Sparkassen Zeitung

Economy

Architektur der Zukunft

Ausgabe #5/2019 • Leistbares Wohnen

DER KLIMAWANDEL UND DIE ÄNDERUNG DER DEMOGRAFIE WIRKEN SICH AUF DIE ARCHITEKTUR DER ZUKUNFT AUS. AUCH DER WUNSCH NACH GETEILTEM WOHNRAUM UND NATÜRLICHER BAUWEISE SCHLÄGT SICH IN DEN WOHNTRENDS NIEDER.

Trends in der Wohn- und Baubranche entstehen nicht plötzlich oder aus dem Nichts. Sie sind vielmehr die Antwort auf Veränderungen in der Gesellschaft, der Demografie und nicht zuletzt des Klimas. Aus diesen Herausforderungen sind für Österreich drei große Trends zu erkennen:

TREND 1: Ein sehr großes Thema ist das nachhaltige Bauen. Der Klimawandel hat sich auch in Österreich in den letzten Jahren mit deutlich heißeren Sommern bemerkbar gemacht und „grüne“ Immobilien können hier einen riesigen Beitrag für ein besseres Wohnklima leisten. Aber auch bei den Baumaterialien legen die KundInnen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit – auch aus Umweltschutzgründen.

TREND 2:  Ein großer Trend resultiert aus der Demografie. Die Menschen werden immer älter und der Anteil der Über-65-Jährigen wird in den nächsten zehn bis 20 Jahren deutlich ansteigen. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Entwickler müssen immer mehr darauf achten, dass sie auch altersgerecht bauen. Das heißt, der Wohnbau muss so angelegt werden, dass er über mehrere Generationen funktioniert.

TREND 3: Das Teilen von Wohnraum und Infrastruktur kommt immer mehr in Mode und ist auch sinnvoll. Das geht von Gemeinschaftsgärten, Fitnessräumen und Saunen bis hin zu Gemeinschaftsküchen. In großen Wohngebäuden gibt es auch schon Carsharing-Initiativen oder gemeinsam nutzbare Fahrradwerkstätten. Trotz engem Raum muss man auf nichts verzichten, aber es erfordert natürlich ein Umdenken in Bezug auf die soziale Organisation des Wohnens.

RENAISSANCE DER STÄDTE

„Klar verwoben sind die Wohntrends mit dem Megatrend der Urbanisierung. Global verzeichnen wir ein Wachstum des urbanen Raums, die Macht der Städte steigt. Städte sind Magnete, gelten als Sehnsuchtsorte für viele Menschen und müssen sich den Forderungen nach mehr bezahlbarem und lebenswertem Wohnraum besonders stellen“, konstatiert Oona Horx-Strathern in ihrer Studie „Homereport 2020“ für das Zukunftsinstitut. Städte befinden sich weltweit in einer neuen Renaissance, nach Zeiten von Abwanderung und Suburbanisierung – Stichwort „shrinking cities“ – sind Städte in immer stärkerem Ausmaß von einer hohen Wachstumsdynamik geprägt und es zieht viele Menschen wieder in die Zentren. So wird das 21. Jahrhundert von ExpertInnen bereits als das „Jahrhundert der Städte“ gesehen. Gründe dafür gibt es viele. Unter anderem ist neben den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt auch ein Imagewandel festzustellen, der Städte vor allem für junge Menschen attraktiv macht. „Mit dem Schrumpfen einer Stadt geht auch Hoffnung verloren. Eine wachsende Stadt zu entwickeln ist wesentlich einfacher als eine sterbende Stadt zurückzubauen. Natürlich ist Wachstum auch eine Herausforderung, aber Wien begreift das Wachstum vor allem als Chance, die Stadt noch lebendiger, bunter und vielfältiger zu machen. Das bedeutet auch für die Stadtentwicklung, dass wir für eine deutlich größere Anzahl an Menschen entsprechende Qualitäten im Wohnbau, in der Gestaltung des öffentlichen Raumes sowie der Grün- und Freiräume, in der Mobilität und in der sozialen In frastruktur schaffen und sicherstellen müssen“, sagt Gaby  Berauschek vom Wiener Magistrat für Stadtentwicklung und Stadtplanung.

