Sparkassen Zeitung

Economy

Jetzt braucht es große Themen, die den Menschen den Optimismus zurückgeben

Ausgabe #3/2020 • RE-START

PETER BOSEK, CEO DER ERSTE BANK, ÜBER DIE HERAUSFORDERNDEN VERGANGENEN WOCHEN, VISIONEN FÜR DIE ZUKUNFT SOWIE EINEN NEUSTART, DER UNSEREM LAND NEUE CHANCEN ERÖFFNET.

Corona hat die Wirtschaft schwer getroffen. 1,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind auf Kurzarbeit, rund 500.000 arbeitslos. Muss uns die aktuelle Situation Angst machen?

Peter Bosek: Angst ist nie ein guter Ratgeber. Es liegt jetzt auch an uns Banken Zuversicht zu verbreiten und den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Unternehmen jene Sicherheit zu geben, dass die Stimmung nicht kippt. Aber natürlich ist die aktuelle Situation herausfordernd. Jetzt ist auch die Zeit gekommen, wo wir als Sparkassengruppe aktiv Vorschläge unterbreiten und umsetzen sollten, um die Situation zu verbessern.

Die Erste Bank und Sparkassen haben sich bereits in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Maßnahmen als regional verwurzelte Bank eingebracht. Was wären hier wichtige nächste Schritte?

Bosek: Jetzt, in der ersten Phase der Krise, haben wir in Abstimmung mit der Bundesregierung zahlreiche Liquiditäts-Überbrückungsmaßnahmen verabschiedet. Aber die Maßnahmen gingen von der Bundesregierung aus und wir als Kreditinstitut sorgten quasi im Auftrag der Bundesregierung bei den Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern für die entsprechende Liquidität. Innerhalb kürzester Zeit ging es darum pragmatische Lösungen zu finden. Manchmal ist uns das gut gelungen, hin und wieder waren die Lösungen weniger gut. Es war auch nicht ganz einfach den Überblick zu behalten. Für die Kundinnen und Kunden war das manchmal sehr verwirrend, weil oft schon Maßnahmen angekündigt wurden, bevor überhaupt die Abwicklungsbestimmungen vorhanden waren.

Banken und Bundesregierung wurden ja in den vergangenen Wochen oft wegen der langsamen Auszahlung kritisiert. Sind Sie zufrieden mit dem, wie es bisher gelaufen ist?

Bosek: Für die Sparkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter war das eine Herkulesaufgabe und sie haben das wirklich sensationell gelöst. Fast täglich haben sich die Regelungen geändert. Gleichzeitig waren die Kundinnen und Kunden verständlicherweise sehr nervös, denn viele der kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch Privatpersonen bangten und bangen noch heute um ihre Existenz. In der Zwischenzeit hat sich das aber gut eingespielt. In den letzten Wochen konnte die gesamte Kreditwirtschaft die Österreicherinnen und Österreicher mit einer Liquidität von rund fünf Milliarden Euro versorgen.

Die Situation hat sich beruhigt, aber sind wir schon über den Berg?

Bosek: Wir haben die ersten Brände gelöscht, aber jetzt kommen die wirklich großen Herausforderungen. Nach der Zwei-Tages-Klausur der Bundesregierung wurden nun ein paar Steuermaßnahmen verkündet, aber was fehlt, ist der große Wurf. Jetzt braucht es große Themen, die den Menschen da Vertrauen geben, um sie optimistisch in die Zukunft blicken zu lassen.

Welche Maßnahmen würden sich aus Ihrer Sicht dafür eignen?

Bosek: Wir sollten den Neustart dafür nutzen unser Land zu erneuern. Nun muss man große infrastrukturelle Projekte angehen. Das können der 5G-Ausbau oder auch große Investitionen in die Infrastrukturprojekte sein. Zum Beispiel ein Hyperloop-Hochgeschwindigkeitszug zwischen Wien und Bratislava, um Österreich zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Zentraleuropa aufzuwerten, wäre sicher ein spannendes Projekt. Krisen bieten immer die Chance, Dinge zu beschleunigen, und dieses Momentum müssen wir jetzt nutzen. Damit können wir auf der einen Seite Österreich modernisieren und gleichzeitig neue Arbeitsplätze schaffen, die gerade jetzt dringend notwendig sind. Wir müssen mental eine Situation schaffen, in der die Menschen wieder Lust haben, die Zukunft zu gestalten, sonst graben sich alle ein und der Stillstand wird unser Land über Jahre lähmen.


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„KRISEN BIETEN IMMER DIE CHANCE, DINGE ZU BESCHLEUNIGEN, UND DIESES MOMENTUM MÜSSEN WIR JETZT NUTZEN. DAMIT KÖNNEN WIR AUF DER EINEN SEITE ÖSTERREICH MODERNISIEREN UND GLEICHZEITIG NEUE ARBEITSPLÄTZE SCHAFFEN.“

Peter Bosek,
CEO der Erste Bank Oesterreich
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Eigentlich fühlt sich die Krise derzeit gar nicht nach Krise an. Hatten wir bei der Eurokrise Weltuntergangsstimmung, ist es jetzt mehr eine Haltung der gespannten Erwartung?

Bosek: Der Shutdown, der wahrscheinlich absolut richtig und notwendig war, hat dazu geführt, dass wir jetzt in einer Situation leben, in der die Bürgerinnen und Bürger darauf warten, dass man ihnen sagt, was sie zu tun haben. Nach den vielen sicher notwendigen Anweisungen, wie: bleibt zu Hause, trefft keine Freunde, tragt Masken, wurden wir darauf konditioniert, die nächsten Schritte abzuwarten. Aber das ist ein Fehler, denn wir brauchen Initiative.

