Sparkassen Zeitung

Economy

„Nur dort, wo es Perspektiven gibt, kann man auch Wachstum generieren“

Ausgabe #3 Juli/2021 • NACHHALTIGKEIT

BERND SPALT, CEO DER ERSTE GROUP, ÜBER DIE GRÜNE WENDE ALS CHANCE FÜR ÖSTERREICH, DEN GROSSEN HEBEL DER BANKEN UND DAS NEUE KONJUNKTURPROGRAMM NEXTGENERATIONEU, BEI DEM DIE ERSTE GROUP EINE ZENTRALE ROLLE SPIELEN WIRD.

Mit der Pandemie kommt die große Transformation. Umwelt- und Klimaschutz sind ins Zentrum des wirtschaftlichen Handelns gerückt. Bernd Spalt, CEO der Erste Group, spricht im Interview über das Nachhaltigkeitsengagement der Bankengruppe, den Kohleausstieg und nachhaltige Geldanlage.

Die Pandemie hat letztendlich auch dazu geführt, dass weltweit die Grüne Wende eingeläutet wird. Wird dies auch bei der Erste Group zu einem großen Schwenk führen?

Bernd Spalt: Ganz im Gegenteil, wir fühlen uns in unserem Weg bestärkt. Schon vor 200 Jahren wurde bei der Gründung der Erste Bank und Sparkassen in der Gründungsurkunde verankert, dass wir in unserer Region Wohlstand fördern und Armut bekämpfen. Die Themen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) sind also Teil unseres Gründungsgedankens. Nachdem in der Vergangenheit die Themen Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung verstärkt im Fokus standen, rückt nun auch das Thema Umwelt in den Mittelpunkt.

Das heißt, im Bereich Umwelt haben Sie bisher wenige Akzente gesetzt?

Spalt: Schon vor Jahren haben wir Umweltschutz und Ressourcenschonung als wichtige Ziele definiert. Nachhaltigkeit beginnt immer vor der eigenen Haustür und hier haben wir uns bemüht, viele Hausaufgaben zu erledigen. Nun treten wir auch mit unseren Kundinnen und Kunden in einen intensiven Dialog.

Welche konkreten Maßnahmen hat die Erste Group gesetzt?

Spalt: Zum Beispiel haben wir 2020 unsere eigenen CO2e-Emissionen um 7.500 Tonnen, also um knapp zwölf Prozent, reduziert. Mittlerweile nutzen wir im Unternehmen zu 90 Prozent Recycling-Papier. Gleichzeitig haben wir den Papierverbrauch 2020 um weitere 20 Prozent gesenkt. Unsere Zentrale nutzt 100 Prozent Öko-Strom und für Erledigungen stellen wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kostenlose E-Bikes zur Verfügung. Besonders stolz sind wir, dass wir gemeinsam mit der App „Too Good To Go“ einer Lebensmittelverschwendung in unserem Unternehmen vorbeugen können. Das sind natürlich alles nur Puzzlesteine und wir haben hier noch einen langen Weg vor uns.

Denken Sie, dass das Engagement der Erste Group von den Kundinnen und Kunden honoriert wird und Ihnen wirtschaftliche Vorteile bringen wird?

Spalt: Grundsätzlich haben Banken auch eine gesellschaftliche Verantwortung, der monetäre Aspekt steht dabei nicht immer im Vordergrund. Wir stehen aber im Zentrum der Wirtschaft und haben daher einen großen Hebel für Veränderungen und können mitgestalten. Aber zunächst ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Ist das geschehen, müssen die Unternehmen ihren Beitrag zur Veränderung leisten.

Trotzdem stöhnen die Unternehmen nun nach der fast überstandenen Pandemie unter der Last zusätzlicher großer Umwälzungen.

Spalt: Jede Veränderung ist unbequem und kostet Geld, aber gerade hier ist nun die Politik gefordert, zu unterstützen. Grüne Innovationen und der Umstieg auf nachhaltigere Technologien müssen gefördert werden, damit die Unternehmen diesen Wandel mittragen können. Zudem muss uns klar sein, dass es eine Rückkehr zu einer Zeit wie vor der Pandemie nicht geben wird. Wir können uns nun entscheiden, ob wir Zaungäste der Transformation sein wollen oder ob wir diesen Wandel als Land, aber auch als große heimische Bankengruppe mitgestalten wollen.

