Sparkassen Zeitung

Economy

"Geht es um die Frauenquote, bricht die Welt zusammen"

Ausgabe #1/2020 • Female Edition

JULIA VALSKY, LEITERIN GROUP DIVERSITY MANAGEMENT ERSTE GROUP, UND SABINE MLNARSKY, LEITERIN HUMAN RESOURCES ERSTE BANK, IM GESPRÄCH ÜBER TEILZEIT, FRAUENQUOTE UND VIELFALT ALS ERFOLGSFAKTOR.

Noch immer verdienen Frauen in Österreich 19 Prozent weniger als Männer. Jahrzehnte wird nun für eine Gleichstellung der Geschlechter in Österreich gekämpft. Warum hat sich das bis heute nicht wirklich geändert?

Julia Valsky: Hier gibt es eine Fülle an Faktoren, die eine Rolle spielen. Es beginnt bei der genderspezifischen Berufswahl. Die Top-Drei-Lehrberufe bei Frauen sind noch immer Bürokauffrau, Friseurin und Verkäuferin. Auch im Bereich der Studien sind Frauen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) unterrepräsentiert. Zum Glück ändert sich das langsam, aber zum Beispiel in der IT oder im Asset Management haben wir immer noch sehr wenige Frauen.

Sabine Mlnarsky: Leider ist es in den letzten Jahren rückwärts gelaufen. Die junge Generation hat wieder ein deutlich traditionelleres Familien- und Frauenbild. Das sehen wir auch bei unseren Lehrlingstests. Besonders bei den Mädchen manifestiert sich wieder der Wunsch nach Heirat, Familie und einem Haus im Grünen. Bei den Burschen richtet sich der Fokus wieder deutlicher auf Karriere und auf Geldverdienen.

Warum ist es so schwierig, hier wirklich etwas zu verändern?

Mlnarsky: Da können Eltern oder Arbeitgeberinnen sich noch so bemühen. Wenn nicht ein grundsätzliches Umdenken passiert, entkommt man selbst bei einer genderneutralen Erziehung den geschlechterspezifischen Stereotypen nicht. Es haben ja nicht nur die Eltern, sondern auch das soziale, schulische und berufliche Umfeld hat einen Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen. Denkt man Gleichbehandlung nicht über alle Ebenen hinweg, dann wird es schwierig.

Mittlerweile studieren in etwa gleich viele Männer und Frauen an den Universitäten. Das heißt, eine schlechtere Karriere und Bezahlung kann nicht an der Ausbildung liegen.

Mlnarsky: Wir haben in den Fächern, die für uns interessant sind, mehr Frauen. Auf der Wirtschaftsuniversität absolvieren mittlerweile mehr Frauen als Männer ihr Studium. In technischen Studienrichtungen sind Frauen noch immer deutlich unterrepräsentiert. Ausbildungstechnisch lässt sich aber dieser große Gehalts- und Karriere-Unterschied der Geschlechter nicht erklären, denn Frauen sind in vielen Fächern mittlerweile sehr gut ausgebildet.

Valsky: Genau, und dennoch verlieren wir sie auf dem Weg nach oben. Zum Beispiel, wenn sie Mütter werden und – anders als Väter – häufigere und längere Karriereunterbrechungen haben. Haben Sie schon einmal gehört, dass ein Manager gefragt wird, wie er es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hält? Eben. Solange Kinder – oder nur die theoretische Möglichkeit, schwanger zu werden – als Karrierehemmnis für Frauen gesehen werden, wird sich wenig ändern.

Vielleicht haben Männer und Frauen einen etwas anderen Lebensentwurf. Viele Männer definieren sich über das Thema Karriere, für viele Frauen spielen Themen wie Kinder und Familie eine große Rolle. Sollte man das nicht einfach respektieren?

Valsky: Jeder und jede soll so leben können, wie sie das möchten. Aber es sollte eine echte Wahlfreiheit sein, und keine erzwungene. Frauen sollten genauso selbstverständlich und ungehindert Karriere machen können, wie Männer bei ihren Kindern zuhausebleiben. Unbezahlte Arbeit wie Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen gehören zum Leben und sind für jede Familie eine Herausforderung, aber das darf nicht generisch bei den Frauen hängenbleiben. Faktisch ist es immer noch so. Das führt dazu, dass Männer sich auf Themen wie Arbeit und Karriere fokussieren. Natürlich ist das auch für sie ein großer Druck, denn nicht jeder Mann will das für sich.

