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Ausgabe #3/2020 • RE-START

SOMMERURLAUB IN DER HEIMAT IST DURCH DIE CORONA-KRISE VERSTÄRKT IN DEN FOKUS GERÜCKT UND STEHT BEI DEN ÖSTERREICHER_INNEN HOCH IM KURS. WOMIT DIE REGIONEN PUNKTEN – UND WARUM URLAUB AUF BALKONIEN DIE WIRTSCHAFT ANKURBELN KANN.

Imposante Bergkulissen, intakte Natur, türkisblaue Badeseen mit Trinkwasserqualität, ein vielseitiges kulturelles Angebot und ein hoher Qualitätsstandard bei Hotels und Pensionen sowie der regionalen Kulinarik – jene Attribute, für die Österreich in den vergangenen Jahren bei TouristInnen aus aller Welt beliebt und bekannt war, sind mittlerweile auch für die Mehrheit der ÖsterreicherInnen im Zuge der Corona-Krise ein überzeugendes Argument geworden, wenn es darum geht, den Sommerurlaub zu planen.

Denn auch, wenn derzeit mehr und mehr europäische Urlaubsländer rund um das Mittelmeer, wie Italien, Kroatien, Griechenland und Spanien, wieder besucht werden können, der Flugverkehr langsam in Gang kommt und die Maskenpflicht an vielen Orten fällt – Urlaub in Österreich ist diesen Sommer so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Dass Auslandsreisen heuer für viele Menschen gänzlich ausfallen, zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup: Trotz der Grenzöffnungen in Europa werden 60 Prozent aller ÖsterreicherInnen, die für den heurigen Sommer einen Urlaub geplant haben, diesen in der Heimat verbringen. Lediglich 28 Prozent planen eine Auszeit im Ausland. Und das, obwohl eigentlich fast doppelt so viele Menschen der Meinung sind, dass Urlaub fern der Heimat – und hier vor allem Badeurlaub am Meer – das Ferien-Ideal schlechthin sei.

OUTDOOR-LAND

Die Vorteile von Österreich als Urlaubsland – unter anderem leichte Erreichbarkeit mit Auto und Bahn, vergleichsweise geringe Anreisekosten, geringes gesundheitliches Risiko – sind bei vielen UrlauberInnen demnach stärker als der Wunsch, die Ferien in einem anderen Land zu verbringen. Die Folge: Vor allem junge Reisende und Familien entdecken Urlaub im Inland wieder für sich. Hinzu kommt: Die abnehmende Angst vor einer Corona-Infektion lässt auch das Interesse an Wellness- und Städteurlauben deutlich ansteigen. Genau hier können Österreichs Regionen punkten, weiß Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung: „Die Regionen müssen jetzt nur das verstärken, was sie schon haben, denn durch Corona hat sich das Angebot schließlich nicht verändert. Österreich ist ein zurecht beliebtes Urlaubsziel, weil es bei der Vielfalt der Angebote von See bis Berg, über Erlebnis, den Sportplatz Natur und die Kulinarik, wie kaum ein anderes Land in Europa Alternativen bietet – und das innerhalb eines einzigen Urlaubs.“ Der Freizeitforscher betont, dass diese Voraussetzungen gerade jetzt für Menschen geeignet sind, die auf Abstand Wert legen, aber auch gerne im Freien unterwegs sind. Dabei ist die kurze Anreise in die meisten Regionen auch für all jene ein gutes Argument, die noch zögern und aktuell nicht wissen, wie und wo sie ihren heurigen Sommerurlaub verbringen möchten.

EMOTIONALSTE ZEIT DES JAHRES

Nicht umsonst kommt dem Urlaub eine besondere Bedeutung zu, ist er, nach Weihnachten, doch eine der wichtigsten Phasen des Jahres, wie der Forscher weiß. Peter Zellmann sagt, dass die Corona-Krise mit ihren vielfältigen persönlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen das Leben allerdings nicht grundlegend verändert hat, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier: „Das gilt besonders für den Urlaub. Durch die aktuelle Situation verstärkt sich nur etwas. Urlaub ist nach Weihnachten die emotional verdichtetste Zeit des Jahres. Die Erwartungshaltung ist besonders hoch und es ist viel mehr Emotion als Ratio dahinter.“ Das sehe man, so Zellmann, auch am Ökologiebewusstsein – das tendenziell im Zunehmen begriffen ist. Im Urlaub hin gegen sei das bestenfalls halb so wichtig, „denn da will man in kurzer Zeit viel erleben. Das gilt natürlich nicht für alle Menschen, sondern für die Mehrheit.“

URLAUB AUF BALKONIEN

Doch nicht für alle ÖsterreicherInnen stellt sich die Urlaubsfrage heuer überhaupt: Viele mussten ihren Urlaub im Zuge der Krise schon im Vorfeld abbauen oder wurden arbeitslos, da zahlreiche Unternehmen ihren Betrieb heruntergefahren und deutlich eingeschränkt oder gleich geschlossen hatten. Andere wiederum haben als Selbstständige wirtschaftliche Einbußen erlitten. Laut der Gallup-Umfrage hinterlässt die Corona-Krise deshalb deutliche Spuren in den Budgets der erwerbstätigen Generation und der Familien. Demnach ist der Hauptgrund, heuer ganz auf den Urlaub zu verzichten, ein finanzieller, ausgelöst durch Kurzarbeit und Kündigungen. Rund 40 Prozent der Haushalte haben, wenngleich die Reiselust nach Österreich oder ins Ausland ungebrochen ist, weniger Geld zur Verfügung, wie Zellmann sagt. 


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„URLAUB IST NACH WEIHNACHTEN DIE EMOTIONAL 
VERDICHTETSTE ZEIT DES JAHRES.“

Peter Zellmann, Freizeitforscher
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Der Experte sieht jedoch auch durch die „Nicht-Verreiser“ eine Chance für die heimische Wirtschaft wie regionale Restaurants und Freizeiteinrichtungen. Er erinnert daran, dass „Balkonien“ schon immer eine der meistbesuchten Destinationen war. Ein Trend, der sich heuer noch verstärken werde: „Das hat schon vor Corona jedes Jahr ein bisschen zugenommen – und nicht aus finanziellen Gründen. Denn immerhin leben wir alle in einem Land, in dem andere Urlaub machen, das gilt selbst für Wien: An jedem Standort in Österreich bietet unser Umfeld dermaßen viel, dass man auch zuhause ein umfassendes Freizeit-, Kulturund Kulinarik-Angebot vorfindet.“ Eine Tatsache, die die meisten Menschen nicht als Verlust an Lebensqualität empfinden, sondern als Alternative, die das eine oder andere Mal durchaus ins Auge gefasst wird. Zellmann: „Es wird eine Verschiebung stattfinden: hin zu jenen Bereichen, die darunter gelitten haben, dass die Menschen wegfahren. Diese Bereiche werden im Zweifelsfall die kleinen Gewinner der großen Corona-Krise sein.“