Sparkassen Zeitung

Economy

In jeder Marktsituation gibt es Möglichkeiten Wohlstand aufzubauen

Ausgabe #5 November/2020 • SPARSAMKEIT

GERHARD FABISCH, PRÄSIDENT DES ÖSTERREICHISCHEN SPARKASSENVERBANDES UND VORSTANDSVORSITZENDER STEIERMÄRKISCHE SPARKASSE, ÜBER REGIONALBANKEN ALS IMPULSGEBER, ÜBERREGULIERUNG IM WERTPAPIERMARKT UND DIE ZUNEHMENDE DIGITALISIERUNG DES BANKGESCHÄFTES.

Wie wichtig waren und sind Regionalbanken in den vergangenen Pandemie-Monaten gewesen?

Gerhard Fabisch: Es war ein deutliches Zeichen, dass wir als Systemerhalter definiert worden sind. Aber nachdem wir als Regionalbanken einen sehr persönlichen Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden haben, konnten wir wesentlich zur Beruhigung beitragen. Die Menschen brauchen in solchen Situationen einen festen Anker und diesen können wir bieten. Wir stehen unseren Kundinnen und Kunden zur Seite, signalisieren Verständnis und suchen gemeinsam nach Überbrückungslösungen.

Wie haben Sie den Kundinnen und Kunden in den vergangenen Monaten geholfen?

Fabisch: Im Privatkundengeschäft ist bis heute das Thema Stundungen vorherrschend und hier hat die Sparkassengruppe bereits in den vergangenen Monaten ein Volumen von über 390 Millionen Euro gestundet. Darüber hinaus haben wir auch ein Volumen von fast 1,2 Milliarden Euro als Überbrückungskredite mit Staatsgarantien vergeben. Hier haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich eine Herkulesaufgabe bewältigt. Das gelang und gelingt uns nur mit maximalem Einsatz.

Wie wichtig sind die Regionalbanken als Impulsgeber in den Regionen?

Fabisch: Als Regionalbank haben wir ein natürliches Interesse daran, dass sich eine Region gut entwickelt, denn dann entwickelt sich auch die Regionalbank gut. Steigt der Lebensstandard der Kundinnen und Kunden, dann können auch mehr Bankprodukte verkauft werden. Wir sind keine Politikerinnen und Politiker, die Rahmenbedingungen schaffen, aber wir können unseren Beitrag leisten, indem wir Perspektiven und Finanzierungen anbieten und darauf schauen, dass sich Infrastruktur entwickelt.

Aber gerade bei den Regionalbanken gibt es immer wieder auch schwarze Schafe, wie etwa die Commerzialbank, die eine Region ins Unglück stürzen können.

Fabisch: Die Commerzialbank ist ein bedauerliches Beispiel. Sie war eine kleine, in einer Region tätige Bank, die mit sehr viel krimineller Energie gearbeitet hat. Leider ein sehr trauriger Einzelfall, der aber nicht zu dem Schluss verleiten darf, dass alle kleineren Banken so sind. Wir als Sparkassen sind auch Regionalbanken, aber – und das ist der große Unterschied – in einen Verbund eingebettet, wo es ein genaues und wechselseitiges Beobachten und verschiedenste Sicherheitsmechanismen gibt. Denn verhielte sich nur ein Mitglied unserer Gruppe nicht korrekt, hätten wir als Sparkassengruppe insgesamt einen Schaden. Deshalb durchlaufen bei uns etwa alle angehenden AufsichtsrätInnen ein maßgeschneidertes Schulungsprogramm und sind einem Prüfungsverfahren direkt durch die EZB unterworfen.

Die EU betont immer wieder die Wichtigkeit vom Europa der Regionen. Sind die Regionalbanken ein wichtiger Faktor gerade in diesem Europa der Regionen?

Fabisch: Europa ist unter anderem deswegen ein besonders lebenswerter Raum, weil wir Regionen haben, die eine gewisse Eigenständigkeit und Unterschiedlichkeit zeigen. Diese große Vielfalt macht einen wichtigen Teil unseres Lebensgefühls aus. Daher müssen wir den Regionen auch in den jeweiligen Institutionen einen wichtigen Platz einräumen. Manche Dinge, wie etwa das Telekom- oder Stromnetz oder Teile des Bankwesens, müssen regionsunabhängig funktionieren. Aber es braucht auch Landesregierungen, Gemeinden oder Regionalbanken, die sich um die Dinge vor Ort kümmern. Leider wird auf diesen Unterschied in verschiedenen Bereichen oft vergessen.

Sie beziehen sich hier auf die Regulatorik?