Welchen Beitrag kann hier die Sparkassengruppe leisten?

Bosek: Wir als Gruppe müssen vorausgehen. Wir sind gut aufgestellt und unser Motto ist ja #glaubandich. Nun müssen wir zeigen, dass auch wir an uns glauben und unseren Beitrag für unser Land leisten. Nun liegt es an uns, hier mutig vorauszugehen, um mit Initiativen zu bewegen und Neues entstehen zu lassen. Das ist etwa so, wie wenn man acht Wochen ein Gipsbein hatte. Wird der Gips abgenommen, traut man sich nicht mehr richtig aufzutreten, obwohl man könnte. Der Physiotherapeut hilft einem, zu den natürlichen Bewegungsabläufen zurückzufinden. Ähnlich geht es uns jetzt nach dem Shutdown, und wir als Sparkassengruppe sollten die Rolle des Physiotherapeuten übernehmen und das Land zurück zur „neuen Normalität“ führen. Bis eine Impfung gefunden ist, müssen wir mit dem Virus leben, aber hier brauchen wir einen Modus, der uns nicht komplett lähmt. Wir können ja nicht die nächsten Monate oder gar Jahre einfach nur warten.


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„GERADE JETZT KÖNNEN WIR DINGE ANGEHEN, ÜBER DIE WIR VOR EIN PAAR MONATEN NOCH JAHRE DISKUTIERT HÄTTEN. DAS GELD IST DA UND NEUE IDEEN SIND GEFRAGT WIE LANGE NICHT.“

Peter Bosek,
CEO der Erste Bank Oesterreich
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Welche Chancen resultieren für Österreich aus dem Neustart?

Bosek: Der Shutdown hat offenbart, wie abhängig wir von globalen Lieferketten sind und das auch in der kritischen Infrastruktur. Hier kommt es sicher zu einem Umdenken, und  viele Industrien werden in den nächsten Jahren wieder zurück nach Europa geholt werden. Das ist für Österreich die Chance, neue Wirtschaftsbereiche aufzubauen. Österreich hat viele gut ausgebildete Menschen in den Bereichen Medizin, Technologie, Umwelt – machen wir doch was draus. Gerade jetzt können wir Dinge angehen, über die wir vor ein paar Monaten noch Jahre diskutiert hätten. Das Geld ist da und neue Ideen sind gefragt wie lange nicht.

Aber warum brauchen wir große Veränderungen? Es ist uns bisher gut gegangen, warum soll es uns nicht auch in Zukunft gut gehen?

Bosek: Das ist eine trügerische Ruhe. Dass der Einbruch der Wirtschaft nicht voll durchschlägt, liegt auch daran, dass die Bundesregierung wirklich große Summen für Kurzarbeit und viele andere Hilfsmaßnahmen in die Hand genommen hat. Aber das können wir uns auf Dauer nicht leisten. Wenn wir über den Sommer keine neuen Konzepte entwickeln und einen Plan entwerfen, wie wir im Herbst loslegen, dann haben wir am Jahresende eine Million Arbeitslose und 25.000 Unternehmensinsolvenzen. Und das würde mit Sicherheit die Stimmung im Land vergiften und eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die sich nur schwer aufhalten lässt.

Ist hier auch Europa beziehungsweise die Europäische Union gefragt, neue Konzepte und Initiativen auf den Weg zu bringen?

Bosek: Wirtschaftlich gesehen ist Europa mit Sicherheit eine der spannendsten Regionen weltweit, aber wir machen viel zu wenig daraus. In den letzten 20 Jahren hat Europa wirtschaftspolitisch keine großen Sprünge gemacht. Jetzt wäre die Gelegenheit, was zu ändern und die Weichen für die Zukunft neu zu stellen. Doch es darf nicht in unzähligen Strategiekommissionen enden, wie wir sie bei den Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz et cetera schon erlebt haben, sondern es braucht echte Initiativen.

Hat die europäische Idee in dieser Krise Schaden genommen?

Bosek: Es war eine Gesundheitskrise, und hier hat die Europäische Union wenig Kompetenzen einzugreifen. Aber für die anstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen ist Europa gefordert. Natürlich muss Europa endlich verstehen, dass wir ein großer Wirtschaftsraum sind und im Wettbewerb mit den USA und China stehen. Wir müssen endlich die europäische Brille absetzen und den Blick nach außen und nicht immer nach innen richten. Warum entwickeln wir nicht eine eigene Vision einer neuen Seidenstraße? Nur wenn wir den europäischen Kleinkrieg hinter uns lassen, werden wir auch in Zukunft bestehen können. Die aktuelle Krise könnte einen wichtigen Anstoß geben, Europa neu auszurichten.

Wäre das Thema Nachhaltigkeit eine Möglichkeit eine Pionierrolle zu übernehmen?

Bosek: In diesem Thema steckt sicher einiges an Potenzial. Die Bundesregierung, die Europäische Kommission und auch viele andere europäische Staaten haben an dem Thema ein vitales Interesse. Nun müssen aber Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Nachhaltigkeit forcieren. Mit steuerlichen und regulatorischen Erleichterungen für die Banken sowie Unternehmen, die die Kapitalströme in die richtige Richtung lenken, lässt sich sehr rasch was bewegen. Aber es muss schnell passieren. Noch haben wir einen Wettbewerbsvorteil, den wir nutzen können. Das würde nicht nur unserer Wirtschaft helfen, sondern auch unseren Kontinent lebenswerter machen.