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Economy

Hindernislauf in den Chef-Etagen: Frauen in Führungspositionen

Ausgabe #1/2016 • Wirtschaft, Region, Werte ... sind weiblich.

Hindernislauf in den Chef-Etagen: Frauen in Führungspositionen

In Vorstands- und Chefetagen muss man sie mit der Lupe suchen – obwohl Unternehmen konkretes Potenzial vergeuden, wenn vor Frauen die rote Karriere-Ampel aufleuchtet. Ein Mentalitätswandel ist jedoch spürbar.

Die Beschwörungsformeln kennt man von Kamingesprächen und Podiumsdiskussionen: Frauen sollten stärker gefördert werden, lautet das Mantra der Manager, Benachteiligungen müssen weg und es sei eine Schande, dass Gleichberechtigung heute noch ein Thema darstelltie Realität in Unternehmen spielt sich häufig unter der berüchtigten gläsernen Decke ab. Trotz Beteuerungen von Wirtschaft slenkern, dass die Situation schon viel rosiger aussehe und keine Könnerin im Abseits geparkt werde, präsentiert sich die Businesswelt über weite Strecken als glattes Parkett für weibliche Karrierewünsche.

Zahlen des Consultingunternehmens EY Österreich belegen das trübe Szenario. Gemäß dieser Managementberatung präsentiert sich das weibliche Geschlecht in den obersten Etagen heimischer börsennotierter Betriebe als Minderheitenprogramm. Mitte des Vorjahres fanden sich unter 214 Vorstandsmitgliedern insgesamt neun Frauen. Sieben von acht Gremien Sieben von acht Gremien erwiesen sich als geschlossene männliche Veranstaltung.

MASSIVER AUFHOLBEDARF

„Frauen muss man in Österreichs Vorstandsetagen mit der Lupe suchen“, verkündet EY-Expertin Elfriede Baumann. „Obwohl viele Unternehmen merkbar bemüht sind,
mehr Mitarbeiterinnen an die Spitze zu bringen, hat sich der gewünschte Erfolg noch nicht eingestellt. In fast 90 Prozent der Chefetagen  ndet sich keine Managerin. Das
Argument, dass Gleichstellung heutzutage ohnehin selbstverständlich sei, ist mit diesen Ergebnissen widerlegt. Der Aufholbedarf ist also immer noch massiv.“

Bemühungen in diese Richtung waren natürlich vorhanden, meist angesiedelt zwischen ehrlicher Absicht, halbgaren Versuchen und Imagekosmetik – mit den entsprechenden
Resultaten. „Es fehlt noch immer echte Chancengleichheit. Die bislang realisierten Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Unternehmen sind einfach nicht ausreichend.
Die Ursachen liegen unter anderem an festgefahrenen Rollenbildern, wie ein Mädchen zu sein hat, wann man eine gute Mutter ist, wann ein guter Vater, wann man als Frau erfolgreich ist und wann als Mann“, kritisiert Waltraud Brandner, Vorstandsdirektorin der Sparkasse Scheibbs.

Waltraud Brandner,
Vorstandsdirektorin Sparkasse Scheibbs

„WENN FRAUEN IHRE NETZWERKE AKTIV NUTZEN, KÖNNEN SIE SICH EFFEKTIVER POSITIONIEREN.“

 

Auf der Suche nach den Ursachen der Misere konnten die AnalystInnen von Bain & Company in den USA weitere Aspekte aufspüren. Als Bremse wirken weder mangelnder Wille noch die vielzitierte Familiengründung. Im Gegenteil: Junge Frauen zeigen anfangs Ehrgeiz, später wird alles anders. 43 Prozent der Einsteigerinnen steuern direkt das Topmanagement an, fünf Jahre danach sind nur mehr 16 Prozent siegessicher. 34 Prozent der Männer starten hingegen mit Selbstvertrauen und verfolgen diese Linie.

Die Verunsicherung von Frauen basiert auf handfesten Ursachen, die in der Bain-Studie aufgeführt sind. Zum nachhaltigen Aufstiegs-Ballast zählt die Erkenntnis, nicht in das Klischeebild eines idealen Angestellten zu passen, der als stets verfügbarer Siegertyp die Überholspur abonniert hat. Die mangelnde Unterstützung direkter Vorgesetzter macht sich gleichermaßen nachteilig bemerkbar. Drittens sind weibliche Role Models, die aus dem Chefbüro motivierende Signale senden könnten, Mangelware.

Die so entstehende Stagnation hinterlässt ebenso spürbare wie konkrete betriebliche Spuren. Ein Blick ins Nachbarland, wo die Luft für Frauen in Toppositionen trotz Fördermaßnahmen und besserer Bildungsabschlüsse ebenfalls dünn ist, zeigt das Dilemma. Deutsche Arbeitgeber vergeuden Chancen bei Faktoren wie etwa Innovationsfähigkeit, lautet das nüchtere Resümee der Unternehmensberatung Boston Consulting Group.

