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Economy

Institutionelle in den Mühlen der Zinsebene

Ausgabe #2/2016 • Sparkassen

INSTITUTIONELLE IN DEN MÜHLEN DER ZINSEBENE

Früher galten institutionelle Anleger, also zum Beispiel Kreditinstitute, Investmentgesellschaften, Versicherungen oder  Organe der öffentlichen Hand, als intransparente Elite der Kapitalmärkte. Nur FinanzexpertInnen widmeten  ihnen Aufmerksamkeit in der Berichterstattung. Mittlerweile sind Millionen Menschen vom Gebaren der „Institutionellen“ indirekt abhängig.

Die anhaltende Niedrigzinspolitik macht es den Pensionskassen, den FondsmanagerInnen, den Mitarbeitervorsorgekassen und den Lebensversicherungen schwer: Sie erleiden derzeit die Qualen der Zinsebene. In Deutschland rufen einzelne Medien mittlerweile sogar das Ende der Lebensversicherung aus. Denn die aus Vorjahren stammenden Garantiezinszusagen sind kaum noch zu erwirtschaften.
In der österreichischen Lebensversicherung ist die Lage besser. Hierzulande hat man die Garantiezinsen früher und nachhaltiger zurückgenommen. Dennoch: Die KundInnen sind verunsichert. Wer heutzutage mit der Gewinnbeteiligung knappe drei Prozent jährlich erwirtschaftet, gilt schon als erfolgreicher Marktperformer. Die im Vorjahr so beliebten Einmalerläge in der Lebensversicherung werden von den meisten Gesellschaften nur mehr zögerlich angenommen. Mario Draghi macht das mit seiner Politik unvermeidlich.

Dennoch, die Versicherer haben noch immer ein schlagendes Argument für sich: die lebenslange Rentenleistung für Begünstigte. „Es wäre jetzt fatal und grundfalsch, mit dem Ansparen fürs Alter aufzuhören, nur weil die Zinsen so niedrig sind. Man muss da in Jahrzehnten denken“, betont etwa der neue Vorstandsvorsitzende der Generali Gruppe in Österreich, Alfred Leu. Er ist Schweizer, und dort ist das Drei-Säulen-Modell für die Altersvorsorge sogar gesetzlich verankert. ähnlich argumentiert auch der CEO der Wiener Städtischen, Robert Lasshofer: „Die Rentenleistung aus Eigenvorsorge bei einer möglicherweise überdurchschnittlichen Lebensdauer garantiert nur die klassische Lebensversicherung. Das kann kein Sparplan leisten. Was Sicherheit gegen Altersarmut betrifft, ist sie alternativlos.“

„UMSCHICHTUNGEN IN DER VERANLAGUNGSPOLITIK“

Das Fondsmanagement kann immerhin in höher verzinsliche – allerdings dann auch risikoreichere – Veranlagungen ausweichen. Vorausgesetzt, die SparerInnen legen ihre Scheu etwa vor Mischfonds oder gar Aktienfonds ab.
Und wie sieht es für die Pensionskassen und die Mitarbeitervorsorgekassen aus, die bekanntlich die Abfertigung neu zu managen haben? Sie verwalten das Geld von mittlerweile rund drei Millionen Anwartschaftsberechtigten oder ArbeitnehmerInnen, die schon im neuen Abfertigungssystem sind.

„Die Niedrigszinspolitik hat bereits zu klaren Umschichtungen in der Veranlagungspolitik geführt“, unterstreicht Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen und Generaldirektor der VBV Gruppe. Im Vorjahr sei der Aktienanteil im Durchschnitt aller Veranlagungen bei 28 Prozent gelegen, die Anleihen machten 66 Prozent des Volumens aus. Derzeit erwarte man Performancechancen vor allem im Aktienbereich. Diese Aktienquote ist das Vielfache dessen, was die meisten Lebensversicherer in ihrem jeweiligen Deckungsstock ausweisen.

Es gehe aber nicht um Ertragsmaximierung um jeden Preis, sondern um aktives Risikomanagement, so der Obmann der Pensionskassen.

Zu einer Erhöhung der Netto-Ersatzrate des letzten Aktiveinkommens wird es im ASVG-Pensionssystem in den nächsten Jahrzehnten mit Sicherheit nicht kommen. Schon in den nächsten vier Jahren steigt der Bundeszuschuss zur Pensionsversicherung – siehe Finanzrahmenplan des Bundes bis 2020 – auf mehr als 13 Milliarden Euro an. Das ist das Dreifache dessen, was der Staat für Wissenschaft und Forschung auszugeben gedenkt.

Pensionskassen werden zwangsläufig an Bedeutung gewinnen. „Als Folge der Zinspolitik der EZB denken die Pensions- und Vorsorgekassen über neue Veranlagungsmöglichkeiten nach“, weiß Zakostelsky. So könnten diese, aber auch betriebliche Vorsorgekassen einen Teil ihrer Gelder in den sozialen Wohnbau oder in Alten- und Pflegeheime investieren. Schon jetzt könnte etwa die betriebliche Vorsorge einen Beitrag zur Abfederung der Pflegekosten leisten, wenn es dazu auch steuerliche Anreize gäbe.
Die Institutionellen sind vom Zinsniveau mächtig herausgefordert. Zumal es ein knappes Jahrzehnt, in dem der Zinseszinseffekt für SparerInnen praktisch abgeschafft worden ist, auch die Vermögensbildung der privaten Haushalte schwer behindert. Das ist die sogenannte dritte Säule der Vorsorge, die brüchig zu werden droht. Ob der EZB gesellschaftspolitisch bewusst ist, was die langfristigen Folgen dieser Politik sind?

Die Institutionellen können schon ein Lied davon singen.