Sparkassen Zeitung

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Geldbegegnung in der Wohlfühlzone

Ausgabe #2/2016 • Sparkassen

GELDBEGEGNUNG IN DER WOHLFÜHLZONE

Schalter statt Smartphone: Viele KundInnen  betrachten die Bankfiliale trotz des OnlineBooms in der Finanzwelt nicht als Auslaufmodell. Trotzdem wird auch für diesen Ort der Geldbegegnungen nach Zukunftskonzepten gesucht.

Für manche BeobachterInnen ist sie bereits ein Relikt für Finanz-NostalgikerInnen: Die Filiale ist nicht nur ins Gerede gekommen, die Anlaufstelle für Geldbegegnungen ist sogar etwas angeschlagen. Hart erwischt von einer rasanten Digitalisierung, die das Bankwesen auf den Kopf stellt und keinen analogen Stein mehr auf dem anderen lässt. 

Rupert Rieder Bereichsleiter Retail Austria Erste Bank
Rupert Rieder Bereichsleiter
Retail Austria Erste Bank

Doch vom Wurf des Handtuchs ist die klassische Variante immer noch weit entfernt. Das Kreditinstitut auf dem Display nimmt zwar immer mehr Gestalt an – jedoch ohne Alleinherrschaft aller Apps, Tablets oder Videochats dieser Welt. Der Raum zwischen Eingang und Schalter ist doch kein Abschreibposten, wie es manche Digital-Ideologen gerne trommeln. Das zeigt eine Studie von metamorf business consulting: Laut dieser Unternehmensberatung können sich über 86 Prozent der KundInnen zwischen 21 und 49 Jahren auch weiter den Besuch von Filialen vorstellen oder erachten sie als notwendig.

Ein No-Go ist dieser Ausflug nur für jene 15 Prozent, die sich als reine Online-UserInnen outen. Ein weiteres Resultat der Untersuchung klingt überraschend: Selbst die junge Generation mit ihrer innigen Hingabe an Smartphones, Tablets und Facebook empfindet solche Kontaktzentren nicht als fremde Parallelwelt. Ganz im Gegenteil: Mehr als 60 Prozent erkennen in Filialen einen wichtigen Teil des Angebots einer gut aufgestellten Bank.

SUCHE NACH VERTRAUEN

Diese Einstellung basiert laut ExpertInnen auf einem mentalen Bedürfnis, das eben nicht im Einzugsbereich von iPhone und Co. liegt: „Menschen suchen bei Finanzgeschäften Kontakte und Vertrauenspersonen mit gemeinsamen Zielen. Mit ihnen wollen sie Lösungen erarbeiten. Alle Sinne anzusprechen ist der richtige Ansatz. Online alleine kann die Anforderung nicht abdecken“, meint Marc  Letzing, Geschäftsführer bei metamorf business consulting.

Was offenbar auch viele Digital Natives so sehen, die das Klischee aushebeln von der Filiale als Rettungsanker für wenig technikaffine SeniorInnen, wo sich KundInnen von morgen einfach nicht mehr abholen lassen. „Es geht nur um persönliche Präferenzen. Oft finden ältere KundInnen den Online-Kanal bequemer, und youngster wählen coole physische Hubs als Plattform für den Austausch abseits der digitalen Wege“, erläutert Alexander Lippner, Spezialist der Managementberatung KPMG.
Für solche Effekte muss aber heute mehr geboten werden als schicke Möbel und gestyltes Personal. Es ist die oft zitierte „Customer Experience“, die den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen soll. „Wir setzen auf das Konzept der Wohlfühlfiliale. Die KundInnen kommen als Gäste, wenn sie ihre/n BetreuerIn treffen oder Geldgeschäfte abwickeln.

So wird eine Bank sichtbar und erlebbar, was eine stark vertrauensbildende Wirkung hat. Filialen sind Kompetenzzentren, die damit gleichzeitig das Image des Unternehmens stärken“, unterstreicht Rudolf Köberl, Leiter des Geschäftsfelds Retail bei der Kärntner Sparkasse.