„Die Wertschöpfung könnte bis zu acht Prozent steigen, würden die Potenziale der Frauen auf dem Markt aktiviert. Die Arbeitskräftelücke könnte um 35 Prozent sinken. Aber
die Chancen wurden bislang eben nicht genutzt“, kritisiert Rocío Lorenzo, Partnerin der Boston Consulting Group. Aufholversuche dürfen mehr bringen als eine Beruhigung des Gewissens, denn es gibt rationale wirtschaftliche Gründe für die Aufösung abgeschirmter Herrenclubs. Eine Studie von EY lässt kaum Zweifel o en: Firmen, die sich signifikant für Gleichberechtigung engagieren, sind besser unterwegs. Dabei enthüllt sich eine starke Korrelation zwischen Erfolg und Intensität der Frauenförderung. „High Performers“, also Unternehmen mit einem Wachstum über 20 Prozent, engagieren sich für weibliches Personal deutlich stärker als „Moderate Performers“ mit bis zu 20 Prozent Aufwind oder gar stagnierende „Low Performers“.

HÖHERE EIGENKAPITALRENDITE

Eine Bestandsaufnahme der Credit Suisse bei über 3.000 Unternehmen macht diese Tendenz ebenfalls transparent. Demnach registrieren Betriebe mit mindestens einer Frau
im Verwaltungsrat eine höhere Eigenkapitalrendite und erzielen an der Börse vergleichsweise bessere Resultate. Trotz aller Zahlen und Argumente lässt der Turnaround
weiter auf sich warten. Hoffnungslos ist die Lage aber keineswegs, das zeigt die Praxis der Austro-Dependance einer populären Fast-Food-Kette. „McDonald’s fördert Karrieren
individuell. Mit dem Ergebnis, dass hier vom Restaurant bis hin zur zweiten Managementebene mehr Frauen als Männer in Führungsfunktionen zu finden sind. Weil ausschließlich
Motivation, Persönlichkeit oder Engagement zählen. Die Ausgewogenheit der Geschlechter bringt stabileren Erfolg“, unterstreicht Sprecherin Ursula Riegler.

PSYCHOLOGISCHE BARRIEREN

T-Mobile Austria wiederum verzeichnet knapp 30 Prozent Frauen-Anteil im Management. Diese Zahlen können aber bestimmte psychologische Hemmnisse nicht gänzlich verdecken. „Frauen zeigen oft Selbstzweifel, wie etwa "das traue ich mir nicht zu". Gegengesteuert wird hier im Unternehmen gezielt durch Maßnahmen wie Mentoring, das Nutzen der Vorbildfunktion von Frauen oder Frauennetzwerke“, erklärt Maria Zesch, CCO des Mobilfunkbetreibers. Off enbar stellen sich teilweise auch die Akteurinnen selbst ein Bein. Michaela Schwinghammer-Hausleithner, Vorstandsdirektorin der Sparkasse Eferding-Peuerbach-Waizenkirchen, kennt die Situation aus der Praxis: „Derzeit haben wir mehr weibliche als männliche junge Mitarbeiter, ein deutlicher Trend in unserer Sparkasse. Trotz fundierter Ausbildung wollen Mitarbeiterinnen Führungspositionen nicht immer übernehmen.“

Michaela Schwinghammer-Hausleithner,
Vorstandsdirektorin Sparkasse Eferding-Peuerbach-Waizenkirchen

„DERZEIT HABEN WIR MEHR WEIBLICHE ALS MÄNNLICHE JUNGE MITARBEITERINNEN,
EIN DEUTLICHER TREND IN UNSERER  SPARKASSE.“

 

Schwinghammer-Hausleithner weiter: „Das bedeutet nicht nur den Verlust von Ausbildungsinvestitionen, sondern stellt auch ein Problem dar bei der Entwicklung weiblicher
Führungskräfte im eigenen Haus. Die Förderung bieten wir an, hier gibt es keinen Unterschied zwischen den Mitarbeitern. Verantwortung zu übernehmen und sich trauen, sich
für manche Positionen auch zu bewerben, bleibt jedoch persönliche Aufgabe von Mitarbeiterinnen.“

MERKBARER MENTALITÄTSWANDEL

Zielorientierter Mut könnte sich auszahlen, denn die Kräfte der Beharrung lassen nach. Elfriede Baumann notiert jedenfalls einen Mentalitätswandel: „Das Thema Gleichstellung
ist in Chefetagen merkbar in den Mittelpunkt gerückt. Weniger in der immer noch zaghaften öffentlichen Diskussion, umso mehr in Firmen selbst. Viele haben sich zu einer Quote verpflichtet oder Programme zur Förderung gestartet. Wo Gleichberechtigung gelebt wird und in der Kultur verankert ist, können solche Bemühungen Früchte tragen.“

