkehrsanbindung ausschlaggebend?

Riedl: Wie der Breitbandausbau ist auch die Mobilität im ländlichen Raum ein zentrales Thema. Neubaugebiete müssen verkehrstechnisch gut angebunden sein, sonst will niemand dorthin ziehen. Je besser die öffentliche Anbindung ist, desto attraktiver werden die jeweiligen Regionen. Das zeigt sich auch bei zahlreichen Projekten im ländlichen Raum, die hier Maßstäbe gesetzt haben.

Sustainable Finance: ein neuer Begriff für etwas, das man in den Gemeinden und in der Sparkasse schon immer gemacht hat?

Fabisch: Gewinnmaximierung steht bei uns nicht im Mittelpunkt, sondern nachhaltige Finanzierung. Die meisten Sparkassen sind zwischen 150 und 200 Jahre alt, und es wird uns auch morgen noch geben. Wir haben aber nur dann eine Zukunft, wenn unsere Finanzierungen auch einen nachhaltigen Wert bringen, für die Region, für die Menschen, für unsere Kundinnen und Kunden. Die Grundregel des Bankgeschäfts ist, dass es für die Menschen gut sein soll, dass es nachhaltig sein soll, dass es anständig sein soll, dass es wirtschaftlich sein soll. Das hat die Sparkassen über 200 Jahre überleben lassen.

Können Sie uns ein Beispiel für Ihr nachhaltiges Handeln geben?

Fabisch: Vor 60 Jahren sind in der Südsteiermark die Weinbauern reihenweise bankrott gegangen. Die Reblaus vernichtete gesamte Weinkulturen. Die Sparkassen mussten die Weingüter als Pfand nehmen. Aber was fängt eine Bank mit bankrotten Weingütern an? Natürlich hätte man sie verkaufen und den Verlust ausbuchen können. Wir handelten anders. Die Sparkassen führten damals eine Weintraube aus Amerika ein, die gegen die Reblaus resistent war, und haben diese Weintraube in der Steiermark kultiviert. Die in Konkurs gegangenen Weinbauern wurden eingeladen, ihre eigenen Weingüter wieder zurückzupachten. Die kultivierten Weintrauben wurden gratis zur Verfügung gestellt, bis die Weinbauern wieder so stark waren, dass sie ihre Weingüter zurückkaufen konnten. Das Ganze war ein Programm über 20 Jahre, das letztendlich sehr erfolgreich war.

Mit einem kritischen Blick betrachtet: Was würden Sie sich voneinander wünschen?

Riedl: Wir haben zur Zeit ein Problem mit der flächendeckenden Geldversorgung. Wir sehen, dass die in den Regionen lebenden Personen noch Bargeld zum täglichen Bedarf brauchen, und trotzdem werden in vielen Gebieten die Bankomaten abgebaut. Betriebswirtschaftlich wird das schon Sinn machen, aber natürlich schadet es den Standorten. Es würde uns sehr freuen, wenn die Regionalbanken hier das Gemeinwohl über den Kostenfaktor stellen würden.

Fabisch: Hier braucht es von beiden Seiten wieder mehr Zusammenhalt. Nicht nur die Kundinnen und Kunden sind finanztechnisch mobiler geworden und nutzen immer öfter überregionale Bankangebote, sondern auch die Gemeinden selbst greifen bei Finanzierungsausschreibungen immer öfter auf Billigangebote internationaler Investmentbanken zurück. So etwas hinterlässt Spuren in der Region. Natürlich sollte man Leistungen für das Gemeinwohl nicht gegenverrechnen, aber solche Beziehungen dürfen auch keine Einbahnstraße werden. Letztendlich ist es uns allen ein Anliegen, dass der ländliche Raum wieder gewinnt und wir alle davon profitieren.