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Spektrum Sparkasse

Ausgabe #1 März/2021 • LUST AUFS LAND

IMMER AM PULS DER ZEIT: DER ÖSTERREICHISCHE SPARKASSENVERBAND IST DRAN AN DEN WICHTIGSTEN THEMEN, DIE UNSERE GRUPPE BESCHÄFTIGEN, UM STETS ÜBER WESENTLICHE ENTSCHEIDUNGEN, ENTWICKLUNGEN UND ERFOLGE INFORMIEREN ZU KÖNNEN. HIER SIND DIE BRANDAKTUELLEN THEMEN AUS DEM SPEKTRUM SPARKASSE.

JAGD AUF NACHHALTIGKEITSRISIKEN
Als Ursula von der Leyen kurz nach ihrer Ernennung zur ersten Präsidentin der EU-Kommission ihren Neuen Grünen Deal vorstellte, hallte eine klare Botschaft durch die ganze EU: Nachhaltigkeit wird in jede Pore der EU-Gesetzgebung dringen. Und es wurde nicht zu viel versprochen: Nachdem schon einige europäische und nationale Institutionen, darunter die Europäische Zentralbank, die österreichische FMA und die deutsche BaFin, ihre Überlegungen zu Nachhaltigkeit und Umweltrisiken im Bankengeschäft veröffentlicht haben, schließt sich ihnen nun auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit einem Diskussionspapier an.

Der große Mehrwert dieses Papiers liegt in der erstmaligen Definition von ESG-Faktoren und -Risiken. Bei ESG-Faktoren handelt es sich um Umwelt-, Sozial- und Governance-Charakteristiken, die einen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit von Kreditinstituten haben könnten. ESG-Risiken stellen hier den negativen finanziellen Ausdruck dieser Faktoren dar. Im Diskussionspapier erläutert die EBA, wie ESG-Risiken ins Risikomanagement und darüber hinaus auch ins aufsichtsrechtliche Rahmenwerk integriert werden könnten. Der Fokus liegt dabei auf Risiken, denen Institute durch die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf ihre KundInnen ausgesetzt sind. Somit werden Kreditinstitute künftig sicherstellen müssen, dass ESG-bezogene Risiken entsprechend identifiziert, gesteuert und überwacht werden sowie auch in den Geschäftsstrategien und Governance-Regelungen widergespiegelt werden.

Zum EBA-Diskussionspapier wird noch konsultiert und der Sparkassenverband stellt sicher, dass die Stimme der österreichischen Sparkassen in der EU gehört wird. Als Teil dieser Bemühungen soll nun eine klare Botschaft an die EU-Institutionen gehen: Grüne, nachhaltige Finanzierungen müssen unterstützt, aber auch durch gemäßigte und angebrachte Regulierungen ermöglicht werden. Und zwar mit der Prämisse, dass Qualität vor Quantität gestellt werden muss und eine proportionale Herangehensweise in der Regulierung implementiert wird.

Familie Woerle
Der Ausfall von Dividendenausschüttungen hat einschneidende
Folgen für die Gemeinwohlorientierung der Sparkassen.
Foto: Pixabay

VERBRAUCHERPOLITIK – EU SETZTE NEUE BERATUNGSGRUPPE EIN
Im November 2020 präsentierte die EU-Kommission ihre neue Verbraucherstrategie. Darin enthalten sind 22 legislative und nicht-legislative Maßnahmen, die das EU-Verbraucherrecht modernisieren sollen. Auch Rechtsakte, die Verbraucherrechte im Finanzdienstleistungsbereich betreffen, sind in der EU-Verbraucherstrategie enthalten. Bei der Überprüfung bestehender Rechtsakte oder der Erarbeitung neuer Maßnahmen soll die neue Beratungsgruppe die Kommission unterstützen. Sie soll VertreterInnen von Verbraucherorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Industrie zusammenbringen, um die Umsetzung der Verbraucheragenda voranzutreiben.