Doch von selbst wird nur wenig geschehen. Erforderlich ist der Einbau von Drehmomenten. „Ich sehe in der Wirtschaft einen Nachholbedarf, was den Besetzungsmodus betrifft “, konstatiert Schwinghammer-Hausleithner. „Männer vergeben offene Führungspositionen an Männer, das läuft sehr oft nach dem alten Schema. Entscheidend sollten aber nur fachliche und soziale Kompetenz sein. Ich bin keine Befürworterin von Quoten, doch ob ein Wandel ohne solche Schritte funktionieren wird, bleibt fraglich. Ein Generationenwechsel wäre hier gleichfalls sehr hilfreich.“

So wie die Neuorientierung betreffend interner Prozesse und Werkzeuge. „Viele Betriebe müssen neue Strukturen aufbauen mit Maßnahmen wie Auszeitmanagement. Die Führungsformen gehören auch evaluiert in Richtung Teilzeit oder Jobsharing. Wenn Frauen ihre Netzwerke aktiv nutzen, können sie sich e ektiver positionieren. Weiters
geht es um ein offenes Aussprechen von Führungsansprüchen“, fordert Waltraud Brandner. Dann könnte die gläserne Decke deutliche Sprünge zeigen.

INTERVIEW

„OHNE BEMÜHUNGEN ÄNDERT SICH NICHTS“

Gundi Wentner, Expertin der Managementberatung Deloitte Österreich, über Talenteknappheit, angepasste Frauen und männerdominierte Unternehmenskulturen.

Sparkassenzeitung: Unternehmen, die weniger Frauen beschäftigen, verschenken wichtiges Potenzial. Warum ändert sich der Zustand trotzdem nur langsam?
Wentner: In Österreich herrscht wenig Bewusstsein dafür, dass Diversität auch für die Beziehungspflege wichtig ist. Für viele Unternehmen stellen Frauen rund 50 Prozent der
Kunden dar. Aber es wird völlig ignoriert, dass man diese Zielgruppe auch im Betrieb spiegeln sollte. Weiters fehlt das Verständnis, dass angesichts einer wachsenden Talenteknappheit
nicht einfach auf rund 50 Prozent der Könner, nämlich die Frauen, verzichtet werden kann.

Was läuft schief in den Betrieben? Liegt es an mentalen Defiziten oder Strukturproblemen?
Wentner: Frauen sind heute gleich oder besser ausgebildet als Männer. Da sie in Schulen und Universitäten eigentlich keine Diskriminierung mehr erleben, sind sie auch noch
optimistisch beim Einstieg in die Arbeitswelt. Das ändert sich sehr schnell. Die meisten Unternehmen werden von Männern dominiert. Auch orientieren sich Firmen stark an
den Lebensumständen von Männern, was lange Meetings oder die Anwesenheitskultur beweisen. Außerdem finden sich kaum weibliche Role Models. Falls doch, sind das meist
Frauen, die für die Karriere auf Kinder verzichtet und sich an die männerdominierte Kultur angepasst haben.

Wird sich die Situation spürbar ändern? Oder bleibt es bei Absichtserklärungen?
Wentner: Wenn wir die Vergangenheit fortschreiben, wird alles so bleiben. In den letzten 20 Jahren hat sich am geringen Frauenanteil in Top-Positionen nichts verändert. Vielleicht
entsteht durch den Talentemangel Druck beim mittleren Management oder auf Ebene der Fachexperten. Ohne gezielte Bemühungen ändert sich hier gar nichts.

Gibt es trotzdem positive Signale?
Wentner: Ja, die öffentliche Verwaltung. Hier sind heute viel mehr Frauen in Führungspositionen zu  nden und verdienen das gleiche Gehalt wie ihre Kollegen. Weiters sind die
Aufsichtsräte von Bundesbeteiligungen zu einem Frauenanteil verpflichtet. Wo der Wille zur Veränderung besteht, bewegt sich etwas. In der Privatwirtschaft hat ein solcher Sinneswandel hingegen noch nicht stattgefunden.

Gundi Wentner,
Deloitte Österreich:

„WENN WIR DIE VERGANGENHEIT FORTSCHREIBEN, WIRD ALLES SO BLEIBEN.“

 

 OFFENE KULTUR

Die Boston Consulting Group ortet drei Katalysatoren für die Verweiblichung von Unternehmen:

Werte-Check
Unternehmen sollen sich ihre Werte bewusst machen, um Hindernisse für den Aufstieg weiblicher Talente verstehen zu können. Es geht aber auch darum, den Beitrag des Personals
zum Erfolg transparent und greifbar zu machen – dazu zählt auch der Kraftstoff , den Frauen beisteuern.

Karriere-Entwicklung
Jeder Kulturwandel erfordert bestimmte Voraussetzungen. So wie die gezielte Einstellung von neuen MitarbeiterInnen. Besonders bedeutsam sind außerdem effiziente Maßnahmen
für individuelle Karriereentwicklung.

Vorbild-Wirkung
Entscheidend ist eine offene Kultur, die das gesamte Personal einschließt. Dieser Faktor muss durch ein ebenso konsequentes wie glaubwürdiges Vorleben im Management
gefestigt werden. Fortschritte sollten dann gemessen und nachvollziehbar gemacht werden.