Bernd Spalt, CEO der Erste Group
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„JEDE VERÄNDERUNG IST UNBEQUEM UND KOSTET GELD, ABER GERADE HIER IST NUN
DIE POLITIK GEFORDERT, ZU UNTERSTÜTZEN.“

Bernd Spalt, CEO der Erste Group

Foto: Daniel Hinterramskogler für Erte Group
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Die Europäische Union pumpt Milliarden Euro in die Grüne Wende. Wird von diesem Geld auch etwas in Österreich ankommen?

Spalt: Anfang Juni wurde bekannt, dass die Erste Group als einzige österreichische Bank Mitglied des neu gegründeten „Primary Dealer Networks“ der Europäischen Union wird. Gemeinsam mit anderen führenden europäischen Finanzinstituten wird die Erste Group in den nächsten Jahren eines der größten Konjunkturprogramme der EU zum Laufen bringen. Die EU plant, durchschnittlich rund 150 Milliarden Euro pro Jahr über NextGenerationEU aufzunehmen, um die wirtschaftliche Erholung in Europa zu finanzieren. Davon wird auch die heimische Wirtschaft profitieren, und es werden tausende neue Arbeitsplätze
geschaffen werden.

Die Transformation schafft also Wachstum?

Spalt: Nur dort, wo es eine Perspektive gibt, kann man Wachstum generieren, und der Umbau in Richtung grüne Wirtschaft ist hier ein echter Wachstumsturbo. Man sollte sich nicht immer vor Veränderungen fürchten, weil der Blick auf die Kosten gerichtet ist, sondern die Chancen sehen, die sich uns und langfristig auch den nachfolgenden Generationen bieten.

Vor Kurzem hat die Erste Group den Kohleausstieg angekündigt. Wie gut kommt das bei Ihren Kundinnen und Kunden in Osteuropa an?

Spalt: Natürlich ist das Thema in Österreich deutlich leichter zu bewerkstelligen als in manchem osteuropäischen Land, wo bei der Energieversorgung noch immer eine große Abhängigkeit von Kohle und Atomkraft besteht. Aber auch dort ist allen Beteiligten klar, dass ein solcher Schritt für unser Klima notwendig ist, und sie kennen auch den Weg dorthin. Das ist natürlich kein einfacher Weg. Es wird Jahrzehnte brauchen, aber wir werden unsere Kundinnen und Kunden dabei begleiten. Darüber hinaus ist beim Thema Kernkraft ein politischer Konsens auf europäischer Ebene notwendig und den werden wir sicherlich in nicht so ferner Zukunft schaffen.

Werden mit dieser Linie gegen Kohle und Atomkraft nicht auch Industrien stigmatisiert?

Spalt: Hier sollte man nicht vorschnell urteilen und in Gut und Böse einteilen. In vielen Ländern in Osteuropa hat das auch sehr viel mit der Geschichte der jeweiligen Länder zu tun. Unsere Aufgabe ist es nun, gemeinsame Lösungen zu finden und nicht zu verurteilen. Es geht hier nicht um eine moralische Wertung, sondern darum, für uns alle eine gemeinsame und lebenswerte Zukunft zu schaffen. Hier sind die hoch industrialisierten und technologisch sehr fortschrittlichen Länder in der Verantwortung, jene Länder auf diese lange Reise in eine nachhaltige Zukunft mitzunehmen. Das hilft nicht nur vor Ort, sondern auch uns selbst, denn Umwelt- und Klimaschutz kennt keine Landesgrenzen.

Führen Sie bereits Gespräche mit betroffenen Kundinnen und Kunden?

Spalt: Jeden Tag führen wir Gespräche und es ist ein sehr gleichberechtigter Dialog zwischen Banken und Kundinnen und Kunden. Da läuft alles sehr professionell und die jeweiligen Unternehmen in Osteuropa wissen, dass Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig braucht eine Wende in dieser Dimension aber auch seine Zeit. Gerade in Osteuropa ist die Abhängigkeit von Kohle bei der Energiegewinnung noch sehr groß. Hier braucht es eine auf die Infrastruktur des jeweiligen Landes abgestimmte Vorgehensweise.

Fürchten Sie bei einem Kohleausstieg für die Erste Group geschäftliche Einbußen?

Spalt: Nein, zum Beispiel beträgt innerhalb der Erste Group im Bereich Kohle der Anteil der Kreditfinanzierung nicht mal ein halbes Prozent. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass wir durch unsere klare Haltung mehr Chancen als Einbußen haben werden. Denn der Umstieg braucht Know-how und Geld. Mit beidem können wir dienen.