BEGRÜNTE FASSADEN

Die Seestadt Aspern in Wien ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas und damit zukunftsweisend. Nach Fertigstellung sollen 20.000 Menschen dort leben und arbeiten. Das Projekt „Living Garden“ in der Seestadt vereint alle Trends der Zukunft. „Living Garden“ setzt besonders im Bereich Nachhaltigkeit neue Trends. „Mit der bepflanzten Lebensader, die vom Erdgeschoß bis ins Dach reicht, und auch vielen andere Akzenten ist das Projekt mit Sicherheit eine heimische Pionierleistung bei den „Green Buildings“. Das Gebäude hat 900 von 1.000 möglichen klimaaktiv-Gebäudestandard-Punkten erreicht“, erklärt Horst Lukaseder, Geschäftsführer der VI-Engineers Bauträger GmbH & Co KG, der als Projektentwickler Initiator von „Living Garden“ war. Grünflächen und begrünte Fassaden sind nicht nur ein optisches Element, sondern Pflanzen haben auch eine regulierende Wirkung auf das Mikroklima. Im Sommer werden Innenräume und Höfe durch Fassadenbegrünung deutlich kühler, weil die Pflanzen die Konstruktion vor zu starker Erwärmung schützen und außerdem durch die Verdunstung von Wasser zur Kühlung beitragen. Im Winter bewahren sie das Haus vor dem Auskühlen. Außerdem filtern sie Feinstaub, verbessern die Luftqualität und schützen vor Lärm. „Mittlerweile sterben mehr Menschen an den Folgen der Hitze als bei Verkehrsunfällen. Es geht somit darum, den unmittelbaren Auswirkungen langer Hitzeperioden entgegenzuwirken, beispielsweise durch Projekte wie ‚coole Straßen‘, also Abkühlungsmöglichkeiten durch mehr Grün und Wasser in der Stadt. Einer nachhaltigen Gestaltung des öffentlichen Raums kommt somit eine entscheidende Rolle zu“, so Berauschek.

GEMEINSAMKEIT FÖRDERN

Besonders in großen Städten sind Isolation und Einsamkeit ein Problem. Das betrifft die ältere Generation ebenso wie junge BewohnerInnen. In Österreich hat sich die Zahl der Einpersonenhaushalte seit 1986 auf 1,5 Millionen verdoppelt. Ein Gemeinschaftsgefühl in großen Städten zu schaffen wird dort immer mehr zum entscheidenden Faktor für die Lebensqualität. Das Design von Häusern kann sich hier positiv auf die soziale Integration auswirken und stellt somit ebenfalls einen Zukunftstrend dar. „Die soziale Nachhaltigkeitskomponente spielt heute genauso eine große Rolle wie die ökologische oder Generationenwohnen. Urban Gardening liegt voll im Trend. Gemeinschaftsflächen sind heute eigentlich Standard in allen größeren Wohnbauprojekten. Eine bessere Kommunikation der Bewohnerinnen und Bewohner fördert den Gemeinschaftsgeist in Immobilien. Das führt dazu, dass die Menschen rücksichtsvoller miteinander umgehen – man kennt sich ja – und man achtet auch besser auf die Immobilie“, weiß Lukaseder.

OPTIMALE FLÄCHENNUTZUNG

Urbanisierung und optimale Ausnützung freier Flächen betreffen aber nicht nur Wien, auch in den Bundesländern ist dieser Trend spürbar. Der verfügbare Platz ist begrenzt und doch ist man bemüht, soziales Zusammenleben zu ermöglichen. „Grundsätzlich bevorzugen die Menschen eher größere Wohnflächen, aber in den Ballungszentren werden die Wohneinheiten wieder kleiner geplant. Die Ursache dafür findet sich in den vergangenen Jahren bei den extrem gestiegenen Baupreisen. Das verteuert die Mieten und auch Eigentumswohnungen. Leistbare Wohnungen lassen sich also nur dadurch auf den Markt bringen, dass man auch die Flächen optimal nutzt. Aber heute wird deutlich effizienter gebaut, und selbst auf kleineren Flächen lässt es sich adäquat wohnen“, erklärt  Lukaseder.

