Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Böses Erwachen: Frauen und Altersarmut

Ausgabe #1/2016 • Wirtschaft, Region, Werte ... sind weiblich.

BÖSES ERWACHEN:  FRAUEN UND ALTERSARMUT

Monatelanges Tauziehen endete im Patt. Das magere Ergebnis des koalitionären Updates vom 29. Februar rund um die Pensionsproblematik ist symptomatisch. An der früheren Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters der Frauen schieden sich die Geister. Die Volkspartei zeichne eine „ pensionspolitische Geisterbahn“, meinte die Kanzlerpartei. Die Sozialdemokratie werde die „ Geister des Reformunwillens“ offensichtlich nicht mehr los, monierte der Juniorpartner in der Regierung. Das  ema „drohende Altersarmut für Frauen“ ist damit keineswegs vom Tisch. Im Gegenteil.

Die Daten aus der Pensionsversicherungsanstalt sprechen eine klare Sprache. 2014 betrug die durchschnittliche Frauenpension in Österreich 856 Euro. Sie lag also knapp über
jenem Betrag, den man quer durch die Bundesländer als Mindestsicherung ausbezahlt bekommt. Die Durchschnittspension der Männer lag hingegen bei immerhin 1.390 Euro.
Diese Pensionslücke der Frauen zieht sich in fast allen Arten der ASVG-Versicherungen – mit Ausnahme der Hinterbliebenenpension – linear durch. Auch bei der klassischen
Alterspension, die bei Frauen mit durchschnittlich 916 Euro keineswegs üppig ausfällt, macht die Differenz zu den Männern rund 560 Euro aus. Unter dem Gesichtspunkt
der demographischen Entwicklung wäre die Anhebung des Frauenpensionsalters längst fällig. Damen, die jetzt im 60. Lebensjahr stehen, haben noch eine statistische Lebenserwartung
von 25 Jahren. Bei den gleichaltrigen Männern es noch 21 Jahre.

Die Dramatik zeigt auch der internationale Vergleich: In der OECD haben nur Ungarn, Belgien, Slowenien sowie die Türkei ein geringeres Pensionsantrittsalter für Frauen, das hierzulande seit Jahrzehnten bei 60 Jahren liegt. Am höchsten ist es in Irland mit 67 Jahren. In den meisten EU-Ländern liegt das gesetzliche Antrittsalter bei 65 Jahren. In diese Dimension soll das heimische Pensionsrecht erst im Jahr 2038 vorstoßen. Vor allem verwitwete Frauen tragen ein erhöhtes Armutsrisiko. Derzeit sind rund 45 Prozent aller Frauen über 65 verwitwet, eine Studie der Allianz Versicherung zur Altersarmut rechnet damit, dass bis 2030 die Hälfte aller österreichischen Singlefrauen über 65 Jahre alt sein
wird.

„Jeder zweite Österreicher, jede zweite Österreicherin fürchtet sich vor Altersarmut. Auch wenn die Alterseinkünfte bei Frauen steigen: Das Risiko Altersarmut ist für Frauen in Österreich rund dreimal größer als für Männer“, unterstreicht Johann Oswald, Vorstandsmitglied der Allianz in Österreich.

Die Schere geht auf: Frauen haben – o bedingt durch den Lebens- und Berufsverlauf – eine deutlich geringere Zahl von Beitragsmonaten in der Pensionsversicherung zu verzeichnen. Der Einkommensunterschied zu den Männern ist nach wie vor beachtlich. Dazu kommt die steigende Zahl der weiblichen Teilzeitmitarbeiter in vielen Branchen, die ebenfalls auf das Bruttoeinkommen der Damen drückt

Die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters wäre zwar für manche Frauen eine Revision ihrer Lebensplanung, zugleich aber eine spürbare Verbesserung der  Pensionsansprüche aus dem ASVG. Natürlich muss auch der Arbeitsmarkt „mitspielen“. Ein Blick auf das jeweilige Pensionskonto fördert das Problembewusstsein. Der Aufbau der zweiten und dritten Säule in der individuellen Pensionsvorsorge ist drastisch erschwert. Zum einen macht ein Jahrzehnt der Niedrigzinspolitik die diversen Ansparinstrumente
weniger attraktiv und effizient, andererseits können Frauen für die Eigenvorsorge deutlich weniger Anteile aus dem laufenden Erwerbseinkommen zur Seite legen.

Die Zeitbombe tickt jedenfalls. Im wirtschaftspolitischen Braintrust Agenda Austria verweist man auf aktuelle OECD-Statistiken: Mehr als 13 Prozent der Frauen in Österreich seien akut armutsgefährdet.

Also doch Pensionsautomatik und somit das schrittweise Anheben des gesetzlichen Antrittsalters in Analogie zur erhöhten Lebenserwartung? Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt
Research Institute, ehemaliger „Wirtschaftsweiser“ in Deutschland, aber auch profunder Kenner des heimischen Pensionssystems, meinte dazu im vergangenen Herbst in Wien: „Die entscheidende Stellschraube ist nicht die Erhöhung des niedrigen effektiven Pensionsantrittsalters, sondern die Anhebung der gesetzlichen Altersgrenze. Diese Grenze sollte an die Lebenserwartung angepasst werden.“

Vorerst ist das alles aufgeschoben. Aber vielleicht gibt es nach der Bundespräsidentenwahl im Herbst einen neuen Anlauf. Denn auch die Belastbarkeit des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung ist enden wollend.

 

Anmerkung: Frauen ab 65 Jahren, die mit weniger als 50 Prozent des Medianeinkommens auskommen müssen