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Economy

Petia Niederländer, Erste Group: „Wir arbeiten seit zwei Jahren mit Ripple zusammen“

Ausgabe #1/2018 • Export

Petia Niederländer hat an der Wirtschaftsuniversität Wien Investmentbanking und Unternehmensführung studiert und einen Teil ihrer Studienzeit in Australien verbracht. Die Bulgarin lebt seit 20 Jahren in Österreich und arbeitet seit 2009 in der Erste Group. Seit April 2013 leitet sie die Retail & Corporate Operations und ist für das Clearing und die internationalen Geschäftsbeziehungen der Erste Group verantwortlich. Wir haben uns mit ihr über die Strategie der Erste Group hinsichtlich der Blockchain-Technologie unterhalten. Sie lieferte uns tiefe Einblicke in den Wettstreit der einzelnen technologischen Ansätze von IBM, SWIFT, R3 und Ripple. Eines scheint allerdings sicher: In der Bankenwelt entsteht durch die Distributed-Ledger-Technologien ein neues Backend-System, aus dem sich eine neue Art des Zahlungsverkehrs entwickeln könnte.

Sparkassenzeitung: Die Erste Group hielt sich bislang mit Aussagen über Bitcoin und Co. sehr bedeckt. Wie beurteilt Ihr Institut das Thema?

Petia Niederländer: Wir sind dort grundsätzlich nicht involviert. Unsere Anstrengungen bezüglich der Block­chain-Technologie zielen darauf ab, herauszufinden, in wel­chen Sektoren wir zukünftig die größte Disruption vermu­ten. Wir beobachten vor allem den grenzüberschreitenden Handel zwischen den Banken und versuchen für unsere Corporate-Kunden effizientere Systeme zu schaffen.

Trotz des gigantischen Hypes um Bitcoin bekommen die Retail-Kunden der Banken wenig von den technologischen Neuerungen mit.

Niederländer: Die Blockchain ist eine Backend-Techno­logie. Sie stiftet großen Nutzen für Teilnehmer eines gemein­samen ökosystems. Für unsere klein- und mittelständi­schen Kunden haben wir mit der Batavia-Plattform einen ersten Piloten gelauncht, der die Finanzierung der Export­und Importgeschäfte auf neuartige Weise abbildet – das Innovations-Internetportal „trending topics“ berichtete. Wenn beispielsweise ein Restaurant im Ausland Kaffee, Getränke oder Nahrungsmittel einkauft, die kurzfristig von uns finanziert werden sollen, dann entstehen oft wochen­lange Wartezeiten. Importeur und Exporteur kennen und vertrauen einander nicht. Durch die Zollämter und Grenz­kontrollen entsteht ein komplizierter Prozess mit vielen Stempeln und noch mehr Papier. Wir verlegen mit Batavia die Abwicklung der mit dem Import verbundenen Services auf eine Blockchain. Alle beteiligten Parteien wissen, wo sich die Ware befindet, welchen Status sie gerade innehat. Die Blockchain garantiert auch die Bezahlung der Waren durch unsere Bank.

Wie viel Zeit sparen sich die Unternehmen so ein?

Niederländer: Die Geschwindigkeit hängt vom Zielland ab. Innerhalb Europas schaffen wir den Abschluss eines Im­port-Vertrags inklusive der Garantie über die Finanzierung mittlerweile in wenigen Stunden. Früher konnte das Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen. Aktuell nutzen wir Batavia für Kunden aus den USA und Europa. Die neue Methodik hat mit dem starken Partnernetzwerk UBS, Caixa Bank, Bank of Montreal und Commerzbank aber durchaus das Ziel global zu agieren.

Batavia basiert auf Hyperledger von IBM. Sehen Sie aktuell einen Wettstreit der einzelnen Distributed-Ledger-Technologien?

Niederländer: Definitiv. Gerade im Finance-Sektor gibt es die unterschiedlichsten Player, die ein ähnliches Ziel ver­folgen – den Interbankenhandel effizienter zu gestalten und Transaktionszeiten radikal zu verkürzen. IBM bringt Hyperledger in den verschiedensten Konsortien ein. Auch SWIFT arbeitet an einem eigenen Proof of Concept, um die Liquidität der Banken in Echtzeit abzubilden. Die Organi­sation ist für den Transaktionsverkehr für mehr als 10.000 Banken verantwortlich, und damit ist die User Group na­türlich gewaltig. Allerdings kann es noch Jahre dauern, bis SWIFT eine eigene Blockchain-Technologie auf den Markt bringt. Ripple hat aktuell einen Vorsprung. Gut möglich, dass das Start-up schneller eine massenkompatible Techno­logie auf den Markt bringt.

Wie wird sich Distributed Ledger auf die Bankenwelt auswirken?

Niederländer: Vor unseren Augen entsteht ein neues In­ternet, das die unterschiedlichen Distributed-Ledger-An­sätze miteinander verknüpft und so eine neue digitale Weltschafft, in der Protokolle der einzelnen verteilten Datensät­ze miteinander kommunizieren. Transaktionen passieren in Echtzeit, die Kosten werden radikal gesenkt.

Welche anderen Piloten hat die Erste Group gestartet?

Niederländer: Wir arbeiten seit 2016 mit Ripple zusammen und haben einen Piloten für den Auslandszahlungsverkehr entwickelt. Wer Geld in einer Fremdwährung ins Ausland überweisen möchte, wird das in Zukunft ohne Wartezeitenerleben. Der Pilot versucht, unsere Tochterbanken mitein­ander zu verknüpfen und so internationale Transaktionen ohne Konvertierungen zu realisieren.