Sparkassen Zeitung

Economy

Österreich ist ein Land voller Chancen - nutzen wir sie

Ausgabe #2 Mai/2021 • RESILIENZ

GERDA HOLZINGER-BURGSTALLER, CEO DER ERSTE BANK OESTERREICH, SPRICHT IM INTERVIEW ÜBER DIE ERSTEN 100 TAGE ALS CEO, DAS COMEBACK DER WIRTSCHAFT UND GROSSE ZIELE IN DEN NÄCHSTEN JAHREN

Mitten in der Pandemie und der Wirtschaftskrise wurden Sie mit 1. Jänner 2021 Vorstandschefin der Erste Bank Oesterreich. Ist das nicht eine besondere Herausforderung?

Gerda Holzinger-Burgstaller: Die ersten 100 Tage habe ich schon mal gut überstanden, aber natürlich waren die letzten Monate eine sehr spezielle Situation. Einerseits ist die Pandemie eine extreme Herausforderung und man trägt viel Verantwortung, andererseits kann man in dieser Position sehr viel bewegen. Ich glaube daran, dass wir als Sparkassengruppe die Gesellschaft positiv verändern können. Wir müssen Positives möglich machen und Verantwortung übernehmen.

Sie sind ehemalige Risikomanagerin. Ist für Sie die Krise eine Art Heimspiel?

Holzinger-Burgstaller: Eine Pandemie ist für niemanden ein Heimspiel. Aber natürlich hat man als Risikomanagerin ein gutes Rüstzeug für Krisen. Zudem habe ich schon Krisen durchlebt, wie etwa die Finanzkrise 2008 und die Eurokrise 2011, und dabei wertvolle Erfahrungen in der Bank gesammelt.

Die heimischen Banken konnten in der Krise zeigen, wie wichtig sie für den Systemerhalt sind.

Holzinger-Burgstaller: Eines wurde in dieser Gesundheitskrise mit Sicherheit klar: Wir sind Teil der Lösung, über uns wurden bereits viele staatliche Unterstützungsmaßnahmen abgewickelt. Das haben unsere Kundinnen und Kunden und die handelnden Vertreterinnen und Vertreter der Republik erkannt. Damit sind wir ein zentraler Faktor dafür, unsere Wirtschaft am Laufen zu halten. Übrigens hat sich das auch in den Zahlen niedergeschlagen: Erste Bank und Sparkassen gewinnen pro Jahr im Schnitt um die 220.000 Kundinnen und Kunden dazu, 2020 konnte in einigen Häusern der langjährige Schnitt sogar deutlich übertroffen werden.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der Sparkassengruppe in der Krise?

Holzinger-Burgstaller: Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle, aber in Summe stimmt unser Gesamtpaket. Wir bieten neben den Filialen und der tiefen regionalen Verwurzelung mit George ein ausgezeichnetes Online-Angebot, das wir jetzt um weitere Tools wie eine Betreuung via Video-Call erweitert haben. Zusätzlich zu unserer qualitativ hochwertigen Beratung ist ein wichtiges Asset unsere sehr starke Marke.

Was macht die Marke so stark?

Holzinger-Burgstaller: Die Erste Bank und Sparkassen gibt es bereits seit 200 Jahren. Seit der Gründung verfolgen wir konsequent die Idee, Wohlstand für alle zu schaffen. Es sind unsere klare Positionierung, der visionäre Gründungsauftrag sowie unsere Innovationsbereitschaft, die unsere Kundinnen und Kunden zu schätzen wissen und die wir mit unserem Angebot glaubhaft vertreten. Nicht zuletzt führt das alles dazu, dass wir uns über ein stetiges Kundenwachstum freuen dürfen.

Das heißt, dass auch die Erste Bank Oesterreich bisher gut durch die Krise gekommen ist?