Die neue EU-Verbraucherstrategie und auch die neue Beratungsgruppe befassen sich mit den unmittelbaren Herausforderungen für die europäischen VerbraucherInnen, die sich aus der Covid-19-Pandemie ergeben, sowie mit längerfristigen Fragestellungen in fünf übergreifenden Schwerpunktbereichen: dem grünen Wandel, der digitalen Transformation, der Durchsetzung des EU-Rechts, dem Umgang mit anfälligen Verbrauchergruppen sowie der internationalen Zusammenarbeit im Verbraucherchutzbereich. Der digitale Wandel und die Gefährdung schutzbedürftiger VerbraucherInnen sind die wichtigsten Bereiche, zu denen die Beratergruppe Beiträge an die Kommission liefern wird. Hier wird sich die Beratergruppe u.a. mit der Entwicklung eines EU-Systems für die elektronische Identität (E-ID), einem Rechtsakt über künstliche Intelligenz (KI) und dem Paket der Kommission zur Digitalisierung des Finanzsektors befassen. Um benachteiligten Verbrauchergruppen zu helfen, wird die Beratergruppe inter alia an einem strategischen Ansatz zur Verbesserung des Verbraucherbewusstseins sowie an den geeigneten Mitteln zur Bekämpfung der Überschuldung von VerbraucherInnen, einschließlich des Schuldenerlasses, arbeiten.

EZB-DIVIDENDENAUSSCHÜTTUNGSVERBOT
Unmittelbar zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 erging seitens der EZB erstmals eine formale aufsichtsbehördliche Empfehlung, von einer Ausschüttung von Dividenden und Aktienrückkäufen bis mindestens September 2020 abzusehen. Um sicherzustellen, dass die Kreditwirtschaft auch in Krisenzeiten Verluste abfedern und ihre zentrale Rolle in der Finanzierung von Privaten und Unternehmen erfüllen kann, sollten die Gewinne in den Instituten zurückbehalten werden. Auch die Auszahlung variabler Vergütungen wurde von der EZB als kritisch angesehen. Viele Banken in Europa konnten dieser Einschränkung nur wenig abgewinnen, denn ohne Dividendenzahlungen seien sie für internationale Investoren nicht mehr attraktiv, wurde wiederholt betont.

Die Sparkassen und ihre Eigentümer, die Sparkassen-Stiftungen und Anteilsverwaltungssparkassen, stellte diese Vorgabe der Aufsicht aus anderen Gründen vor eine ausgesprochen schwierige Situation: Sparkassen wie auch Sparkassen-Privatstiftungen sind seit jeher dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie nützen einen nicht unbeträchtlichen Prozentsatz ihrer Dividendenerträge, um gemeinnützige, regionale Projekte zu fördern. Diese Gemeinwohlorientierung ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Vergleich zur sonst üblichen Aktionärsstruktur im Bankensektor. So setzen sich die Sparkassen und ihre Eigentümer seit vielen Jahren nachhaltig für die Gesellschaft in ihrer Region ein und unterstützen dort viele gemeinnützige Organisationen sowie das soziale, kulturelle und sportliche Geschehen vor Ort. Dividendenausschüttungen kommen also unmittelbar den BürgerInnen einer ganzen Region zugute. Gleichzeitig vertrauen die begünstigten Organisationen auf die oft langjährigen Kooperationen und deren Fortführung. So entstand durch die aufsichtsbehördliche Einschränkung im letzten Jahr klarerweise große Sorge über die Finanzierbarkeit von lokalen Projekten. Darüber hinaus gab es aufgrund der Pandemie zahlreiche wichtige und unterstützenswerte Initiativen, um den von der Corona-Krise besonders betroffenen Menschen beistehen zu können. Umso bedauerlicher war es für die Sparkassen und Sparkassen-Stiftungen, gerade in dieser außergewöhnlichen Situation aufgrund der aufsichtsrechtlichen Einschränkungen ihrem Engagement für die Region nicht in der üblichen Weise nachkommen zu können.

Eine gute Nachricht ist dann kurz vor Weihnachten 2020 eingetroffen: Die EZB hat den in der Corona-Krise verhängten Dividendenstopp für Banken mit solider Kapitalbasis zumindest ein wenig gelockert. Nach den neuen Vorgaben dürfen Ausschüttungen oder Rückkäufe bis zu 15 Prozent der zusammengefassten Gewinne der Jahre 2019 und 2020 bzw. weniger als 0,2 Prozentpunkte der jeweiligen harten Kernkapitalquote ausmachen. Im Interesse der Sparkassen und der regionalen Organisationen konnten im Rahmen eines Dialogs mit der EZB im Jänner 2021 noch die letzten Details geklärt und konnte die letzte nötige Zustimmung zu möglichen Ausschüttungshöchstbeträgen eingeholt werden. Einer Beschlussfassung in den Hauptversammlungen über die, wenn auch limitierten, Dividendenzahlungen steht nun nichts mehr im Wege.