Sparkassen Zeitung

Economy

Sparsamkeit ist ein Glücksbringer

Ausgabe #5 November/2020 • SPARSAMKEIT

DER GLÜCKS- UND PENSIONSEXPERTE BERND RAFFELHÜSCHEN SPRICHT IM INTERVIEW ÜBER DIE TIEFERE MOTIVATION HINTER DEM SPAREN UND WANN AUCH KONSUMVERZICHT GLÜCKLICH MACHEN KANN

Als Finanzexperte und zugleich Glücksforscher kennen Sie das Verhalten der Sparerinnen und Sparer sowohl von der ökonomischen als auch von der psychologischen Seite. Was sagen die Daten: Sind Sparerinnen und Sparer glückliche Menschen oder eher ängstliche Spießerinnen oder Spießer?

Bernd Raffelhüschen: Sparen kann durchaus zum Glück beitragen und zwar nicht unerheblich. Wir konnten anhand umfangreicher Daten zeigen, dass Haushaltsmitglieder mit Ersparnissen gegenüber Haushalten, die keine Ersparnisse haben, um 0,33 Punkte zufriedener mit ihrem Leben sind (auf einer Skala von 0 = „überhaupt nicht zufrieden“ bis 10 = „vollkommen zufrieden“). Damit Sie sich über die Zahl 0,33 eine Vorstellung machen können: Eine durchschnittliche Gehaltserhöhung hebt die Zufriedenheit um 0,15 Punkte. Sparsamkeit ist also ein Glücksbringer. Gegenüber Haushalten, die spürbare Schulden angehäuft haben, sind die Sparer-Haushalte sogar um 0,62 Punkte glücklicher. Finanzielle Sorgen sind generell ein starker Unglücksfaktor.

Wir müssen uns also die schwäbische Hausfrau als glücklichen Menschen vorstellen?

Raffelhüschen: Zumindest was den Faktor Sparen betrifft: Ja. Geiz und Überkorrektheit, die der schwäbischen Hausfrau auch nachgesagt werden, dürften ihre Glücksbilanz dann wieder eher schmälern. Es kommt insgesamt auf einen vernünftigen Umgang mit dem Geld an. So machen Schulden nicht per se unglücklich: Wer weiß, dass er seine Kredite bedienen kann, dessen Lebenszufriedenheit leidet nicht unter den Schulden. Die Daten zeigen außerdem, dass finanzielle Rücklagen deutlich glücklicher machen als ein neues Auto oder neue Möbel. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Lebensstandard hängt somit nicht nur vom Anhäufen von materiellen Dingen ab, sondern auch von der Sicherheit, im Notfall einigermaßen abgesichert zu sein.

Ist somit Sicherheit das Hauptmotiv hinter dem Sparen?

Raffelhüschen: Sicherheit ist ein Faktor. Darüber hinaus möchten Menschen weitestgehend die Kontrolle über ihr Leben und sich selbst behalten – auch im Alter, und Ersparnisse tragen dazu bei. Und dann ist da noch der Altruismus, denn Menschen mit Kindern wollen immer, dass die es mal besser haben. Für all dies bedarf es einer finanziellen Autonomie, die eigentlich alle Menschen anstreben. Dies gelingt nicht allen, aber vielen.

Das Sparen wird seit einiger Zeit immer attraktiver. Liegt das daran, dass die Menschen vom Konsum übersättigt sind oder sorgen sie eher für den Notfall vor?

Raffelhüschen: Wir sparen zwar etwas mehr als früher, aber parallel nehmen auch die Konsumausgaben zu. Einen absoluten Sättigungspunkt, an dem wir aufhören zu konsumieren, gibt es nicht. Dafür sorgt zum einen ein wachsendes Angebot von immer neuen Konsummöglichkeiten, zum anderen bewirkt der Statuswettbewerb, dass viele Menschen ihre Ansprüche erhöhen, um ihren Status zu behalten oder zu heben.

Aus dieser Tretmühle würde doch die Philosophie „weniger ist mehr“ einen Ausweg bieten?

Raffelhüschen: Grundsätzlich schon, und Sparen ist dabei ein wichtiger Faktor. Wer nicht jedem Konsumimpuls nachgibt und mit fünf prallgefüllten Einkaufstüten aus dem Bekleidungsgeschäft herauskommt, der behält mehr Kontrolle über sein Leben. Das Ansparen für Konsumprodukte, die einem wichtig sind, ist sicherlich mehr autonomiefördernd …

… aber für Konsumverzicht plädieren Sie nicht?

Raffelhüschen: Grundsätzlich ist Konsum erst einmal glücksfördernd und Konsumverzicht damit glückshemmend. Die Formel „lieber reich, gesund und jung als arm, krank und alt“ wird durch die Glücksforschung aller Romantik zum Trotz eindrucksvoll bestätigt. Wir sollten aber die Differenzierungen nicht übersehen: Bescheidenheit kann dann glücklich machen, wenn das bewusst geschieht. Manche Zufriedenheitsforscher meinen, dass eine Befreiung vom Überfluss einen Glücksschub bewirkt. Wer sich aus einer gefühlten Fremdbestimmung durch Konsum befreit und folglich selbstbestimmter lebt, ist in seinem Leben glücklicher. Diese Menschen treffen ihre Entscheidungen freier und sind weniger Getriebene der „hedonistic treadmill“ oder des Statuswettbewerbs. Dazu müssen sie allerdings diesen Lebensstil „pflegen“, das heißt ihr Image eines „voluntary simplifiers“ nach außen tragen. Glücksverstärkend kommt hinzu, dass ein genügsamerer Konsum die finanziellen Ressourcen schont und so zusätzliche Sicherheit bringt, gerade auch für Einkommensschwächere. Deshalb ist dieser Lebensstil auch bei den Millennials so beliebt.