Sparkassen Zeitung

Economy

"Was zählt, ist Wertschätzung"

Ausgabe #2/2018 • Tradition, Innovation

Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich, und Stefan Dörfler, CEO der Erste Bank Österreich, diskutieren im Rahmen der Landwirtschaftsgespräche Niederösterreich über die Zukunft der Landwirtschaft, Bürokratieabbau und die Digitalisierung des ländlichen Raums. 

Wie wichtig sind die Bauern heute für die Entwicklung des ländlichen Raums?

Johanna Mikl-Leitner: Landwirt zu sein ist auch heute noch einer der herausforderndsten Berufe überhaupt. Unsere Bäuerinnen und Bauern sind trotz der technischen Fortschritte noch immer den Witterungen und Ernteausfällen bei Unwettern ausgesetzt. Gleichzeitig leisten die Landwirte einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung des ländlichen Raums. Sie investieren jährlich rund 600 Millionen Euro in die Regionen und sind damit die größten Investoren im ländlichen Raum. In Summe schaffen und erhalten sie damit mehr als 130.000 Arbeitsplätze in Niederösterreich, die direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängen.

Stefan Dörfler: Unsere Bäuerinnen und Bauern sind ein wichtiger Teil unserer österreichischen Identität. Durch ihre Arbeit schaffen sie eine Grundversorgung unseres Landes, und sie sind es auch, die mit ihrer täglichen Arbeit die Einzigartigkeit unserer Landschaft, eines der wichtigsten Exportgüter unserer Tourismuswirtschaft, gestalten. Vieles, was unsere Landwirte für unser Land leisten, nehmen wir zu gerne als gegeben hin und vergessen dabei, dass es die heimischen Bäuerinnen und Bauern sind, die hier schon seit Jahrhunderten unser Land geformt und gestaltet haben.

Wie kann man die kleinteilige österreichische Landwirtschaft unterstützen, dass sie auch im internationalen Wettbewerb bestehen kann?

Dörfler: Im Grunde ist es einfach: Es geht um ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen den Bäuerinnen und Bauern und den Konsumentinnen und Konsumenten, der Politik und natürlich auch zu uns als Bank. Wir bieten heimischen Landwirten nicht nur modernste Finanzierungen und Geldlösungen, wir helfen unseren Bauern auch ihr Geschäft zu entwickeln oder begleiten sie durch die äußerst komplexe Förderlandschaft. Aber wie schon Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner gesagt hat, das oberste Prinzip ist Wertschätzung, dann ergibt sich der Rest von selbst.

Welchen Beitrag können KonsumentInnen leisten, um die heimischen Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen?

Mikl-Leitner: Bauern liefern das, was Österreich täglich braucht. Jeder Griff ins Regal ist damit eine politische Entscheidung darüber, ob ich ein Produkt aus dem Ausland oder ein regionales Produkt kaufe. Mit vielen Initiativen versuchen wir bei den Konsumenten ein Bewusstsein für unsere regionalen Produkte zu schaffen. Das reicht von „So schmeckt Niederösterreich“ bis hin zu den „Tut gut“-Wirten. Auch von Seiten des Landes gehen wir mit gutem Beispiel voran und haben bereits viele Großküchen in Kliniken und Pflegeheimen auf die Verwendung von regionalen Produkten umgestellt. Das ist ein wichtiges Signal für die Bauern, aber auch für die Konsumenten.

Wird die Digitalisierung auch in die heimischen Kuhställe Einzug halten?

Mikl-Leitner: Der landwirtschaftliche Bereich ist ein großer Vorreiter bei der Digitalisierung und bei der digitalen Kompetenz. Man beachte nur, wie viel Technik in der modernen Wein- und Viehwirtschaft eingesetzt wird, um ein Optimum an Qualität zu erzielen und international konkurrenzfähig zu bleiben. Deswegen ist gerade die digitale Welt für uns im ländlichen Raum ein Vorteil. Hier eröffnen sich für die Landwirtschaft völlig neue Chancen. Dörfler: Unsere Landwirtschaft ist einer der großen Innovationstreiber des Landes. Moderne Produktionsverfahren, die Digitalisierung und auch viele Innovationen machen es überhaupt möglich, dass immer weniger Bäuerinnen und Bauern immer mehr und qualitativ hochwertigere Produkte erzeugen.