Fabisch: Ja, aber nicht nur. Natürlich ist es für einen Regulator einfacher, wenn er zum Beispiel nur ein Bankmodell hat, das kontrolliert werden muss. Aus Sicht der Aufsicht ist das effizienter, aber sicherer ist es nicht. Denn setzen wir europaweit nur auf ein Bankmodell und das kommt ins Strudeln, haben wir ein Problem. Viele verschiedene Banktypen sind also auch ein wichtiger Faktor in der Risikostreuung. Natürlich ist das aufwendiger auch für die Aufsicht, aber es macht uns insgesamt resilienter.

Wird die Unterscheidung Großbank oder Regionalbank in Österreich beziehungsweise Europa nicht gemacht?

Fabisch: Leider zuwenig, denn in Europa hat man sich dafür entschieden, dass zum Beispiel die Basel-Regelungen nicht so wie in den USA nur für die Großbanken wirksam werden, sondern für alle Banken. In Europa haben die Großbanken eine Wettbewerbsverzerrung befürchtet und sich für einheitliche Regelungen stark gemacht. Heute führt das leider dazu, dass wir Sparkassen im Verhältnis zum Geschäftsvolumen höhere Kosten haben. Interessant ist, dass sich dieses Basel-Problem in den USA nicht ergeben hat. Dort gilt das für die wirklich großen Banken und die Regionalbanken sind davon ausgenommen.

Ist die aktuelle Ausnahmesituation eine Chance für die Sparkassen, Marktanteile gutzumachen und zu expandieren?

Fabisch: Wir konnten natürlich zahlreiche Neukundinnen und Neukunden dazugewinnen, weil der Wert regionaler Banken auch von den Menschen erkannt wird, aber bis sich das spürbar in den Zahlen niederschlägt, braucht es Jahre. Die Zeit, die vor uns liegt, wird allerdings noch deutlicher zeigen, wie wichtig ein nachhaltiges, stabiles Geschäftsmodell ist. Es kommen schwierige Zeiten auf uns zu und ich gehe auch davon aus, dass sich der Bankenmarkt in Österreich konsolidieren wird. Die Krise ist also für uns eine Chance, denn sie macht unsere Stabilität und Leistungsfähigkeit sichtbarer.

Ein zentrales Sparkassenthema ist ja „Wohlstand für alle“. Ist das angesichts der niedrigen Zinsen noch machbar?

Fabisch: Es gibt in jeder Marktsituation Möglichkeiten Wohlstand aufzubauen. Wir haben in Österreich eine stark ausgeprägte Kultur des Sparbuchsparens. Nun haben wir als Banken die Aufgabe, die Kundinnen und Kunden an das Thema Wertpapier-Anlage heranzuführen, denn das ist derzeit die einzige Möglichkeit, Wohlstand aufzubauen. Aktuell nutzen nur rund fünfzehn Prozent der Österreicherinnen und Österreicher Wertpapiere in der Geldanlage. Hätten die Österreicherinnen und Österreicher in den letzten fünf Jahren nur zehn Prozent jenes Volumens, das derzeit auf Sparbüchern liegt, in Aktien investiert, wären sie insgesamt um sieben Milliarden Euro reicher.


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„WIR MÜSSEN DIE FINANZBILDUNG IN ÖSTERREICH VERSTÄRKEN. NOCH IMMER GIBT
ES ZU WENIG WISSEN, WAS WERTPAPIERE WIRKLICH LEISTEN KÖNNEN.“

Gerhard Fabisch,
Präsident des Österreichischen Sparkassenverbandes
und Vorstandsvorsitzender Steiermärkische Sparkasse

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Woran liegt es, dass die Österreicherinnen und Österreicher beim Thema Wertpapiere so zurückhaltend sind?

Fabisch: Einerseits müssen wir die Finanzbildung in Österreich verstärken. Noch immer gibt es zu wenig Wissen, was Wertpapiere wirklich leisten können. Hier haben wir noch viel Arbeit vor uns, die zahlreichen Vorurteile gegenüber Wertpapieren auszuräumen. Aber gleichzeitig brauchen wir auf europäischer Ebene Erleichterungen in der Wertpapierberatung für klassische Retail-Kundinnen und -Kunden. Will eine Kundin oder ein Kunde wirklich Wertpapiere bei uns kaufen, muss sie oder er heute Erläuterungen über sich ergehen lassen sowie unzählige Formulare ausfüllen, und letztendlich wird die Kundin oder der Kunde dadurch nicht besser geschützt, sondern durch die Flut an Regularien, Erklärungen und Formularen schlichtweg überfordert. Diese Barrieren müssen heruntergesetzt werden, damit den Menschen wieder die Möglichkeit zu Wertpapiergeschäften und damit einem Vermögensaufbau gegeben wird.

Sind Wertpapiere in einer Börsenlage, wie wir sie derzeit erleben, nicht mit erheblichen Risiken behaftet?

