Sparkassen Zeitung

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Vom Schulsparen zum mündigen Finanzwissen

Ausgabe #1/2019 • 200-Jahr-Jubiläum

ZWEI JAHRHUNDERTE SPARKASSEN IN ÖSTERREICH HEISST AUCH 200 JAHRE IM DIENSTE DES GEMEINWOHLS. DIES WURDE BEREITS IM GRÜNDUNGSAUFTRAG DER ERSTEN SPARKASSE FEST VERANKERT UND DAZU ZÄHLT EBENSO DIE VERMITTLUNG EINES VERANTWORTUNGSVOLLEN UND SOMIT MÜNDIGEN UMGANGS MIT GELD, DEM ERSPARTEN WIE DEM KREDIT. DAMIT KONNTE MAN NICHT FRÜH GENUG BEGINNEN: DAS SCHULSPAREN WAR DIE „GRUNDSCHULE“ FÜR FINANCIAL LITERACY.

Die ersten Aktivitäten des Schulsparens reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück. Der Durchbruch fand dann im Jahr 1905 statt: Der frisch gegründete „Reichsverband der Sparkassen“ konnte die ersten Schulbehörden davon überzeugen, Schulsparen in die Schul- und Unterrichtsordnung aufzunehmen. Es ging um die „fruchtbringende Anlage kleinerer Ersparnisse“, wie es damals so schön hieß. Jede Schülerin und jeder Schüler bekamen eine Heimsparkasse, die nur von der Sparkasse geöffnet werden konnte. Ein Sparkassenbeamter holte das Ersparte in regelmäßigen Abständen ab und sorgte für die Gutschrift auf einem Sparbuch. Die LehrerInnen wiederum verpflichteten sich, den Spargedanken bei den SchülerInnen angemessen zu fördern. Vom Start weg waren die Sparkasse Hollabrunn und die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien dabei. 

Im Ersten Weltkrieg und in den nachfolgenden Jahren der Hyperinflation ging das Schulsparen unter. Doch schon ab 1928 boten insgesamt zwölf heimische Sparkassen diese pädagogisch so wichtige Form der Erziehung zur Spargesinnung wieder an. Nach dem Anschluss an das „Dritte Reich“ verschwand aus dem Schulsparen das Prinzip der Freiwilligkeit, und das von den Jugendlichen Ersparte wurde fast vollständig zur Kriegsfinanzierung verwendet.

Nach der Währungsreform des Jahres 1948 kam es zum Neustart in drei Richtungen:

  •  Das Klassensparen wurde für ein gemeinsames Ziel eingerichtet – etwa einen Schulausflug oder später eine Maturareise. Über die Verwendung der Zinsen aus dem gemeinsam Ersparten entschied die Klassengemeinschaft.
  • Beim Groschensparen wurden kleinste Beträge auf einem gemeinsamen Sparbuch gutgeschrieben. Das Motto lautete: „Kleinvieh macht auch Mist“.
  • Beim Einzelsparen sparten die SchülerInnen für sich selbst. Eine Lehrkraft oder der/die aus den Reihen der SchülerInnen bestimmte „KlassenkassierIn“ brachte die eingesammelten Beträge zur Sparkassenfiliale (siehe Kasten).

Flankiert wurden diese Aktivitäten von der „Kleine Sparerzeitung“, die rund 35.000 Stück Auflage erreichte. Handelsschulen, Handelsakademien und Berufsschulen führten den Unterrichtsgegenstand „Spargiroverkehr“ ein.

In den fünfziger Jahren wurden Jugendspartage und Jugendsparwochen veranstaltet – meist im Vorfeld des Weltspartages. Das übergeordnete Ziel war klar: Das Sparen nicht als reine Tugend, sondern als unabdingbare gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit zu verankern. Im Sinne der Schaffung von Geldvermögen für die Transformation in unternehmerisches Kapital und auch als Fundament für die materielle Unabhängigkeit privater Haushalte und des aufstrebenden Mittelstandes.

