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Viel Luft nach oben: Frauen in der Forschung

Ausgabe #1/2016 • Wirtschaft, Region, Werte ... sind weiblich.

Viel Luft nach oben: Frauen in der Forschung

Die Frauenquote in Aufsichtsräten war in den vergangenen Jahren wild umstrittenes Thema aus der Frauenpolitik. Vergleichsweise ruhiger gestaltete sich die Diskussion rund um die Karriereleiter von Frauen an den Universitäten und in der Forschung. Weibliche Studierende stellen zwar seit geraumer Zeit die Mehrheit in den Hörsälen, doch weiter oben in der Hochschul- und Forschungshierarchie ist die Luft wesentlich dünner.

Es war eine handfeste Überraschung. Erstmals in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Wirtschaftsuniversität Wien (vormals Hochschule für Welthandel) wurde im Vorjahr eine Frau zur Rektorin gewählt. Der Universitätsrat hatte einstimmig für Edeltraud Hanappi-Egger votiert. Sie ist seit mehr als zwölf Jahren an der Kaderschmiede für künftige Betriebs- und Volkswirte tätig und leitet das Institut für „Gender & Diversity in Organizations“ am durchaus männerdominierten WUCampus mit der symbolischen Adresse „Welthandelsplatz 1“.

Damit werden insgesamt 21 heimische Universitäten von Frauen geführt. Rektorinnen gibt es auch an der TU Wien, bei den VeterinärmedizinerInnen, an der Uni für Bildende Kunst, der Medizin-Uni in Innsbruck sowie an zwei Grazer Universitäten. Also frauenpolitisch auf universitärem Boden alles in Butter? Keineswegs, meint Ilse König, Leiterin der Abteilung Gesellschaftswissenschaft en im Bildungsministerium, in einem Kommentar für den ORF: „Die Hälfte der Studierenden in der EU sind Frauen. Doch mit jeder Stufe der wissenschaftlichen Karriereleiter verringert sich die Zahl der Frauen dramatisch.“ In den traditionell von Männern dominierten Wissenschaftsstrukturen „versickerten“ gleichsam Anteile der Damen an den entscheidenden Positionen im Universitätsbetrieb oder in den Forschungseinrichtungen. Dabei gehe ein beträchtliches wissenschaftliches Potenzial verloren.

UNIVERSITÄRE FORSCHUNG ZU 70 PROZENT VON MÄNNERN DOMINIERT

Der Frauenanteil bei den ordentlichen Professuren in den EU-Ländern ist mit 18 Prozent in Finnland am höchsten. Hierzulande ist der Prozentsatz immer noch einstellig, Österreich liegt damit im unteren Drittel der Tabelle. Nach aktuellen Untersuchungen wird die universitäre Forschung zu rund 70 Prozent von Männern dominiert, in den Ingenieur- und Technikwissenschaften sind es teilweise sogar 90 Prozent. Deutlich höhere Frauenanteile finden sich hingegen bei den nicht-universitären Forschungseinrichtungen, beispielsweise in der Privatindustrie.

Auffallend wenige Frauen sind auch in bedeutenden Bereichen der Wissenschafts- und Forschungspolitik vertreten. Sie haben daher bei der Gestaltung der wissenschaftlichen Agenda wenig Mitspracherecht. Ist der Forschungsbereich per se frauenfeindlich?

Kenner der Zusammenhänge geben zu bedenken: Viele Frauen entscheiden sich nach erfolgreicher Beendigung des Studiums für die Gründung einer Familie. Damit sinkt jedoch beispielsweise der Anteil weiblicher Dissertanten, weil sich viele Frauen – obwohl an weitergehender wissenschaftlicher Arbeit interessiert – die Doppelbelastung von Familie (in vielen Fällen auch schon Beruf) und aufwändigem Doktoratsstudium nicht zutrauen oder antun wollen. Diese Überlegungen und zeitlichen Hürden wirken sich naturgemäß erschwerend auf die Bereitschaft zur Habilitation aus.

Während also in den akademischen Senaten, Institutsvorständen, bei Professoren und beim sogenannten Mittelbau für die Frauen beträchtliche „Luft nach oben“ besteht, sind die Zahlen weiblicher Mitarbeiter in Forschung und in experimenteller Entwicklung recht differenziert, jedenfalls aber aufschlussreich. Nach Angaben der Statistik Austria – erstellt zur Jahresmitte 2013 – sind im Bereich F&E (Forschung und Entwicklung) in Österreich insgesamt rund 130.000 MitarbeiterInnen tätig. In Vollzeitäquivalenten sind dies rund 62.000  Personen. Davon sind mehr als 25 Prozent weiblich. Bei den Beschäftigten insgesamt beträgt die Frauenquote etwas mehr als 30 Prozent. Beim wissenschaftlichen Personal auf  Hochschulboden stehen auf der Basis der Vollzeitbeschäftigung den mehr als 8.000 Männern immerhin rund 4.200 Frauen gegenüber.

Edeltraud Hanappi-Egger

Im Unternehmenssektor, der immerhin knapp 70 Prozent der Jobs im forschungsrelevanten Bereich ausmacht, ist die Frauenquote insgesamt deutlich geringer. Das liegt vor allem daran, dass im technisch-wissenschaftlichen Forschungsbetrieb von Industrie und Gewerbe die geringe Quote weiblicher Studierender in den Naturwissenschaften auch auf die F&E-Abteilungen durchschlägt. Was die Damen, die um mehr Einfluss an der Uni kämpfen, nur wenig trösten wird: Beim höher qualifizierten, nichtwissenschaftlichen Personal haben die Frauen an den Universitäten eine solide Zwei-Drittel-Mehrheit. Fazit: Der Hochschulsektor würde ohne Frauen zusammenbrechen. Mittlerweile auf allen Qualifikationsebenen …