Sparkassen Zeitung

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Insight Brüssel

Ausgabe #4 September/2021 • GESUND UND FIT

Immer am Puls der Zeit: Der österreichische Sparkassenverband ist dran an den wichtigsten Themen, die unsere Gruppe beschäftigen, um stets über wesentliche Entscheidungen, Entwicklungen und Erfolge informieren zu können. Hier sind die brandaktuellen Themen aus Brüssel.

Peter Simon leitet seit Anfang des Jahres das Joint- Office des europäischen und des Weltsparkassenverbandes WSBI-ESBG, gemeinsam mit Chris de Noose, der sich zum Jahresende in den Ruhestand verabschieden wird. Auf Einladung des Österreichischen Sparkassenverbandes besuchte Peter Simon unlängst den Erste Campus in Wien, traf Präsident Gerhard Fabisch und Generalsekretär Franz Portisch und absolvierte eine Führung durch das FLiP, den Erste Financial Life Park. Wir hatten die Möglichkeit mit Peter Simon ein Interview zu führen und sprachen mit ihm unter anderem über seine Pläne für die zukünftige Ausrichtung der WSBI-ESBG, die aktuellen Herausforderungen der europäischen Sparkassen und den Stellenwert von Finanzbildung.

Als neuer Geschäftsführer des Weltinstituts der Sparkassen (WSBI) und der Europäischen Sparkassenvereinigung (ESBG) hatten Sie kürzlich die Möglichkeit den Erste Campus und das FLiP in Wien zu besuchen. Welchen Stellenwert hat Finanzbildung auf EU-Ebene und was muss noch getan werden, um dem Thema noch mehr Gewichtigkeit zu verleihen?

Peter Simon: Der Besuch des FLiP hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich hatte zuvor nichts Vergleichbares an innovativer, intelligenter und zugleich unterhaltsamer Information im Bereich Finanzbildung gesehen. Chapeau! Die Einsicht, dass finanzielle Bildung wichtig ist, setzt sich auch auf EU-Ebene immer weiter durch. Klar ist, dass das allgemeine Niveau der Finanzkompetenz in der EU noch nicht dort ist, wo es sein sollte. Als ESBG plädieren wir dafür, dass die zuständigen EU-Institutionen die Förderung der Vermittlung von Finanzwissen als einen ihrer Schwerpunkte betrachtet. Wir sehen es als entscheidend an, Bürgerinnen und Bürger, und hier insbesondere die Jugend, bestmöglich zu befähigen, im Wirtschaftsleben erfolgreich zu sein. Dabei sind nicht nur komplexere Finanzkonzepte, sondern auch ganz grundlegende Sachverhalte des täglichen Lebens umfasst. So zum Beispiel die Bedeutung von Spareinlagen, die Aufnahme einer Hypothek, die Notwendigkeit von Versicherungen bis hin zu Anlagemöglichkeiten für den Ruhestand. Auf EU-Ebene ist noch genug Gestaltungsspielraum, den sie auch nutzen sollte. Wir ermutigen die EU-Institutionen, beim Thema Finanzaufklärung proaktiv zu sein. Unsere Mitglieder stehen dabei gerne mit umfassendem Know-how zur Seite.

Sie sind nun seit beinahe einem Dreivierteljahr in Ihrer neuen Rolle. Was waren die Herausforderungen der letzten Monate und welche Ziele verfolgen Sie bei der zukünftigen Ausrichtung der WSBI-ESBG?

Simon: Zunächst war es mir wichtig, nicht nur das gemeinsame Büro von ESBG und WSBI in Brüssel sehr intensiv kennenzulernen, sondern auch den persönlichen Kontakt zu unseren Mitgliedern aufzubauen und mehr über deren Schwerpunkte und Bedürfnisse vor Ort zu erfahren. Obgleich die Corona-Situation den Einstieg als Geschäftsführer nicht unbedingt erleichtert hat, konnte ich unmittelbar sehr gut Fuß fassen und mit einer Umstrukturierung unserer Kommunikationsabteilung sowie der Weiterentwicklung der Vertretungsaktivitäten meine Arbeit aufnehmen. Bereits heute lässt sich klar sagen, dass die Covid-bedingte Veränderung der Arbeitsmodalitäten der weiteren Digitalisierung unserer Verbände einen ganz erheblichen Schub verpasst hat. Was die Außendarstellung unserer beiden Verbände anbelangt, ist es mein Ziel, die Sichtbarkeit von WSBI-ESBG vor allem bei Mandats- und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern zu vergrößern. Die Sparkassen und Retailbanken genießen seit jeher einen guten Ruf. Sie sind für ihr von Verantwortungsbewusstsein getragenes Geschäftsmodell und ihr vielfältiges, oft auch sozial engagiertes gesellschaftliches Wirken bekannt. Mit diesen Wesensmerkmalen heben sie sich von anderen Instituten ab, sei es aus dem Bankensektor oder aus dem FinTech-Bereich. Diesen Unterschied gilt es in der Außenkommunikation weiter zu schärfen und noch besser herauszuarbeiten. Mit WSBI und ESBG sollen „die guten Banker“ assoziiert werden, denn dies spiegelt schließlich die Realität wider. Ein weiteres Ziel von mir ist es, eine noch engere inhaltliche Vernetzung der Aktivitäten von WSBI und ESBG zu erreichen und uns als gesuchte Plattform für den inhaltlichen Austausch über Kontinentsgrenzen hinaus zu etablieren.

