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Economy

Qualität heißt Erwartungshaltungen erfüllen

Ausgabe #3/2018 • Tourismus

Die Reiselust der ÖsterreicherInnen ist in den letzten Jahren hoch wie nie. Das beliebteste Reiseziel für den Haupturlaub im Sommer heißt Italien und liegt ganz knapp vor Österreich. Der Traumurlaub kombiniert Sonne, Baden und Aktivitäten wie Wandern oder Sightseeing. Professor Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, widmet sich den Trends und Strömungen im Tourismus und gibt Auskunft über die Zukunft der Reisebranche.

Herr Professor Zellmann, fahren wir Österreicherinnen und Österreicher gerne auf Urlaub

Peter Zellmann: Die Reisefreudigkeit der Österreicher und Österreicherinnen hat in den letzten beiden Jahren überdurchschnittlich zugenommen. Im Jahr 2017 und heuer verreisen mehr als 60 Prozent. Im Vergleich dazu ist um die Jahrtausendwende nur jeder Zweite in den Urlaub gefahren. Das ist für die Tourismuswirtschaft eine erfreuliche Entwicklung.

Geht der Trend zum Kurzurlaub?

Zellmann: Wir machen nicht mehr nur den einen langen Urlaub, sondern reihen mehrere Urlaube aneinander. Der Haupturlaub dauert zwischen einer Woche und 14 Tage. Der Großteil der im Urlaub Verreisenden bleibt im Inland oder fährt an die nördliche Adria. Ein deutlicher Trend ist darin zu erkennen, dass die Österreicher und Österreicherinnen gerne mit dem Auto verreisen. Da das Fliegen immer unangenehmer und komplizierter wurde, fährt man lieber mit Familie oder Freunden nach Italien, nach Kroatien oder bleibt im Inland.

Sind die Österreicherinnen und Österreicher begeisterte Aktivurlauber?

Zellmann: Den klassischen Seenurlauber gibt es nicht mehr, Aktivitäten wie Radfahren oder Wandern müssen immer dabei sein. Am beliebtesten ist die Kombination aus einem Tag am See und dann eine etwas längere Wanderung. Das ist beim Urlaub am Meer nicht so ausgeprägt, weil man vor allem die Besonderheit Meer, Strand und Sand genießt, aber ganz ohne Erlebnisse wie Sightseeing oder Bootsausflug geht es auch da nicht.

Kann man Urlauberinnen und Urlauber in Altersgruppen oder Zielgruppen einteilen

Zellmann: Es ist einer der verlässlichsten Trends, dass es Zielgruppen nicht mehr gibt, weil wir unsere Urlauberidentität von Urlaub zu Urlaub ändern. Das gilt für alle Altersstufen und alle sozialen Schichten, für Männer wie für Frauen gleichermaßen.

Wie sieht es mit Fernreisen aus?

Zellmann: Der Anteil an Reisen außerhalb Europas und der Kreuzfahrten ist ein eher kleines Urlaubssegment mit etwa zehn bis zwölf Prozent der verreisenden Österreicher. Dieses Segment bleibt immer gleich, denn diese Reisen macht jeder von uns ein, zwei Mal, etwa eine Amerikareise oder eine Reise nach Thailand. Dann hat man das erlebt und macht wieder den klassischen Urlaub.

Wie wird die Hotelauswahl getroffen?

Zellmann: Für die Auswahl des Hotels ist das Preis-Leistungs- Verhältnis ausschlaggebend. Einmal will man in einem Wellnessurlaub mehr Geld ausgeben und sucht ein Vier- oder Fünfstern-Hotel, dann macht man einen Wanderurlaub und es genügt ein Privatquartier. Ich weiß, was ich im Urlaub vorhabe, und dem ordne ich ein ganz persönliches Preis-Leistungs-Verhältnis zu. Qualität ist nicht Luxus, sondern Qualität heißt Erwartungshaltungen erfüllen.

Sind Österreicher und Österreicherinnen bereit etwas Neues auszuprobieren?

Zellmann: Durch die Zusatzurlaube probiert man für eine schwache Woche gerne etwas Neues wie Städtereisen, Bildungsreisen, Sportreisen und so weiter aus und gibt dem Urlaub einen anderen Inhalt. Wir verreisen anders. Weniger lang, aber dafür öfters. Innerhalb dieser Entwicklung probieren wir auch mehr aus.


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"Österreich war der kleine GEwinner der großen Krise. Durch die Möglichkeit Kurzurlaub zu machen und nicht zuletzt durch die relativ unsicheren Zeiten urlaubt man wieder mehr bei uns."

Peter Zellmann, Leiter Institut für Freizeit- und Tourismusforschung

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Hat sich das Urlaubsverhalten durch Terrorgefahr und Krisen verändert?

Zellmann: Urlauber haben ein Kurzzeitgedächtnis. Es gibt Gebiete, die drei, vier Monate vor der Reisesaison in den Schlagzeilen sind, ob durch Krisen, Streiks oder Terroranschläge. Diese Destinationen erleben dann einen Einbruch, aber wenn sich in der nächsten Reisesaison wieder alles beruhigt hat, erholen sich diese Gebiete wieder. Österreich war der kleine Gewinner der großen Krise. Durch die Möglichkeit Kurzurlaub zu machen und nicht zuletzt durch die relativ unsicheren Zeiten urlaubt man wieder mehr bei uns.

Wie sieht die Zukunft des Tourismus in Österreich aus?

Zellmann: Wir sind Gastgeber-Weltmeister. Nach den Mittelmeerinseln Zypern und Malta sind wir das Land mit dem größten pro Kopf-BIP-Anteil am Tourismus. Auch politisch hätte sich das mehr Aufmerksamkeit verdient. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus, sag ich immer, wird von der rahmenbedingungengestaltenden Politik dramatisch unterschätzt. Denn durch den Tourismus sind die Arbeitsplätze ortsfest, und es bleiben die Investitionen ortsfest. Da kann man volkswirtschaftlich wirklich viel herausholen. Wir verzeichnen jährlich rund 140 Millionen Nächtigungen in Österreich und haben eine annähernd gleiche Sommer- und Wintersaison. Das ist etwas Besonderes und macht auch sicher, dass der Tourismus in Österreich Zukunft hat.