Mlnarsky: Das sehr konservative Familienbild ist schon ein Problem der DACH-Region, und daraus resultieren auch die hohen Teilzeitquoten von Frauen, es müssen sich ja beide Partner dazu entscheiden. War die Teilzeitquote von Frauen aber 1994 noch bei 25,8 Prozent, so übersprang sie 2019 die magische 50-Prozent-Marke. Zudem wird immer länger Teilzeit gearbeitet. Waren es früher vielleicht ein paar Monate, sind es heute bereits sieben bis zehn Jahre. Viele Frauen arbeiten überhaupt nicht mehr Vollzeit.

Ist es in anderen Ländern besser als im deutschsprachigen Raum?

Valsky: Das kann ich echt nur unterstreichen. Ich habe zwei Jahre in Frankreich gelebt, dort ist die Geburtenrate höher und die Teilzeitquote deutlich niedriger. Das liegt einerseits an der besseren Betreuungsinfrastruktur, aber auch an der gesellschaftlichen Akzeptanz von berufstätigen Müttern. Im Französischen gibt es das Wort Rabenmutter nicht einmal.

Während bei Frauen eine mögliche Karenz von Arbeitgeberinnen einkalkuliert wird, stoßen Männer oft auf völliges Unverständnis der Arbeitgeberinnen bei diesem Thema und nicht selten folgen daraus negative Konsequenzen. Mlnarsky: Männer fürchten um ihre Karriere, wenn sie in Karenz gehen, aber bei den Frauen ist es egal, wenn sie für den Nachwuchs ihre Karriere unterbrechen und es wird als selbstverständlich hingenommen. Die Männer müssen einfach mutiger werden und für dieses Recht einstehen. Nur so können sich Vorbilder herausbilden, die diese Verantwortungen wahrnehmen und einen Ausgleich schaffen.

Frauen fehlen also die Vorbilder für die Karriere und Männern jene des umsorgenden Familienmenschen, der sich auch seine Zeit nimmt, den Nachwuchs aufzuziehen oder die Eltern zu pflegen?

Mlnarsky: Auf jeden Fall, und gerade bei den Vorbildern manifestieren sich große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Männer orientieren sich meist an hierarchisch deutlich höheren Männern, erfolgreichen Wirtschaftslenkern oder gar am US-Präsidenten. Meist also an Menschen, zu denen sie nicht mal einen persönlichen Zugang haben, es reicht ihnen das nach außen transportierte Bild. Hier sind Frauen deutlich komplexer. Meist nehmen sie sich Vorbilder aus dem direkten persönlichen Umfeld, zum Beispiel die direkte Vorgesetzte oder andere Familienmitglieder. Diese Vorbilder müssen auch in ihrer täglichen Lebensführung bestehen. Wie vereint sie Familie und Beruf? Wo kauft sie ein, wie regelt sie das mit den Kindern in der Schule? Das Vorbild wird also in einem deutlich breiteren Spektrum betrachtet.

Sie haben einiges an Arbeit innerhalb der Bank geleistet, um mehr Gleichheit herzustellen. Sie sind nun auch in den Bloomberg Gender Equality Index aufgenommen worden. Wie ist das gelungen? Und welche nächsten Schritte sind aus Ihrer Sicht wichtig?

Valsky: Wir haben uns vor sechs Jahren die Zielquote von gruppenweit 35 Prozent Frauen in den Top-Führungspositionen gesetzt. Wir haben dieses Ziel noch nicht erreicht, aber sind auf einem guten Weg. Nächste Schritte, die aus meiner Sicht notwendig sind, sind die Schaffung von mehr Transparenz, was die Gründe des Gender Pay Gap betrifft, das Reden über Arbeitszeit im Allgemeinen und ein aktives Karenzmanagement für Frauen und Männer.

