Sparkassen Zeitung

Werte

Die gläserne Decke

Ausgabe #1/2020 • Female Edition

FRAUEN, DIE KARRIERE MACHEN MÖCHTEN, STOSSEN OFT IMMER NOCH AUF UNSICHTBARE BARRIEREN. DIE URSACHEN LIEGEN IN MANGELNDER VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF, GESELLSCHAFTLICHEN ERWARTUNGSHALTUNGEN, ABER AUCH IN DER BENACHTEILIGUNG BEI DER POSTENBESETZUNG.

Als sie 2017 im erweiterten Regierungsprogramm beschlossen wurde, galt sie als historischer Schritt: die verpflichtende Frauenquote in den Aufsichtsgremien. Seit 1. Jänner 2018 müssen österreichische Unternehmen, deren Aufsichtsrat aus mindestens sechs Kapitalvertreterinnen besteht und deren Belegschaft zu mehr als 20 Prozent weiblich ist, bei Neubestellungen 30 Prozent der Aufsichtsratsmandate mit Frauen besetzen. Dass die Frauenquote sich innerhalb kurzer Zeit positiv auswirkte, zeigt der „Frauen.Management.Report 2019“ der Arbeiterkammer (AK) Wien, der ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Regelung erstellt wurde: So belief sich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen, die unter die Quote fallen, im Jänner 2019 auf 27,5 Prozent, während es ein Jahr zuvor nur 22 Prozent waren. Damit liegt Österreich zum ersten Mal knapp über dem EU-Schnitt von 27 Prozent.

KEIN AUSBALANCIERTES GESCHLECHTERVERHÄLTNIS

Frauen sind so gut ausgebildet wie nie, doch wenn sie Karriere machen möchten, sind sie immer noch in vielen Fällen benachteiligt. So gelangen Frauen meistens nur bis ins mittlere Management – wenn es aber um oberste Führungsebenen geht, werden diese Positionen oft bevorzugt mit Männern besetzt. In der gesamten EU ist nur jede dritte Führungskraft eine Frau und in den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs liegt der Anteil der weiblichen Geschäftsführerinnen bei lediglich 8,2 Prozent. Mit ein Grund, weshalb die Autorinnen der AK-Studie nahelegen: „Angesichts der erfolgreichen Entwicklung in den Aufsichtsräten der quotenpflichtigen Unternehmen wäre die Einführung einer Geschlechterquote in den Geschäftsführungen der nächste logische Schritt, um für die Gleichstellung von Frauen in Spitzenfunktionen zu sorgen. Die öffentliche Hand könnte – wie schon bei den Aufsichtsrätinnen – mit gutem Beispiel vorangehen und mit der Festlegung einer Geschlechterquote für staatsnahe Unternehmen Vorbildfunktion übernehmen.“

UNGLEICHHEITEN IN ALLEN BEREICHEN

Die Ursachen für dieses Ungleichgewicht sind vielfältig: Neben der Tatsache, dass Männer ihre Geschlechtsgenossen mitunter bei der Besetzung höherer Positionen bevorzugen, spielt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle. Die Folge: Jede zweite erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet Teilzeit – und verkürzte Arbeitszeiten lassen sich nur schwer mit einer Führungsposition vereinbaren. Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer- Hämmerle (FH Kärnten) betont, dass diese Ungleichheiten überall dort existieren, wo es um Macht, Einfluss und Geld geht: „Je höher die Gagen, je größer die Budgets, je weitreichender der Gestaltungsspielraum, umso weniger Frauen findet man in den Positionen. Man sieht es auch an der aktuellen Regierung, die zwar noch nie so viele Frauen in der Regierungsmannschaft hatte wie jetzt – aber die wirklich wichtigen Ressorts sind dann doch wieder großteils in Männerhand.“


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„VON EINER GLEICHSTELLUNG DER GESCHLECHTER IST MAN IN ÖSTERREICH NACH WIE VOR WEIT ENTFERNT.“

Kathrin Stainer-Hämmerle
Politik- und Rechtswissenschaftlerin
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DIE SACHE MIT DER FAMILIENPLANUNG

