Sparkassen Zeitung

5 Fragen an

Fünf Fragen an...

Ausgabe #1/2019 • 200-Jahr-Jubiläum

JOHANN BAPTIST WEBER, PFARRER VON ST. LEOPOLD IN DER WIENER VORSTADT LEOPOLDSTADT, ÜBER DIE GRÜNDUNG DER „ERSTE OESTERREICHISCHE SPAR-CASSE“ IN EINEM BESCHEIDENEN RAUM SEINER KIRCHE.

1. DER ZWECK DER SPARKASSE IST ES, ALLEN MENSCHEN WOHLSTAND ZU ERMÖGLICHEN. WARUM WAR DER GEMEINWOHLGEDANKE GERADE IM GRÜNDUNGSJAHR 1819 SO WICHTIG?
Schon als junger Priester in St. Peter und Katechet an der Schule auf dem Bauernmarkt wurde ich mit der Armut vor allem der Kinder konfrontiert. Die Napoleonischen Kriege und ihre katastrophalen Folgen für Österreich, wie die hohen Kriegsschulden und die steigenden Lebensmittelpreise, hatten für die Bevölkerung sehr schwierige Verhältnisse gebracht. Das Armenwesen trat in eine neue, katastrophale Situation.

2. WAS WOLLTEN SIE ALS JUNGER PFARRER TUN, UM SCHNELL UND WIRKSAM ZU HELFEN?
Ich suchte Wege der Hilfe für die ärmeren Bevölkerungsschichten und fand sie in der „Hilfe durch Selbsthilfe“ in Form einer Armen- und Waisenkasse, die schon eine Art Sparkasse war. Dort nahm ich von reicheren Bürgern größere und von ärmeren Bürgern geringere Einlagen an und verwendete dieses Geld für kleinere Darlehen.

3. WAR DAS FÜR EINEN PFARRER NICHT UNGEWÖHNLICH?
Es war in dieser Zeit durchaus üblich, dass Pfarrer für kleinere Geldgeschäfte zuständig waren, weil sie Vertrauenspersonen waren, die Tradition der Armenpflege vermittelten und eine Pfarre Sicherheit für das gesparte Geld bedeutete.

4. AB WANN HABEN SIE SICH MIT DEM GEDANKEN DER SPARKASSEN BESCHÄFTIGT?
Ich habe mich damals intensiv mit Artikeln von Adam Müller von Nitterdorf und Johann Baptist Rupprecht beschäftigt. Adam Müller brachte erstmals die Idee der englischen Sparbanken durch einen aus dem Englischen übersetzten Artikel im „Österreichischen Beobachter“ nach Österreich. In dieser damals rege gelesenen und täglich erscheinenden Zeitung gab es 1818 mehrere Artikel über die Gründung der Württembergischen Sparkasse und der Pariser Sparkasse, die bereits dieselben Zielsetzungen wie später die Wiener Sparkasse hatte.

5. WIE KAM ES DANN ZU IHRER MITWIRKUNG AN DER GRÜNDUNG DER ‚ERSTE OESTERREICHISCHE SPAR-CASSE‘?
Ich wurde am 25. Februar 1816 in mein Amt als Hauptpfarrer in der Pfarre St. Leopold eingeführt. Wenige Monate später gelang es mir, Geldgeber für eine Schule und die Restaurierung der baufälligen Kirche zu finden. So war es keine Überraschung, als 1819 Ignaz von Schönfeld und Bernhard von Eskeles an mich herantraten und mich baten, ihnen bei der Gründung einer Sparkasse zu helfen. Ich habe lange gezweifelt, ob das mit meiner Aufgabe als Pfarrer zeitlich vereinbar wäre. Als ich erkannte, dass ich mich dabei aktiv für die Bekämpfung der Armut einsetzen kann, habe ich zugestimmt.

INFO: Als Basis für dieses fiktive Interview dienten die Biografien von Franz Loidl (1961) und Richard Heinzl (1994).
FÜNF FRAGEN AN ...FIKTIVES INTERVIEW: Herta Scheidinger