Fabisch: Natürlich ist das Risiko bei Wertpapieren höher als am Sparbuch, aber auch die Ertragschancen. Zudem lassen sich Risiken managen, ohne dass man ein großer Finanzingenieur ist. Im Grunde muss man nur auf eine breite Streuung achten und einen langen Anlagehorizont wählen. Zudem sollte man nicht alles auf einmal investieren, sondern das Investment zum Beispiel mit einem Sparplan über einen längeren Zeithorizont strecken. Befolgt man diese Grundregeln, kann schon nicht mehr viel passieren. Was aber auf jeden Fall keinen Sinn macht, ist, große Summen auf einem Sparbuch über Zeiträume von zehn und mehr Jahren zu parken. Hier ist angesichts der niedrigen Zinsen ein Verlust aufgrund der Geldentwertung garantiert. Aber unsere topausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen hier unseren Kundinnen und Kunden jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

Wären Steuererleichterungen sinnvoll?

Fabisch: Steuerliche Anreize wie etwa KESt-Freibeträge für kleinere Anlagesummen wären sehr sinnvoll und damit würde man sicher eine erste Hürde abbauen. Aber derzeit bleibt wirklich abzuwarten, ob angesichts der aktuellen Staatsausgaben aufgrund der Corona-Krise in den nächsten Jahren mit einem Abbau von Steuern gerechnet werden kann. Das Geld, das heute für die Hilfspakete ausgegeben wird, muss ja irgendwann mal wieder in die Staatskasse fließen.

Angesichts der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation gewinnt auch eine alte Tugend, die Sparsamkeit, wieder an Boden. Sind wir zurück im Spießertum der Nachkriegsjahre?

Fabisch: Es ist verständlich, dass die Sparquote in Österreich wieder steigt. Das wirtschaftliche Umfeld ist unsicher und die Menschen legen sich als Reserve wieder etwas auf die hohe Kante. Aber Sparsamkeit ist im Grunde ein sehr moderner Begriff. Die letzten Jahre reden wir sehr viel über Umweltschutz und Ressourcenschonung, und Sparsamkeit leistet hier einen wichtigen Beitrag. Weniger Lebensmittel wegzuwerfen, Altgeräte zu reparieren oder auch nicht jedem Modetrend blind zu folgen schont nicht nur unsere Umwelt, sondern hilft auch das Geld zusammenzuhalten. Deshalb feiern wir auch weiterhin den Weltspartag.

Welche Trends werden in den nächsten Jahren das Banking bestimmen?

Fabisch: Mit Sicherheit wird die Digitalisierung in den nächsten Jahren eine noch wichtigere Rolle spielen. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben gezeigt, dass es ohne Digitalisierung nicht mehr geht, und unsere Gruppe hat hier schon seit Jahren mit den unterschiedlichsten Initiativen die Nase vorn. Ohne persönlichen Kontakt konnten die Bürgerinnen und Bürger die Geldgeschäfte erledigen und unser Internetbanking George, aber auch unsere Angebote für kontaktloses Bezahlen haben hier ihre Stärken ausgespielt. Die Digitalisierung hat auch in der Administration der Bank deutlich zugenommen und zahlreiche Prozesse konnten dadurch optimiert werden. Doch eines wollen wir dabei nicht vergessen: Geldgeschäfte haben auch viel mit Emotion zu tun, und deshalb werden wir auch in Zukunft einen großen Schwerpunkt auf die persönliche Betreuung unserer Kundinnen und Kunden legen. Auch das hat uns die Coronakrise gezeigt.

Welchen Bereichen will sich die Sparkassengruppe in den nächsten Jahren verstärkt widmen?

Fabisch: Ganz oben auf der Agenda steht ein verstärkter Ausbau der George-Services. Wir bieten heute unseren Kundinnen und Kunden schon sehr viel auf der Plattform, aber wir werden weitere Produkte, wie etwa Versicherungen sowie andere Services, integrieren. Auch das kontaktlose Bezahlen wird einen weiteren Ausbau erfahren und hier gibt es viele neue technische Möglichkeiten, die wir noch lange nicht ausgereizt haben.

Darüber hinaus wird die Digitalisierung des Wertpapiergeschäftes weiter fortgeführt. Mit dem Invest-Manager haben wir schon ein sehr gutes Tool für eine automatisierte Vermögensverwaltung für kleinere Anlagesummen, aber beim Thema Robo-Advisory stehen wir erst am Anfang der Entwicklung. Ganz wichtig ist uns als Erste Bank und Sparkasse bei allen Entwicklungen: Im Zentrum stehen immer die Kundinnen und die Kunden, und daran wird sich auch die nächsten 100 Jahre nichts ändern.