Nicht nur in Politik und Wirtschaft, auch in vielen anderen Bereichen stellt sich die Situation ähnlich dar, etwa in der Medizin. So sind bereits rund die Hälfte aller angehenden Ärztinnen in Österreich Frauen, je weiter man jedoch nach oben kommt – etwa, wenn es darum geht, wer Oberärztin wird, eine Arbeitsgruppe leitet oder eine Professur bekommt – umso dünner wird die Luft. Das sagt Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel und der Gender Medicine Unit an der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien). Die Wissenschaftlerin des Jahres 2016 ist Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der MedUni Wien und kennt die Probleme, mit denen Frauen konfrontiert sind. Sie verweist darauf, dass es nach wie vor schwer sei, Familienplanung und Karriere unter einen Hut zu bringen: „Derzeit bekommen Frauen mit durchschnittlich 30 Jahren ihr erstes Kind. Spätestens dann werden sie von den Männern überholt, denn die Kinderbetreuung wird gesellschaftlich immer noch Frauen zugeschrieben. Sie verlieren dadurch jedoch Zeit, die für die Karriereentwicklung wichtig wäre. Es ist natürlich schön, wenn man sich intensiv um sein Kind kümmern kann, wenngleich es nach wie vor eine einseitige Verteilung ist.“ Die Medizinerin betont, dass sich wenig ändern werde, so lange es nicht auch für Kleinkinder gute und ausreichende Betreuungsplätze gibt, und dass die gesellschaftliche Akzeptanz dafür fehle, dass Mütter früh wieder arbeiten gehen.

GESELLSCHAFTLICHE ERWARTUNGSHALTUNGEN

Im März 2019 hat Kathrin Stainer-Hämmerle im RahRahmen einer Festveranstaltung im Parlament zum 100. Jahrestag der ersten Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung eine viel beachtete Keynote zum Thema Gleichstellung gehalten. Seit 4. März 1919, als die ersten acht Frauen ins Parlament Einzug hielten, habe sich zwar einiges verändert, so Stainer-Hämmerle vor einem Jahr, von einer Gleichstellung der Geschlechter sei man in Österreich aber nach wie vor weit entfernt, da die „gläserne Decke“ in vielen Fällen immer noch sehr dick sei. Die Politikwissenschaft-Professorin sagt, es seien nicht die mangelnden Qualifikationen von Frauen, die sie vom Erfolg abhalten. Einer der Gründe liege in der gesellschaftlichen Erwartungshaltung, welche Rollen Frauen und welche Rollen Männer zu erfüllen haben: „Diese Bilder haben beide Geschlechter verinnerlicht. Daher scheuen sich viele Frauen, machtvolle Positionen zu übernehmen. Frauen, die ihre Meinung sagen und sich durchsetzen, werden schnell als unsympathisch wahrgenommen. Männer hingegen gelten dann als durchsetzungsstark.“


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„FRAUEN VERLIEREN DURCH DIE KINDERBETREUUNG ZEIT, DIE FÜR DIE KARRIEREENTWICKLUNG WICHTIG WÄRE.“

Alexandra Kautzky-Willer
Leiterin Gender Medicine Unit, MedUni Wien

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SELBSTBEWUSSTSEIN LERNEN

Dass sich diese Situation nur mit umfassenden Maßnahmen ändern lässt, darin sind sich alle Expertinnen einig. So muss sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene angesetzt werden, um zukünftig Frauen die gleichen Chancen zu ermöglichen wie Männern. Wichtig SELBSTBEWUSSTSEIN LERNEN Dass sich diese Situation nur mit umfassenden Maßnahmen ändern lässt, darin sind sich alle Expertinnen einig. So muss sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene angesetzt werden, um zukünftig Frauen die gleichen Chancen zu ermöglichen wie Männern. Wichtig sind dabei auch mehr weibliche Role Models, wie Alexandra Kautzky-Willer weiß: „Wir haben selber Befragungen unter Professorinnen und Primarärztinnen gemacht – und wollten wissen, was ihnen geholfen hat, aber auch was ihre Probleme waren. Wichtig ist, dass Frauen dem Motto ,Tue Gutes und sprich darüber‘ mehr folgen, denn das können sie nicht so gut wie Männer.“ Die Gender-Expertin betont, dass Frauen teilweise immer noch glauben, dass sie, wenn sie gute Arbeit liefern, gesehen werden, auch, wenn sie in der zweiten Reihe stehen. „Dem ist aber nicht so und da kann man von den Männern lernen. Nämlich, dass man selbstbewusster wird und für das, was man leistet, auch einen entsprechenden Status hat.“ An der MedUni Wien wird deshalb mit Unterstützung des Rektorats versucht, etwas dazu beizutragen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen. So gibt es derzeit einen eigenen Call für Professorinnen-Stellen – in dem sich in einem ersten Schritt ausschließlich Frauen bewerben können.