Holzinger-Burgstaller: Der Erste Bank Oesterreich ist es im schwierigen Jahr 2020 gelungen, die Betriebserträge zu steigern. Wir haben besser als 2019 abgeschnitten, was auch daran liegt, dass wir die Kosten deutlich senken konnten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Was wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen, ist, dass die Risikokosten 2020 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen sind. Angesichts der Pandemie ist das aber keine Überraschung.

 

Martina Leibovici-Mühlberger
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„DER ERSTE BANK OESTERREICH  IST ES IM SCHWIERIGEN JAHR 2020 GELUNGEN, DIE BETRIEBSERTRÄGE ZU STEIGERN. WIR HABEN BESSER ALS 2019 ABGESCHNITTEN.“

Gerda Holzinger-Burgstaller,
CEO der Erste Bank Österreich

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Fürchten Sie als Bank nicht auch eine große Insolvenzwelle, die nach dem Ende der staatlichen Unterstützungen auf uns zurollen könnte?

Holzinger-Burgstaller: Nachdem sich die Krise nun doch länger als erwartet hinzieht und auch die staatlichen Unterstützungen verlängert wurden, werden wir die ökonomischen Folgen erst im zweiten Halbjahr oder gar erst 2022 sehen. Ja, es wird Insolvenzen geben, aber von einer richtigen Welle gehen wir nicht aus. Zudem muss man einen differenzierten Blick auf die Unternehmen werfen. Einerseits hat es Branchen wie den Tourismus und manche Dienstleistungssektoren hart getroffen. Aber auch hier gab es Unternehmen, die mit kreativen Geschäftsideen gut über die schwierige Zeit gekommen sind. Auf der anderen Seite gibt es Branchen, denen die Pandemie wenig anhaben konnte. Man denke an die Baubranche, die seit Jahren auf Hochtouren läuft. Auch Teile der produzierenden Industrie sind gut durch die schwierige Zeit gekommen. Als Bank haben wir Risikovorsorgen getroffen und sind für mögliche negative Effekte gewappnet. Ich bin wirklich optimistisch, dass wir mit der zunehmenden Durchimpfungsrate die Gesundheitskrise bald hinter uns lassen können. Das wird die Stimmung im Land deutlich heben und tut auch der Wirtschaft gut.

Corona ist zwar das dominante Thema, aber als neue Vorstandsvorsitzende haben Sie auch das Tagesgeschäft der Erste Bank zu bewältigen. Welche großen Ziele haben Sie sich für die kommenden Jahre gesetzt?

Holzinger-Burgstaller: Gemeinsam mit den Sparkassen haben wir im Strategievorstand im Rahmen von Saphir sehr ambitionierte Ziele für die nächsten fünf Jahre beschlossen. Insbesondere wollen wir unseren erfolgreichen Wachstumspfad fortsetzen und bis 2030 die Nummer Eins in Österreich sein.

Lässt sich dieses ehrgeizige Ziel erreichen?

Holzinger-Burgstaller: Ja, daran glaube ich fest. Wir sind nach bestem Wissen und Gewissen die beste Bank für die Kundinnen und Kunden. Die Erste Bank und Sparkassen haben derzeit rund 3,8 Millionen Kundinnen und Kunden. Wenn wir die Fünf-Millionen-Marke bis 2030 knacken, sind wir die größte Bankengruppe Österreichs. Aus Umfragen wissen wir, dass Kundinnen und Kunden, die ihre Bank wechseln, zu uns wechseln und wir jene Bank sind, die am öftesten weiterempfohlen wird. Selbstverständlich dürfen wir uns jetzt nicht zurücklehnen, weil es so gut läuft, sondern müssen mit vollem Elan weiterarbeiten.

Wenn die Erste Bank schnell wächst, bleibt da nicht die Qualität auf der Strecke?

Holzinger-Burgstaller: Wenn wir trotz großen Kundenwachstums gut sein wollen, müssen wir uns auch in den internen Prozessen um das Thema Effizienz kümmern. Das heißt, wir müssen auch im Mid- und im Back-Office optimieren. Nur so können wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten, damit diese mehr Zeit für qualitativ hochwertige Kundenberatung haben. Es braucht daher nicht nur eine Digitalisierung auf Kundenseite, sondern auch bei den internen Prozessen.