Der Vertrauensbonus, der sich generieren lässt, bildet eine harte Währung für das tägliche Geschäft. Speziell bei sensiblen Angelegenheiten. „Die KundInnen informieren sich mittlerweile auch via Internet über Produkte und gewinnen so einen ersten Überblick. Wenn es aber um komplexe Entscheidungen geht, wie eine neue Bankverbindung oder den Kontowechsel, wenden sich viele an ExpertInnen in ihrer Filiale für die erforderlichen Auskünfte. Dieser Ort bleibt also ein bedeutendes strategisches Element“, betont Rupert Rieder, Bereichsleiter Retail Austria der Erste Bank.


DRUCK VON KONSUMENTINNEN

Denn der gesellschaftliche Wertewandel, der in sämtlichen Branchen spürbar ist, macht vor der Filialtüre nicht Halt. Der Druck kommt von KonsumentInnen, die immer anspruchsvoller werden und rigide mehr Kundenorientierung einfordern, weil hier offenbar an mancher Stelle Defizite existieren, signalisiert jedenfalls die Studie von metamorf. Letzing: „Über 90 Prozent der Befragten verlangen eine klare Darstellung von Themen, Angebotsalternativen, Ratschläge und Sicherheit bei ihren Entscheidungen. Viele solcher Anforderungen werden im Bankwesen nicht erfüllt.“

Die Filiale kann jedoch als Plattform für den Transfer vielschichtiger Informationen dienen, sagen KennerInnen der Materie. Reformstau ist dabei tabu. Deshalb werden global moderne Retail-Konzepte angedacht, von SBKiosken bis hin zu Banken-Flagshipstores, die alle Stücke spielen. Der Face-to-Face-Kontaktpunkt könnte sich damit als Haltegriff für stürmische Zeiten erweisen, sofern die KundInnen zufrieden nach Hause gehen. Denn leichter wird das Businessleben für klassische Kreditinstute kaum. Es ist nicht zuletzt die Konkurrenz von Fintechs, die an Marktanteilen knabbert.

Georg Ogrinz, Leiter Banking & Capital Markets PwC Österreich
Georg Ogrinz
Leiter Banking & Capital Markets
PwC Österreich

Hinter dem Kürzel, das für Financial Service Technology steht, agieren Kinder der Internet-Revolution, die einzelne Finanzdienste online zu günstigen Preisen offerieren. Rund 12.000 solcher NewcomerInnen buhlen laut den AnalystInnen der Unternehmensberatung McKinsey & Company bereits international um experimentierfreudige VerbraucherInnen. Sie sind jung, anders und locken mit hippen Auftritten – doch der direkte Kontakt fehlt. Daher gelten Filialen als Mittel, um Herausforderern aus dem Cyberspace den Wind aus den Segeln zu nehmen durch das persönliche Moment.

Aber auch eine elektronische Verfeinerung der analogen Stätte würde nach Ansicht von Profis neue Impulse liefern. Georg Ogrinz, Experte des Beratungsunternehmens PwC Österreich: „Digitale Möglichkeiten müssen in die Filiale der Zukunft integriert sein. Innovative Technik ermöglicht andere Formen der Interaktion, etwa durch Chats oder Videoberatung. Auf diese Kanäle können die KundInnen über verschiedene Devices wie Tablets oder Terminals in den Filialen zugreifen. Dabei unterstützen sie die MitarbeiterInnen.“

Ogrinz ortet hier auch konkrete Geschäftschancen: „Bei umfassenden Anliegen lassen sich dann je nach Bedarf weitere SpezialistInnen online ins Gespräch integrieren. So können speziell vermögende Zielgruppen, die verstärkt beratungsintensive Produkte wie Wertpapiere oder Wohnkredite nachfragen, langfristig ans Institut gebunden werden.“