Beispiel für die optimale Nutzung des verfügbaren Raums ist die Wohnbebauung F49 in Innsbruck, die mit einer Anerkennung des Landes Tirol für neues Bauen ausgezeichnet wurde. Im dicht bebauten Siedlungsgebiet wurde durch die Positionierung der Baukörper zueinander eine Abfolge von Zwischen- und Freiräumen mit Plätzen, kleinen Grünflächen, privaten Gärten und schmalen Durchgängen geschaffen. Die abwechslungsreiche Gestaltung der Fassaden lässt das Projekt ebenso lebendig wirken wie Fenster in unterschiedlichster Größe, Form und Anordnung – runde, rechteckige und quadratische, die zum Teil zu vertikalen und horizontalen Bändern und großen Fensterfeldern zusammengefasst sind.

Die Wohnhausanlage Saarlachstraße im Randbereich der Stadt Salzburg findet ihren Platz zwischen großflächigen Bauten für Gewerbe und Industrie sowie Einfamilienhausbebauung. Das Konzept sieht kleine sowie schlanke Gebäude vor, welche einen Übergang zur Einfamilienhausbebauung schaffen, sowie tiefe und lange Baukörper, die auf die Dimension der Gewerbebauten der Umgebung reagieren. Durch Terrassen, Zwischenwände und Gärten wird Rücksicht auf die Individualität der BewohnerInnen genommen. Das Projekt erhielt eine Anerkennung beim Architekturpreis des Landes Salzburg 2018.

Die Wohnhausanlage Saarlachstraße in Salzburg fügt sich durch ihre
abwechslungsreiche Bauweise in die Umgebung ein und nutzt den
vorhandenen Platz optimal.

HOLZ ALS GESUNDES BAUMATERIAL

Die Verwendung natürlicher und nachhaltiger Materialien ist auch bei der Errichtung von Ein- und Mehrfamilienhäusern ein Thema. Besonders Holz als Baumaterial liegt laut der „Homereport 2020“-Studie des Zukunftsinstituts im Trend. Wobei nicht nur die Nachhaltigkeit des Materials, sondern vor allem sein Einfluss auf eine gesunde Wohnumgebung betont wird. Als Weg in die Zukunft geht es laut der Studie nicht mehr nur um schadstoffarmes Bauen und Einrichten, sondern um eine gesund machende und gesund erhaltende Wohnumgebung. Das „Haus auf der Postalm“, das beim Architekturpreis des Landes Salzburg 2018 ebenfalls mit einer Anerkennung bedacht wurde, verdeutlicht das. In Anlehnung an die teils jahrhundertealte und traditionsreiche Architektur der Alpen, mit ihren sich immer weiter entwickelnden Bauernhäusern, wurde sowohl beim Rohbau aus Kreuzlagenholzplatten um einen Betonkern als auch bei der Gestaltung der Fassade sowie der gesamten Außenhülle auf ein angemessenes Erscheinungsbild Wert gelegt. Als ein natürlich vorkommendes und nachwachsendes Material in den alpinen Regionen wurde Holz verwendet. Durch eine spezielle Behandlung der Holzfassadenplatten, wobei die oberste Schicht des Holzes verkohlt und anschließend an Fassade und Dach angebracht wurde, fügt sich das Gebäude auch in Bezug zu den dunklen Holzfassaden alter Bauernhäuser harmonisch in das Landschaftsbild der umliegenden Salzburger Bergwelt. Eine durchgängig helle Fichtenholzverkleidung des Innenraums unterstützt die angenehme und gemütliche Atmosphäre des Wohnhauses. Auch das Miteinander kommt nicht zu kurz, denn das Gebäude wurde als Mehrfamilien- und Mehrgenerationenhaus geplant, gleichsam ein Mikrokosmos, in dem Familie und Freunde zusammentreffen können.

Auch beim Neubau des Universitätsgebäudes der TÜWI Wien kam Holz als natürlicher Baustoff zum Einsatz. Das mit dem Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit 2019 ausgezeichnete Gebäude besteht aus einem Stahlbetonskelett mit Holzelementfassade, bei dem der Stahlbeton gezielt dort zum Einsatz kam, wo er aus statischen Gründen oder als Speichermasse für die Bauteilaktivierung vonnöten ist. Umhüllt wird das Gebäude von vertikalen Lärchenholz-Lamellen. Die Tapezierung aus Wollfilz im Hörsaal hat sowohl akustisch wie auch in Kombination mit unbehandeltem geschliffenem Eichenholz atmosphärisch positive Wirkungen.