Haben Sie schon Projekte auf den Weg gebracht?

Holzinger-Burgstaller: Im Rahmen des Projekts „sSimple“ der Sparkassengruppe haben wir schon vor einigen Jahren damit begonnen, Produkte über die gesamte Sparkassengruppe hinweg zu harmonisieren. Das bringt nicht nur eine Vereinfachung für die Kundinnen und Kunden, sondern macht auch die digitale Verarbeitung der Produkte einfacher. Hier konnten wir zum Beispiel von den 916 Produkten für Privatkundinnen und Privatkunden das Portfolio auf 16 Produkte reduzieren, mit denen wir 98 Prozent der Geschäfte machen. Auch im Kommerzkundenbereich konnten wir diesen Ansatz erfolgreich umsetzen. Der nächste große Fokus liegt nun auf harmonisierten Prozessen und läuft auf Hochtouren.

Die Banken kämpfen damit, dass die Sparquote der Österreicherinnen und Österreicher auch in der Pandemie angestiegen ist. Das Geld landet meist als Einlage am Sparbuch. Wird das angesichts der Strafzinsen bei der EZB zu einem Problem?

Holzinger-Burgstaller: 2020 ist der Konsum um zehn Prozent eingebrochen und ein Großteil dieses Geldes wartet nun tatsächlich auf den Konten und Sparbüchern. Aber das Sparbuch macht vor allem für unsere Kundinnen und Kunden keinen Sinn und bringt über die Zeit einen Vermögens- und Kaufkraftverlust. Es liegt an uns, den Kundinnen und Kunden die Möglichkeiten des Vermögensaufbaus durch alternative Produkte wie beispielsweise Fondsprodukte aufzuzeigen.

Was wäre eine Alternative?

Holzinger-Burgstaller: An Wertpapieren führt heute kein Weg vorbei, aber die Österreicherinnen und Österreicher sind bei diesem Thema noch sehr zurückhaltend. Das ist ganz klar ein Finanzbildungsthema. Leider besteht hier insgesamt in Österreich noch zu viel Unwissenheit. Wir müssen beim Thema Geldanlage Zeit investieren und umfassend informieren. Man muss den Kundinnen und Kunden vor Augen halten, dass sich das wirklich lohnt, aber auch das Risiko, das damit einhergehen kann, gut erklären. Das zeigt ein Vergleich: Bei einer zehnjährigen Veranlagung von 10.000 Euro auf einem Sparbuch mit einer Verzinsung von 0,28 Prozent kommen am Ende der Laufzeit nominell 10.282 Euro heraus. Berücksichtigt man dabei auch die durchschnittliche Inflation von 1,64 Prozent über die vergangenen zehn Jahre, dann ist der reale Wert am Sparbuch nur noch 8.633 Euro. So können wir keinen Vermögensaufbau für unsere Kundinnen und Kunden erzielen.

Ein großes Thema ist die grüne Wende in der globalen Wirtschaft. Inwiefern ist dieses Thema auch für die Erste Bank relevant?

Holzinger-Burgstaller: Grundsätzlich ist das für uns kein neues Thema, denn als Bank sind wir schon seit Jahren bemüht, unseren eigenen Fußabdruck zu reduzieren. Wir haben beispielsweise schon sehr früh auf Ökostrom gesetzt, Maßnahmen zur Papierreduktion ergriffen und unser Filialkonzept entsprechend auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Auch auf der Veranlagungsseite ist die Erste Asset Management seit Jahrzehnten im Bereich der nachhaltigen Geldanlage vertreten und in Österreich sogar Branchenführer.

Group CEO Bernd Spalt hat verkündet, dass die Erste Group die Finanzierungen von fossilen Brennstoffen einstellen wird. Welche Auswirkungen wird das auf die Erste Bank Oesterreich haben?