Österreich ist ein sehr kleines Land, und unsere Umweltaktivitäten haben nahezu keine Auswirkungen auf das globale Klima. Bringt es überhaupt etwas, wenn wir die Umweltregeln verschärfen?

Spalt: Reden wir unser Land nicht kleiner als es ist. Wir sind ein reiches, modernes und wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir uns in der Vergangenheit immer wieder großen Herausforderungen gestellt haben. Gerade beim Thema Umwelt können wir mit unserem Wissen und unseren Unternehmen schon heute am Weltmarkt reüssieren, aber diese Position lässt sich natürlich noch ausbauen.

Auch Anlegerinnen und Anleger sind immer mehr daran interessiert, ihr Geld nachhaltig zu veranlagen. Die Erste Asset Management ist ja ein Pionier der Branche. Wie wollen Sie dieses Angebot in den nächsten Jahren weiter ausbauen?

Spalt: Mittlerweile verwalten wir für unsere Kundinnen und Kunden in unseren Fonds bereits 72 Milliarden Euro. Rund fünf Prozent dieses Volumens steckt in Fonds, die mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet sind. Bereits in den vergangenen zwei Jahren stieg das Volumen rasant an, und der Anteil der nachhaltigen Geldanlage wird auch weiterhin deutlich wachsen. Im Gegenzug wirft Geld auf Sparbüchern keine Zinsen mehr ab. Wer heute nicht in Wertpapiere veranlagt, kann langfristig kein Vermögen aufbauen. Eine Veranlagung in nachhaltige Fonds gibt nicht nur die Chance, den Wert seines Geldes zu erhalten oder sogar zu vermehren, sondern leistet auch einen positiven Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz.

Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit auf diese große Reise?

Spalt: Wir sind in diesem Bereich schon ausgezeichnet aufgestellt. Aber natürlich gilt es, noch zusätzliches Wissen aufzubauen. Laufend schulen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Bereich der Zukunftstechnologien. Darüber hinaus haben wir uns in den vergangenen Jahren als sehr attraktiver Arbeitgeber positioniert und ziehen damit viele junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die mit ihrem Wissen und Engagement im Bereich Nachhaltigkeit für unser Unternehmen eine große Bereicherung sind. Wir von der Erste Group bieten mehr als nur einen Bank-Job. Mit uns gemeinsam lässt sich ein Beitrag für die Klimawende leisten, und das kommt gut an.

Heute liegt der Fokus verstärkt auf dem Bereich Umwelt- und Klimaschutz. Gerät dadurch das soziale Engagement der Erste Group nicht ins Hintertreffen?

Spalt: Nein, bereits in unserem „Statement of Purpose“ steht geschrieben, dass wir Wohlstand für alle verbreiten und sichern wollen. Aber Umwelt- und Klimaschutz hat auch sehr viel mit sozialer Verantwortung zu tun. Expertinnen und Experten befürchten bis 2040 weltweit über 200 Millionen Klimaflüchtlinge, wenn wir so weiterwirtschaften wie bisher. Mit unserem verstärkten Engagement beim Thema Nachhaltigkeit setzen wir unseren Weg konsequent fort. Darüber hinaus sind uns aber auch Themen wie Diversität und Gleichberechtigung wichtig. Diverse Teams sind erfolgreicher und Vielfalt ist gerade in einer komplexen Welt, wie wir sie heute erleben, ein echter Erfolgsfaktor, da wir in der Zusammenarbeit aus den Erfahrungen unterschiedlichster Kulturen lernen.

Trotz Ihrem großen Engagement im ESG-Bereich fordern NGOs noch härtere Einschnitte, darunter auch von Ihnen. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Spalt: Ich stelle mich gerne dieser Kritik und trete regelmäßig mit den unterschiedlichsten NGOs in den Dialog. Das sind ernstzunehmende Gruppen, die mit viel Intelligenz, Kraft und Engagement gesellschaftlichen Druck aufbauen, damit sich etwas verändert. Systeme haben ein ausgeprägtes Beharrungsvermögen, und hier braucht es manchmal eine Sicht von außen, die aufzeigt, was man noch besser machen könnte. Es sind die Idealisten und Visionäre, die unsere Welt immer wieder aus den Angeln heben und große Veränderungen einleiten.

Warum ist Ihnen das Thema persönlich so wichtig?

Spalt: Ich denke viel darüber nach, in welcher Welt unsere Kinder und Enkelkinder leben wollen. Wir sind ein großes Haus, das hier eine entsprechende Verantwortung trägt, die Veränderungen zu begleiten.