Ab 1969 wurde die „Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule“ (AWS) eingerichtet. In dieser Kooperation von Österreichischem Sparkassenverband und WKÖ werden auch heute noch umfangreiche praxisorientierte Materialien für den Einsatz im Unterricht produziert und speziell von WirtschaftskundeprofessorInnen in Pflichtschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen in den Unterrichtsalltag integriert. Die AWS-Unterlagen sind auch elektronisch abrufbar, allein im Jahr 2018 gab es bei der AWS 55.000 Seitenaufrufe und nicht weniger als 11.000 Downloads.

Auch für die Beauftragten in Sachen Financial Literacy, die es in allen heimischen Sparkassen gibt, sind diese Unterrichtsbehelfe bei ihren Präsentationen in den Schulen wertvoll. Bei den Jugendlichen in der Unter- und Oberstufe liegt der Schwerpunkt auf Haushaltsplanung und Schuldenprävention in Form von Workshops und umfangreichen Materialien. Da bereits in der Volksschule erste Grundlagen gelegt werden, um Wirtschafts- und Geldkreislauf zu verstehen und Sparen zu lernen, geben die Sparkassen seit Jahren zusätzlich spezielle Volksschul-Hefte für unsere FinanzexpertInnen von morgen heraus. Mittlerweile geht der Gemeinwohlauftrag der Sparkassengruppe in die Richtung innovativer und spielerischer Vermittlung eines profunden Finanzwissens auf breiter Basis.

PERSÖNLICHER ERFAHRUNGSBERICHT ALS „KLASSENKASSIER“ IN WIEN-LEOPOLDSTADT

Es war 1957, die erste „amtliche Funktion“ in der ersten Klasse des BRG II: Von den Eltern für die „Gschaftelhuberei“ belächelt, wurde ich zum Klassenkassier gewählt. Es war keine Kampfabstimmung, um Ehrenämter war keine Rauferei. Die Klasse war der „Ersten“ zugeordnet, einige Klassen in der Oberstufe hingegen sparten damals bei der „Zentralsparkasse“. Die Welt war auch in Sachen Klassensparbuch im proporzpolitischen Gleichgewicht ... Einmal im Monat sollte ich bei den MitschülerInnen den Spargroschen einsammeln und zur Sparkasse tragen. Losungswort gab es nicht, aber ein Sparziel: Der Klassenvorstand meinte, bis zur Maturareise käme da sicher ganz schön was zusammen. Mit der ersten Summe von immerhin 60 Schilling – das war damals gar nicht so wenig – bin ich in die Filiale in der Wiener Leopoldstadt gepilgert und habe dort – nach geziemender Wartezeit, versteht sich – nicht ohne Stolz die erste Sparbucheintragung in Empfang genommen. Nur wenige hundert Meter von der Leopoldstädter Pfarre des berühmten Johann Baptist Weber entfernt, was mir damals allerdings nicht bewusst war. Diese Filiale beherbergte einige Jahre hindurch auch die „Zweite Sparkasse“. Historischer Sparkassenboden allemal. Um Wettbewerbsdruck zwischen den MitschülerInnen zu vermeiden, konnte der Sparbetrag anonym – also unbeobachtet – in eine eigens dafür zur Verfügung gestellte Sparbüchse eingeworfen werden. Es waren fast nur Münzen. Die Zinsen lagen bei 3,5 Prozent jährlich. Das brachte in den meisten Jahren meiner Erinnerung nach keine Realverzinsung, was uns aber nicht sonderlich kümmerte. Wichtig war das Sparbuch an sich. Ich selbst habe dann im Jänner 1959 ein privates Sparbuch eröffnet. Mit 40 Schilling Startkapital, eine milde Gabe von Tante und Onkel zu Weihnachten. Übrigens: Aus der Maturareise ist nichts geworden. Am Ende der Unterstufe verabschiedete sich ein Drittel der Klasse in die HTL. Die wollten das Geld sehen. Also wurde nach vier Jahren Kasse gemacht. Liquiditätsvorliebe eben, schon im frühen Alter ...