Holzinger-Burgstaller: Dieses Bekenntnis gilt für die gesamte Gruppe und wir in Österreich haben sicher eine bessere Ausgangslage als viele Schwesterbanken in Osteuropa. Es ist von unserer Seite ein wichtiger und richtiger Beitrag für das Erreichen der Pariser Klimaziele. Zusätzlich sehen wir uns in Österreich als starken Partner für unsere Unternehmenskundinnen und -kunden in der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Hierfür haben wir schon und werden noch weiter Know-how in diesem Bereich aufbauen. Hier werden wir als Bank auch von der Politik in die Pflicht genommen, bei bestimmten EU-Förderungen als Multiplikator zu fungieren. Zum Beispiel sollen viele Initiativen im Rahmen des EU-Recovery-Funds und des Comeback-Plans der Bundesregierung über die heimischen Banken abgewickelt werden.

Werden diese Gelder einen großen Wandel in der heimischen Wirtschaft einläuten?

Holzinger-Burgstaller: Österreich ist ein Land voller Chancen – nutzen wir sie. Es ergeben sich zahlreiche neue Möglichkeiten und Wege für heimische Unternehmen. Beim Thema Nachhaltigkeit hätten wir auf jeden Fall die Chance, vorne mit dabei zu sein. Wir haben viel Know-how und eine entsprechende Sensibilität in diesem Bereich. Hier können wir als Wirtschaftsstandort europaweit punkten. Nur müssen wir jetzt handeln und nicht wieder abwarten.

Was wären jetzt wichtige Instrumente, um ein Comeback der Wirtschaft mit einer grünen Wende zu verknüpfen?

Holzinger-Burgstaller: Wichtig wäre es nun, das Eigenkapital der heimischen Unternehmen zu stärken und nachhaltige Investitionen zu fördern. Darüber hinaus wäre eine steuerliche Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital wichtig. In Österreich kann zum Beispiel eine Unternehmerin oder ein Unternehmer die Kosten eines Kredits steuermindernd absetzen. Setzt die Unternehmerin oder der Unternehmer aber sein eigenes Geld ein, muss er höhere Steuern zahlen. Die Regierung sollte daher nicht nur die Zinsen auf Fremdkapital, sondern auch eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals steuerlich abzugsfähig machen.

Auch bei den institutionellen Kundinnen und Kunden liegt derzeit sehr viel Liquidität brach. Wie würde sich dies für heimische Unternehmen nutzbar machen lassen?

Holzinger-Burgstaller: Hier braucht es eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen institutioneller Kundinnen und Kunden wie Versicherungen und Pensionskassen. Diese haben wirklich viel Liquidität. Aber nachdem Anlagerichtlinien vielfach sehr eng gesteckt sind, können diese nur bedingt in Unternehmen investieren. Eine Ausweitung der Investitionsmöglichkeiten könnte hier riesige Volumina für heimische Unternehmen in Bewegung bringen und die Eigenkapitalproblematik entschärfen.

Zum Abschluss muss ich Ihnen als weiblichem CEO doch noch eine Frauenfrage stellen: Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Quote für ATX-Konzerne, wie sie nun etwa in Deutschland bei DAX-Unternehmen eingeführt wird?

Holzinger-Burgstaller: Der Mangel an weiblichen Führungskräften in Österreich ist auffällig und ich bin davon überzeugt, dass es nicht an der Qualität der Frauen liegt. Von insgesamt 88 Vorstandsmitgliedern der ATX-Unternehmen sind nur sechs weiblich. In 15 Vorständen sitzt gar keine Frau. Aber die Frauen in Spitzenpositionen werden allmählich mehr und das ist gut so. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, Diversität in all ihrer Vielfalt im eigenen Haus zu fördern. Wir waren in der Erste Bank hier immer Vorreiter und haben bereits eine 40-Prozent-Quote. Wenn ohne Quote keine Verbesserung erzielt werden konnte, dann soll es in einer Übergangsphase eine geben.