Sparkassen Zeitung

Economy

"Vom Amts-Charakter zur raschen Problemlösung"

Ausgabe #4/2017 • Rückgrat der Wirtschaft

Die Sparkassenfiliale ist 90 JAhre alt. Sie ist naturgemäß immer ein Spiegelbild der Vertriebskonzepte und der Kundenkommunikation gewesen. Über den Wandel der Geschichte und das ausrollen eines neuen Konzepts sprachen wir mit dem Für Retail zuständigen Vorstand der Erste Group Bank, Peter Bosek.

Sparkassenzeitung: Die Filiale der Sparkassen gibt es erst seit 90 Jahren, seit 1927. Die Sparkassengründung in Österreich feiert in zwei Jahren, also 2019, ihren 200. Geburtstag. Ein Paradoxon?

Peter Bosek: Die ersten Jahrzehnte waren wohl nicht vom Privatkundengeschäft, sondern von Aktivitäten als mittelständische Geschäftsbank geprägt. Das Bankgeschäft war eben noch kein Breitengeschäft.

Die Filiallandschaft hat im Laufe der Jahrzehnte einen beachtlichen Strukturwandel durchgemacht. Das Ambiente hat sich komplett gewandelt …

Peter Bosek, Vorstand der Erste Group

Bosek: ... von einer Institution mit ausgeprägtem Amts- Charakter und einem ehrfurchtgebietenden Umfeld zu einem modernen Dienstleistungszentrum. Die ersten Filialen waren von der Barriere des Schalters und der dahinter agierenden Bankbeamten geprägt. Kunde und Kundin stellten sich an, ihr Anliegen wurde zur Kenntnis genommen und dann verschwand der Bankmitarbeiter im Back Office – das hieß damals natürlich noch nicht so – um später wiederzukommen. In der Bürokratie gibt es bekanntlich den Begriff der Hoheitsverwaltung, und diesen Eindruck vermittelte die Bankfiliale. Alles hatte seine amtliche Ordnung, selbst die Sparbucheintragung musste in den ersten Jahrzehnten händisch vorgenommen werden. Erst später kamen die Buchungsgeräte.

Das Publikum schimpfte in den fünfziger und sechziger Jahren, dass in vielen Bezirken attraktive Kaffeehäuser einer Bankfiliale weichen mussten. Das wurde im Volksmund als Indiz wieder aufkeimender Inflation interpretiert. Jedenfalls waren die Filialstandorte der Kreditwirtschaft stets eine Frage von öffentlichem Interesse.

Bosek: Das mit den Kaffeehäusern ist mir persönlich nicht mehr erinnerlich. Aber ich kann mir vorstellen, dass gute Kaffeehaus-Standorte nicht unbedingt auch optimale Locations für Bankfilialen waren.

Welche strategischen Überlegungen liegen dem neuen Filialkonzept der Sparkassen zugrunde?

Bosek: Die Routinevorgänge im Geschäftsverkehr mit den Kundinnen und Kunden sollen überwiegend digital abgewickelt werden. Der volle Erfolg des Netbankingkonzepts George beweist uns, dass die Kundinnen und Kunden die Bequemlichkeiten dieses Angebots binnen kurzer Zeit sehr zu schätzen lernten. Und das unabhängig von den Altersgruppen. Das war ein generationenübergreifender Erfolg, der sich jetzt nach der kompletten Systemumstellung im Netbanking verfestigen wird.

Wer jetzt in eine Filiale kommt, hat einen Wunsch oder ein Problem mit Beratungsbedarf, von dem er oder sie wünscht, dass es dort möglich rasch gelöst wird. Dafür nimmt man schon mal einen längeren Anfahrtsweg in Kauf. Entscheidend ist, dass wir bereit sind, wenn uns der Kunde oder die Kundin braucht. Deshalb haben wir die Öffnungszeiten gegenüber früher deutlich verlängert und auch die Möglichkeiten der individuellen Terminvereinbarungen wesentlich ausgeweitet.

Was gut angenommen wird?

Bosek: Sehr gut sogar, denn es signalisiert, dass wir die jeweils auftauchenden Probleme sehr ernst nehmen. Sowohl bei den Privatkundinnen und -kunden wie auch bei den Kommerzkunden. Denn ich kann als moderne Bank nicht sagen, lass mich Teil deiner Wertschöpfungskette sein, aber leider ist bei uns um 15 Uhr Schluss. Es war dringend notwendig diese Amtsstunden-Mentalität zu überwinden.

Hat diese Öffnung Auswirkungen auf das Primärmittelaufkommen?

Bosek: Nicht unbedingt. Aber es hat sicher auch gewisse Auswirkungen auf den Zustrom von Neukundinnen und Neukunden zu den Sparkassen, den wir derzeit mit großer Freude verzeichnen. Das ist Ausdruck des Vertrauens in die Sparkassen und in deren Dienstleistungsorientierung. Es ist für immer mehr Menschen attraktiv Sparkassenkunde oder -kundin zu sein. Das macht uns verständlicherweise auch etwas stolz. Wir rollen dieses neue Filialkonzept derzeit auch in Prag, Budapest und Bukarest aus, denn die Bedarfsstrukturen sind dort ähnlich.

Ist das neue Filialkonzept nicht bis zu einem gewissen Grad kommunikationshemmend?

Bosek: Keineswegs – im Gegenteil. Die Routine überlassen wir der Digitalisierung. Aber unser Erfolg als Bank wird nicht an der Zahl der im Foyer installierten Automaten, sondern an der Qualität des persönlichen Beratungsgesprächs mit den einzelnen Kundinnen und Kunden gemessen. Wir sprechen ja sehr gerne mit den Kunden, nur so bekommt man profunden Einblick in die Probleme und Marktbedürfnisse. Daher müssen wir auch permanent die Ausbildung der Beraterinnen und Berater verbessern. Ihr Know-how ist unser wichtigstes Asset bei der raschen Problemlösung für unsere Kundinnen und Kunden, deren Zahl erfreulicherweise bei den Sparkassen laufend steigt.