Das Leitprinzip der EU lautet „In Vielfalt vereint“. Das gilt auch für die österreichischen Sparkassen, denn Regionalität ist ein bestimmendes Merkmal der österreichischen Sparkassengruppe. Wie muss ein europaweiter Ordnungsrahmen aussehen, der die spezifischen Merkmale der europäischen Sparkassen entsprechend berücksichtigt?

Simon: Dieses Leitprinzip gilt auch für den EU-Bankensektor. Diversität ist gut und wichtig, auch für Finanzstabilität. Man stelle sich vor, alle Banken in der EU hätten dasselbe Geschäftsmodell und dann käme eine Krise, die alle Marktteilnehmer auf die gleiche Weise träfe. Wir brauchen daher also eine Gesetzgebung, die Diversität fördert und das Verhältnismäßigkeits- sowie das Subsidiaritätsprinzip zur Grundlage hat. Dies sind Garanten für einen erfolgreichen europäischen Bankensektor, von dem alle Bürgerinnen und Bürger profitieren. In einem solchen Rahmen können Sparkassen ihre eigenen, seit mehr als 200 Jahren bewährten Geschäftsmodelle ausüben und ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. Unsere Mitgliedsinstitute dürfen nicht in ein Korsett gezwungen werden, das die „drei R“ als Grundlage unserer Geschäftsmodelle gefährden würde: Wir sind regional, responsible (verantwortlich) und retail, also filialorientiert. ESBG hat es sich zur Aufgabe gemacht, europäische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger genau auf diese Bedeutung aufmerksam zu machen, damit auch europäische Regulatorik einen Ordnungsrahmen garantiert, der gut für Sparkassen und damit auch gut für die Gesellschaft ist.

Wie können kleinere, regional tätige Sparkassen in Europa bei zunehmender Komplexität entlastet werden?

Simon: Dies gelingt vor allem durch Verhältnismäßigkeit und Proportionalität in Regulierung und Aufsicht. Hier hat sich schon einiges getan in den letzten Jahren. So schuf zum Beispiel die letzte Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung CRR, für die ich zum damaligen Zeitpunkt als Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren die Federführung innehatte, eigene Definitionen für kleine und nicht sehr komplexe Institute. Sie beinhaltet auch einige andere Erleichterungen, wie zum Beispiel bei den Berichtspflichten. Ein Bericht der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA von Anfang Juni stößt ebenfalls in diese Richtung vor. Sie stellt die berechtigte Frage, wie man insbesondere für kleinere und nicht-komplexe Banken die Berichtskosten und den Berichtsaufwand weiter senken kann. Wir sind sehr erfreut über diese EBA-Empfehlungen und hoffen auf gewissenhafte und rasche Umsetzung. Generell muss man feststellen, dass Proportionalität bei den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern als Konzept angekommen ist, was uns unglaublich wichtig ist. Aber sicher kann hier noch mehr geleistet werden, wie auch der EBA-Bericht zeigt. Die ESBG wird hier nicht lockerlassen.

Die nachhaltige Ausrichtung des Bankensektors wird für die nächsten Jahre ein wesentlicher Treiber der Finanzbranche sein. Impact Investments sind momentan in aller Munde, doch es gibt noch weitere Nachhaltigkeitsinstrumente, die einen positiven Impact erzielen können. Welche davon werden Ihrer Meinung nach eine besondere Rolle spielen?

Simon: Nachhaltigkeit ist für Sparkassen nicht irgendein neuer Trend, sondern selbstverständliches Prinzip des Wirtschaftens. Sparkassen sollten sich auch zukünftig darauf fokussieren, was sie gut können und wofür sie bekannt sind. Das ist eine nachhaltige, verantwortungsvolle, integrative, ihrer Region und deren Akteurinnen und Akteuren verpflichtete Geschäftspolitik. So erfüllen Sparkassen im Hinblick auf das „S“ von „ESG“ seit mehr als 200 Jahren hohe Standards. In der Nachhaltigkeitsdiskussion auf europäischer Ebene standen in den letzten Jahren vor allem Umweltaspekte im Fokus. Parallel wird zunehmend aber auch den sozialen Risiken und der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Und das ist gut so, denn auch der soziale Aspekt von guter Unternehmensführung muss bei ESG auf Augenhöhe mitbedacht werden, um eine ausgewogene Balance zwischen grüner und sozialer Nachhaltigkeit zu halten. Die ESBG begleitet diese Diskussion durch einen engen Austausch mit ihren Mitgliedern. Unser gemeinsames Ziel ist es, den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene in diesem Diskussionsprozess das seit jeher auf umfassende Nachhaltigkeit ausgelegte Geschäftsmodell der europäischen Sparkassen vor Augen zu führen. Und hier können wir als Sparkassenfamilie selbstbewusst viel vorweisen.