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Economy

Auf der Jagd nach dem verlorenen Glück

Ausgabe #6/2017 • Glück

Glücklich sein ist keine Privatsache mehr. Staaten und auch Unternehmen haben immer öfter ein Interesse an zufriedenen Menschen. Doch was macht überhaupt glücklich, und wie lässt sich die Lebenszufriedenheit aktiv gestalten?

Der winzige Staat im Herzen des Himalayas hat nicht mal die Hälfte der EinwohnerInnen der Stadt Wien. Denkt man an das Königreich Bhutan, so denkt man an Glück. Doch weniger, weil das Land so reich ist, denn es zählt eigentlich zu den ärmsten Ländern der Welt, sondern weil dort schon in den 1970er-Jahren der autoritäre König Jigme Singye Wangchuck Bruttonationalglück zum Staatsziel erhoben hat. Er hatte damit zwar den Begriff definiert, aber erst 1997 wurde ein politisch-wirtschaftliches Konzept hinterlegt. Im Grunde verfolgt Bhutan konsequent das Ziel, die Bevölkerung glücklicher zu machen und nicht um jeden Preis zu wachsen. Und die Einführung des Bruttonationalglück-Indexes hat Spuren hinterlassen. „Bhutan war für die UNO, aber auch für viele andere Staaten der Welt der Anstoß dafür, neue Glücks- beziehungsweise Zufriedenheitskonzepte zu entwickeln. Das Wachstumsdogma der modernen Industrienationen wurde auf den Prüfstand gestellt und man setzte sich auch auf ökonomischer Seite deutlich ernsthafter mit dem Thema Glück auseinander“, erklärt der renommierte deutsche Glücksforscher Karlheinz Ruckriegel.

Dem Glück auf der Spur

Doch die Grundfrage ist: Was ist Glück? Glückforscher Ruckriegel: „Die Glücksforschung beschäftigt sich mit dem Wohlbefinden, also mit dem ‚Glücklichsein‘, nicht aber mit dem Zufallsglück.“ Dabei unterscheidet sie zwei Arten von Wohlbefinden. Auf der einen Seite geht es um das „emotionale“ Wohlbefinden, das ist jenes, das die Menschen erleben, während sie ihr Leben leben. Auf der anderen Seite steht das „kognitive“ Wohlbefinden oder das subjektive Urteil der Menschen darüber, wie sie ihr Leben bewerten. Wobei es hier ganz entscheidend auf die Ziele ankommt, die Menschen sich selbst setzen. Glücksforscher Ruckriegel: „Eine glückliche Person erfreut sich häufig (leicht) positiver Gefühle und erfährt seltener negative Gefühle im Hier und Jetzt und sieht einen Sinn in ihrem Leben, verfolgt also sinnvolle (Lebens-)Ziele.“

Die Wirtschaft entdeckt das Glück

Auch wenn man die Glücksforschung gerne in die Esoterik-Ecke schiebt, so entdecken mittlerweile auch die Wirtschaft und die Politik das Thema Glück. Selbst Ben Bernanke, Chef der US-Zentralbank bis 2014, meinte: „Das letztendliche Ziel der Ökonomie ist zu verstehen, was Wohlbefinden ausmacht und wie es erhöht beziehungsweise verbessert werden kann.“ Kein Wunder, denn glückliche Menschen haben nachweislich mehr Energie, sind kreativer und arbeiten deutlich produktiver. Darüber hinaus werden glückliche Menschen weniger krank und leben länger. 

„Alles Dinge, über die sich ArbeitgeberInnen nur freuen können. Auch an der Börse ist der Treibstoff für steigende Kurse Optimismus und Zuversicht und nicht der Ölpreis“, argumentiert Ruckriegel.