Nachdem es schon eine freiwillige Zielgröße gibt, haben sie also kein Problem mit einer Frauenquote im Unternehmen?

Valsky: Nein, im Gegenteil. Aber es ist schon interessant, dass allein das Wort Frauenquote in Österreich so polarisiert. In allen Geschäftsbereichen arbeiten wir tagtäglich mit Zielgrößen, wie Wachstumszielen oder Umsatzzielen, aber geht es um das Thema Frauenquote, bricht die Welt zusammen. Es gibt genauso viele talentierte Frauen wie Männer, und aus verschiedenen Gründen erklimmen sie nicht die höchste Stufe der Karriereleiter. Das wollen wir ändern, und die Quote ist ein geeignetes Mittel zum Zweck.

Es steht bei der Frauenquote immer die Kritik im Raum, dass nicht die Bestqualifizierte zum Zug kommt, sondern nur das richtige Geschlecht.

Valsky: Im Moment haben wir in vielen Bereichen eine 80-prozentige Männerquote in Führungspositionen – macht das Sinn? Außerdem impliziert dieser Vorwurf ja, dass Frauen grundsätzlich schlechter qualifiziert seien als Männer. Die Quote regelt aber, dass bei gleicher Qualifikation dem unterrepräsentierten Geschlecht der Vorzug gegeben wird, nichts anderes.

Mlnarsky: Mich macht diese Diskussion über die Frauenquote mittlerweile wütend. Ich bin in hunderten Hearings gesessen und habe noch nie erlebt, dass sich diese Angst wirklich bewahrheitet hat und eine schlechter qualifizierte Frau einem gut qualifizierten Mann vorgezogen wurde, nur weil sie eine Frau war. Aber seit Frauen auch den Anspruch auf höhere Positionen stellen, haben Männer 50 Prozent mehr Konkurrenz bekommen.

Lassen sich diese Ziele nicht auch mit familienfreundlichen Maßnahmen und einer Frauenförderung erreichen?

Mlnarsky: Ich habe aufgehört, daran zu glauben, dass Familienfreundlichkeit und Karriereförderung ausreichen, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Ohne das starke Commitment, eine Zielvorgabe von 35 Prozent erreichen zu wollen, hätte das nicht funktioniert und das braucht auch teilweise wirklich harte Maßnahmen. In der Erste Bank hat es Phasen gegeben, da habe ich einen Nachwuchslehrgang nicht gestartet, wenn nicht 50 Prozent Frauen drinnen waren.

Das Thema Diversity ist ja ein zentrales Thema der Erste Bank und Sparkassengruppe. Ist das ein schönes Schlagwort oder bringt das auch was?

Valsky: Diversity hat einen nachweisbar positiven Einfluss auf den Geschäftserfolg von Unternehmen. Gemischte Teams performen besser und denken innovativer. Und Diversity bezieht sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf andere Dimensionen wie Alter, Herkunft und sexuelle Orientierung. Das Prinzip ist ja nichts Neues. Auch in der Umwelt ist eine große Biodiversität wichtig, und ein Aktienportfolio braucht eine breite Streuung. Je bunter und vielfältiger, desto besser, das gilt auch für unsere Bank.

Neben allen Unwägbarkeiten, die Frauen heute noch bewältigen müssen, gibt es dennoch Fortschritte?

Mlnarsky: Zum Glück ja, aber es bedarf eines stetigen Kampfs. Zum Beispiel wurde vor mehr als 20 Jahren gesetzlich geregelt, dass offizielle Texte beide Geschlechter ansprechen sollen. Daraus wurden dann die holprigen „Innen“- Formulierungen oder man hat den Zusatz gewählt, dass die männliche Form auch für Frauen gilt. Frauen sollen sich daher auch angesprochen fühlen, sie werden es de facto aber nicht. Deshalb haben wir im neuen Sparkassen Kollektivvertrag es einmal andersherum gemacht. Der Vertrag wurde nur in der weiblichen Form verfasst und in der Präambel wird darauf hingewiesen, dass diese Form natürlich für beide Geschlechter gilt. Im Grunde ist es eine Kleinigkeit, die aber einer großen Kraftanstrengung bedurfte, um hier Veränderungen zu bewirken.