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Economy

„Jeder Einzelne muss Druck auf die Politik ausüben“

Ausgabe #3 Juli/2021 • NACHHALTIGKEIT

KLIMAFORSCHERIN HELGA KROMP-KOLB IM INTERVIEW ÜBER DEN KLIMAWANDEL, SEINE FOLGEN FÜR ÖSTERREICH UND MÖGLICHE CHANCEN DURCH DIE CORONA-PANDEMIE.

Immer, wenn es um das Klima, seinen Wandel und die Folgen der Klimaerwärmung geht, ist eine Wissenschaftlerin in Österreich besonders gefragt: Helga Kromp-Kolb. Die Meteorologin ist nicht nur Klimaforscherin an der Universität für Bodenkultur in Wien, sie ist auch Obfrau des Climate Change Centre Austria (CCCA), das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Netzwerkagent und Sprachrohr der österreichischen Klima- und Klimafolgenforschung zu sein.

Was muss Ihrer Meinung nach in Sachen Klimaschutz rasch angepackt werden?

Helga Kromp-Kolb: Bei einer Diskussion mit der Stadt Wien ist es einmal darum gegangen, dass wir CO2 einsparen und die Elektromobilität forcieren müssen. Aber wenn man einfach auf ein anderes Verkehrssystem umsteigen würde, wo die Wege kürzer sind, man zu Fuß gehen, Rad fahren und öffentlichen Verkehr nutzen kann, dann spart das auch CO2, fördert aber auch gleichzeitig die Gesundheit und macht die Städte lärmärmer und schadstofffreier.

Wie sieht es mit dem Bewusstsein der Menschen für Klimaschutz aus?

Kromp-Kolb: Hier muss noch viel getan werden. Aber es muss sich natürlich auch etwas beim Bewusstsein der Politikerinnen und Politiker und bei den Funktionärinnen und Funktionären tun. Man hört dann oft: „Ich habe eh bei mir zuhause alle Lampen ausgetauscht, esse wenig Fleisch und fahre kaum mit dem Auto.“ Aber dass sie auch systemisch etwas verändern müssen, haben viele immer noch nicht am Radar.

Stellt die Corona-Krise eine Chance für den Klimaschutz dar?

Kromp-Kolb: Ich glaube, dass manches bleiben wird. In der Wirtschaft wird die Angewohnheit, für ein Businessmeeting überall hinzufliegen, nicht mehr wiederkommen, denn virtuelle Konferenzen sparen Zeit und Geld und werden zukünftig in verstärktem Maß vorhanden sein. Immerhin gibt es inzwischen die notwendige Infrastruktur dafür – auch deshalb bin ich überzeugt, dass sich in diesem Bereich sicher etwas ändern wird.

Wer ist beim Klimaschutz der wichtigste Protagonist? Die Politik, die Wirtschaft oder doch das Individuum?

Kromp-Kolb: So, wie wir derzeit aufgestellt sind, kommt den Einzelnen die ganz große Rolle zu, dass sie Druck auf die Politik machen müssen. Denn die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit das Individuum so handeln kann, wie es auch richtig ist. Wenn jemand mit dem Zug fahren will, es ihm aber schwer gemacht wird, weil der Bahnhof zehn Kilometer weit weg ist, und er dann gleich mit dem Auto fährt, ist das schlecht. Die größten Bremser sind nicht in der Wirtschaft zu finden, sondern in den Strukturen. Das heißt in der Landwirtschafts- und der Wirtschaftskammer und in der Industriellenvereinigung, denn sie sind weniger weit wie ihre Mitglieder.

Wie lässt sich mehr nachhaltiges Handeln erreichen?

Kromp-Kolb: Das Grundlegende ist, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das Zweite ist Bildung in allen Bereichen – von Schule über Lehrlingsausbildung bis zu den Universitäten. Es gibt etwa immer noch Schulbücher, die Kohle als eine der zentralen Energieformen darstellen. Und letztendlich sollte in den Verwaltungsakademien etwas getan werden – damit in den Verwaltungen auf Landes- und Bundesebene anders agiert wird.

Foto: "Helga Kromp-Kolb" Mitja Kobal, Greenpeace