Sparkassen Zeitung

Economy

Insight Brüssel

Ausgabe #5 November/2020 • SPARSAMKEIT

Immer am Puls des europapolitischen Geschehens: Die Vertretung des österreichischen Sparkassenverbandes in Brüssel ist live vor Ort, um stets über wichtige Entscheidungen, Entwicklungen und Erfolge auf EU-Ebene informieren zu können.

COVID-19: SOZIALES BANKWESEN IM EU-RECHT VERANKERN

Nicht nur die gesundheitlichen, auch die ökonomischen Folgewirkungen der Covid-19-Krise stellen uns alle vor große Herausforderungen. Der unermüdliche Einsatz von Erste Bank und Sparkassen, ihren Privat- und UnternehmenskundInnen in Notlagen zu helfen, ist beispielhaft. Die nationalen und EU-weiten Maßnahmen sind ebenso außergewöhnlich wie die Krise selbst. Den Prognosen zufolge wird sich im Herbst die wirtschaftliche Situation vieler Haushalte und Unternehmen weiter verschlechtern.

Aufgrund der Gemeinwohlorientierung der heimischen Sparkassen tritt der Österreichische Sparkassenverband (ÖSPV) vehement dafür ein, dass neben Ökologie und Ökonomie auch die dritte Dimension von Nachhaltigkeit – nämlich Soziales – ihren Platz im EU-Rechtsrahmen findet. Spezialinstitute, wie die Zweite Sparkasse, dürfen zum Beispiel im Rahmen der kommenden Überarbeitung der Zahlungskonto-Richtlinie, die das Recht auf ein Basiskonto eingeführt hat, nicht in ihrer Funktionsweise gestört werden. Während des Besuchs von EU-Parlamentarier Engin Eroglu am Erste Campus wurde vertiefend erläutert, warum es wichtig ist, den Zugang zu einem Basiskonto mit der Empfehlung einer Partnerorganisation zu verknüpfen. Auch in Hinblick auf das Thema Kreditvergabe ist der Sparkassenverband im intensiven Austausch mit der EU-Kommission, um die anstehenden Legislativvorschläge zum Bereich Bonitätsprüfung nicht zu starr werden zu lassen. Es müssen Bewertungsmodelle möglich bleiben, die VerbraucherInnen und Unternehmen auch in unsicheren Zeiten nicht gänzlich vom Zugang zu Finanzierungen abschneiden.Wenn man von nachhaltigem Finanzwesen spricht, muss man auch von Social Banking sprechen. Gerade in turbulenten Zeiten ist es wichtig, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten und somit einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Inklusion zu leisten. Die Sparkassen-Forderungen an die EU-EntscheidungsträgerInnen beinhalten daher unter anderem die rasche Entwicklung einer „Sozialen Taxonomie“ sowie die Förderung des Sozialen Bankwesens im EU-Recht.

Von links: Franz Portisch (ÖSPV), Engin Eroglu (MdEP)
und Brigitte Guttmann (Zweite Sparkasse) diskutieren
darüber, wie Soziales Bankwesen mit dem EU-Recht
in Einklang gebracht werden kann.

NEUE EU-KREDITRICHTLINIEN IN VORBEREITUNG

Im Auftrag der EU-Kommission sind Beratungsunternehmen momentan damit beschäftigt, die Wirksamkeit der Konsum- und der Wohnkredit-Richtlinie zu überprüfen. Der ÖSPV hatte bereits die Gelegenheit, die Sparkassengruppe im Rahmen einer Analysephase zu vertreten. Die Schwerpunkte der Überprüfung richten sich auf folgende Fragen: Muss die EU für eine weitere Angleichung der gesetzlichen Bestimmungen, also Harmonisierung, sorgen? Ist der geltende Rahmen noch passend für den digitalen Vertriebskanal? Sind neue Bestimmungen erforderlich, die die negativen Auswirkungen außergewöhnlicher Umstände regeln? Und, jedenfalls was die Wohnkredite anbelangt, sind neue Bestimmungen nötig, um die Finanzierung, etwa thermischer Sanierungen, zu fördern? Der ÖSPV hat eine klare Position, was die Neuauflage der Kreditrichtlinien anbelangt. Grundsätzlich ist die Funktionsweise gegeben und kein Änderungsbedarf vorhanden. Die Vorlage neuer Änderungsrichtlinien, die laut den geltenden Bestimmungen längst überfällig ist, wurde daher über Jahre verzögert. Besonders aufgrund der Digitalisierung werden Änderungen mittlerweile jedoch als unerlässlich angesehen. Positiv ist daher, dass die Informationsflut reduziert werden soll, damit Werbung, vorvertragliche und vertragliche Informationen auch leicht verdaulich auf dem Handy-Display konsumiert werden können. Eine angedachte unionsweite Vereinheitlichung der Kreditwürdigkeitsprüfung sieht der Verband aber sehr kritisch.

Proportionalität und Subsidiarität sind hier sehr wichtig, damit das lokale Expertenwissen gebührend in die Bonitätsbewertung einfließen kann. Außergewöhnliche Ereignisse sind von Natur aus nicht planbar. Statt mögliche Extremfälle, die während der Kreditlaufzeit eintreten können, zu regeln, sind anlassbezogene Initiativen zielführender.

Die Kommission wird in den nächsten Monaten die Analysen der Beratungsunternehmen und die Antworten der MarktteilnehmerInnen auf Konsultationen auswerten. Änderungen an den Kreditrichtlinien sollen 2021 vorgelegt werden.