Ein großer Hemmschuh der heimischen Landwirtschaft ist die Überregulierung. Planen Sie einen Bürokratieabbau?

Mikl-Leitner: Die heimischen Bauern sind das Rückgrat der ländlichen Regionen. Deswegen ist es notwendig, die heimische Landwirtschaft dort zu stärken, wo es notwendig ist. Mit der Landwirtschaftskammer und dem Bauernbund haben wir etwa starke Organisationen, die unseren Bauern bestmöglich bei allen Anliegen unterstützend zur Seite stehen. Für die Zukunft stehen gerade im Bereich der Agrarpolitik nach dem Jahr 2020 wesentliche Neuerungen im Raum. Die gemeinsame Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik und der Einsatz moderner Informationstechnik werden bürokratische Lasten in der Landwirtschaft abbauen. Dörfler: Auch für uns ist es wichtig, dass die Regulierung nicht ausufert beziehungsweise zurückgefahren wird, um noch eine funktionierende heimische Bankenlandschaft auch im Sinne der österreichischen Betriebe zu ermöglichen. Hier ist natürlich die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die österreichische Wirtschaft fördern und ihr nicht schaden.

Wie kann eine Bank die Landwirtschaft unterstützen?

Dörfler: Die Erste Bank und Sparkassengruppe hat traditionell einen sehr engen Draht zu den heimischen landwirtschaftlichen Betrieben. Wir kennen die Unternehmen, und wir wissen um die hohe Innovationskraft der Betriebe. Wir sehen uns als Partner der Regionen, wir sind in der Region verwurzelt, und auch die Landwirtschaft ist ein wichtiger Teil der Region. Wir stehen den landwirtschaftlichen Betrieben mit unseren Expertenteams bei allen Geldthemen zur Seite.

Hat der ländliche Raum aus Ihrer Sicht eine Zukunft?

Mikl-Leitner: Der ländliche Raum wird nicht nur in Niederösterreich, sondern in ganz Österreich Zukunft haben. Denn bis auf wenige Ballungszentren ist ein Großteil unseres Landes auf ländlichen Raum verteilt. Aus diesem Grund setzen wir auch seitens der Landespolitik Initiativen, um die ländlichen Regionen zu stärken und weiter attraktiv zu machen. Ich denke hier etwa im Bereich der Gesundheitsversorgung mit unserer Landarzt-Garantie, im Bereich des Infrastrukturausbaus auf Straße und Schiene ebenso wie beim Breitband oder bei der Kinderbetreuung mit unserem Familienpaket und 100 neuen Kleinstkindergruppen als Angebot. Durch das Zusammenspiel von Stadt und Land können wir in der Zukunft noch viel schaffen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass der ländliche Raum eine gute Zukunft haben wird.

Dörfler: Es sind gerade die neuen Formen der Kommunikation und die Digitalisierung, die besonders dem ländlichen Raum viele neue Chancen bieten. Heute muss nicht mehr in Büros und in der Stadt gearbeitet werden, auch in einem Homeoffice am Land ist man bestens angebunden, auch der Weg zur Bank ist nur noch notwendig, wenn wirklich wichtige Themen zu besprechen sind. Trotzdem sind wir mit dem modernsten Banking Österreichs 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche für unsere Kunden erreichbar. Aber wir haben uns trotz aller Digitalisierung dem Credo verschrieben, nah am Menschen zu sein. Unsere Kunden spüren, dass in unserem Bankhaus auch Werte und Traditionen gelebt werden, die uns in den vergangenen fast 200 Jahren gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden durch gute und durch schwere Zeiten geführt haben.