Sparkassen Zeitung

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Insight Brüssel

Ausgabe #6/2017 • Glück

Ralf Jacob, zentraler Ansprechpartner in der Europäischen Kommission für Retail-Finanzdienstleistungen und Zahlungsverkehr in Europa*, besuchte auf Einladung des Österreichischen Sparkassenverbandes am 23. und 24. November den Erste Campus. Er referierte auf der Fachtagung für Sparkassen- und Aufsichtsräte und führte Gespräche mit ExpertInnen der Sparkassengruppe. Wir haben diese Möglichkeit für ein Interview in unserem Magazin genutzt.

Sparkassenzeitung: Nur rund sieben Prozent der Finanzdienstleistungen werden heutzutage grenzüberschreitend in Anspruch genommen. Heißt das, dass die Bankkunden mit ihren nationalen Angeboten zufrieden sind? Sollte der Anteil aus Ihrer Sicht höher oder niedriger sein?

Ralf Jacob: Das war in der Tat das Ergebnis einer Eurobarometer-Umfrage, die im April 2016 durchgeführt wurde. Die am meisten genutzte Finanzdienstleistung ist das Girokonto. Drei Viertel der Europäer haben ein solches Konto, aber nur drei Prozent der Befragten gaben an, dass sie ein Konto in einem anderen Mitgliedstaat haben. Angesichts der steigenden Zahl von Menschen in Europa, die aus beruflichen oder privaten Gründen Verbindungen zu anderen EU-Ländern haben, finde ich diese Zahlen eher niedrig. Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der Kunden mit ihren nationalen Angeboten würde ich jedoch nicht ziehen. 
Viele wissen ja nicht, was in anderen Ländern angeboten wird. Aber das kann sich durch Online-Marketing schnell ändern.

Derzeit wird ein Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von der Europäischen Kommission umgesetzt. Was sind die Hauptziele?

Jacob: In dem Aktionsplan vom März dieses Jahres geht es uns darum, den europäischen Verbrauchern Zugang zu den besten Finanzdienstleistungen zu geben, die der Binnenmarkt zu bieten hat. Und wenn dies zu mehr Wettbewerb und Innovationen führt, können alle Verbraucher davon profitieren, auch die, die nie Finanzdienstleistungen aus dem Ausland in Anspruch nehmen würden. Der Aktionsplan soll Hindernisse beseitigen, die Menschen davon abhalten, bessere Finanzdienstleistungen zu kaufen, und die es Anbietern schwermachen, ihre Produkte grenzüberschreitend anzubieten. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Digitalisierung zu: Sie ermöglicht es, mehr potenzielle Kunden mit neuen Angeboten zu erreichen, und Kundenbeziehungen auch über große Entfernungen aufzubauen und zu erhalten.

Wie beurteilen Sie das Aufkommen der FinTechs in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Jacob: Innovationen lassen sich nicht vorhersagen. Daher kann man allenfalls versuchen, die möglichen Auswirkungen auf den Markt von bereits existierenden FinTechs besser zu verstehen. Diese sind besonders im Bereich des Zahlungsverkehrs besonders aktiv, und sie werden durch die im Januar in Kraft tretende zweite Zahlungsdiensterichtlinie neue Möglichkeiten bekommen. Banken werden FinTechs (und anderen Mitbewerbern) den Zugang zu Kontendaten gewähren müssen, wenn Bankkunden die von den FinTechs erfundenen neuen Dienstleistungen nutzen wollen. Ich denke, Kunden werden anspruchsvoller werden, aber diesen gehobenen Ansprüchen können Banken ja durchaus auch selber gerecht werden.

Wie können einerseits ein prosperierendes Umfeld, das Innovationen ermöglicht, und andererseits gleiche Wettbewerbsbedingungen für tradierte und neue Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich geschaffen werden?

Jacob: Mit dieser Frage wird sich die Kommission Anfang nächsten Jahres in einem FinTech-Aktionsplan auseinandersetzen. Aber erwarten Sie keine einfachen Antworten. Im Prinzip gelten dieselben Regeln für alle Anbieter, die eine bestimmte Art von Dienstleistung bereitstellen. Aber FinTechs machen nun einmal nicht unbedingt das Gleiche wie tradierte Unternehmen, oder sie bieten ähnliche Dienstleistungen, aber auf ganz andere Weise. Dieser Konflikt zwischen Innovationsförderung und gleichen Wettbewerbsbedingungen erfordert spezifische Lösungen für jede der verschiedenen Arten von Finanzdienstleistungen. Für innovative Zahlungsdienste schlägt die Kommission dieser Tage eine Lösung in einem technischen Regulierungsstandard vor (Anmerkung der Red.: Dieser wurde am 27. November vorgelegt). Er war Gegenstand langer und durchaus kontroverser Diskussionen. Ich denke, wir werden damit faire und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen.

* Die Aussagen in diesem Interview sind keine offizielle Stellungnahme der Europäischen Kommission.