Noch mehr macht nicht glücklicher

Aber was macht nun glücklich? Wichtig ist die Gemeinschaft, denn gute soziale Beziehungen sorgen für persönliches Wohlbefinden. Auch die Gesundheit spielt eine große Rolle, und die genetische Disposition. Dabei handelt es sich um die Mentalität des Einzelnen – grob gesagt die Wahrnehmung, ob ein Glas halbvoll oder halbleer ist. Und natürlich Geld. Ruckriegel: „Das Geld hat aber viel geringere Auswirkungen auf die individuelle Lebenszufriedenheit, gemessen an der Bedeutung, die ihm die Gesellschaft gibt. Das Problem am Geld ist, dass ein starker Gewöhnungseffekt dafür sorgt, dass man sich zuerst über zusätzliches Geld freut, aber dieser Effekt schon nach wenigen Monaten abklingt.“ Es braucht darüber hinaus deutlich mehr, um zufriedener im Leben zu sein.

Sind die ÖsterreicherInnen Glücklich?

Laut Eurostat sind die glücklichsten EuropäerInnen die DänInnen, die HolländerInnen und die SchwedInnen. In diesen Ländern hat man sehr viel richtig gemacht. Man hat ein gutes Gesundheits- und Bildungssystem eingeführt, das Lohnniveau ist hoch und die Arbeitslosigkeit auf einem niedrigen Level. Und die DänInnen haben „Hygge“. Das ist nicht nur ein Wort, sondern es ist eine Lebenseinstellung. Eine, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Für „Hygge“ braucht es nicht viel. Im Grunde nur sich selbst und die Lust dazu, sich selbst und anderen das Leben so angenehm und schön wie möglich zu machen. Klingt auch nach Esoterik, doch die DänInnen leben das Konzept und leben gut damit. Die ÖsterreicherInnen rangieren nur auf dem zwölften Platz und liegen damit im europäischen Länderranking der Lebenszufriedenheit im Mittelfeld. Dabei gibt es hierzulande ein großes West-Ost-Gefälle beim Thema Lebenszufriedenheit. Laut österreichischem Glücksradar, das 2016 von meinungsraum.at gestartet wurde, erreichen die TirolerInnen und VorarlbergerInnen einen Wert von 6,89 (10 bedeutet sehr glücklich), die WienerInnen nur einen Wert von 6,66. Erstaunlich ist auch, dass ÖsterreicherInnen mit einem höheren Bildungsniveau (Matura und höher) durchgängig mit ihrer Lebenssituation zufriedener sind als ÖsterreicherInnen ohne Matura.

Glück lässt sich schaffen

Glück kann man lernen, und weil glückliche MitarbeiterInnen lebenszufriedener und auch leistungsfähiger sind, hat man sich in den letzten Jahren deutlich intensiver mit den Glücksfaktoren auseinandergesetzt. Zum Beispiel veranstaltet und finanziert mittlerweile die AOK Bayern, eine der größten Krankenkassen in Deutschland, Glücksseminare. Gebucht wurden diese bereits von der Stadt München, einem Arbeitgeber mit rund 35.000 Beschäftigten. Glücksforscher Ruckriegel: „Es ist echt ein Novum, dass Krankenkassen Geld für Glückskurse ausgeben und Unternehmen ihre MitarbeiterInnen ‚happy‘ machen wollen.“ Doch Glück und Zufriedenheit sind höchst persönliche Dinge, und Staaten und Unternehmen können bestenfalls Rahmenbedingungen für individuelles Glück schaffen. Ruckriegel: „Entscheidend sind gute Chefs. Das Verhalten der Vorgesetzten ist einer der wichtigsten Faktoren für glückliche und produktive MitarbeiterInnen. Darüber hinaus hassen Menschen die totale Fremdbestimmung, egal ob durch die Vorgesetzten oder gar eine Maschine. MitarbeiterInnen brauchen Freiräume. Dadurch werden sie glücklicher und produktiver.“ Und wer persönlich glücklicher werden will, sollte sich realistische Ziele setzen, die das persönliche Wachstum fördern, die zwischenmenschlichen Beziehungen stärken und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Ruckriegel: „Ziele wie Geld, Schönheit und Popularität sollte man vermeiden. Denn es wird immer reichere, schönere und populärere Menschen geben, und der Vergleich mit anderen macht unglücklich.“