Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Bäuerliche Familienbetriebe: Aussterbende Art?

Ausgabe #3/2016 • Die Zukunft ist jetzt

Eine aktuelle Studie der WU Wien zeigt, dass 45 Prozent der LlandwirtInnen über 50 Jahre noch keine Pläne für eine Betriebsweitergabe haben. Mehr als die Hälfte von 1.000 befragten Bäuerinnen und Bauern kämpft permanent mit finanziellen Problemen.

Die heimischen Bäuerinnen und Bauern haben es derzeit schwer: Die Preise für Milch, Fleisch und viele andere Agrarprodukte fallen ins Bodenlose und die Produktionskosten steigen durch immer schärfere Regularien. Schuld an der Misere ist die Aufhebung der Milchquoten durch die EU, aber auch das Russland-Embargo der Europäischen Union, wodurch ein wichtiger Markt für die europäischen LandwirtInnen weggefallen ist. Hinzu kommen die steigenden Unwetterschäden als Folge des Klimawandels. Kein Wunder also, dass immer mehr Bäuerinnen und Bauern ihre Betriebe einstellen und sich einen Job suchen. 

Gab es laut Statistik Austria 1999 noch 217.508 landwirtschaftliche Betriebe in Österreich, so sind es heute nur noch rund 166.317. Beachtliche 51.191 Betriebe haben in nur 17 Jahren aufgegeben. „Die aktuelle Marktsituation macht den Betrieben sehr zu schaffen”, weiß Landesrat Stephan Pernkopf (ÖVP), der eine Existenzgefährdung der bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich ortet. Die Ursachen dafür erforschte eine aktuelle WU-Studie im Auftrag der Erste Bank an 1.000 bäuerlichen Familienbetrieben in Niederösterreich.

UNGEREGELTE NACHFOLGE
Laut Studie weiß ein Großteil der Bäuerinnen und Bauern nicht, wie es mit ihren Höfen weitergeht. Beachtliche 45 Prozent der befragten LandwirtInnen haben noch keine Pläne für eine Betriebsweitergabe. Zehn Prozent der LandwirtInnen wissen bereits heute, dass sie ihren Betrieb definitiv nicht weiterführen werden. Hermann Frank, Vorstand des Forschungsinstituts für Familienunternehmen der WU Wien und Studienleiter: „Viele Bauern wollen sich die schwierigen Rahmenbedingungen und die schwache Ertragslage nicht zumuten.“ Kein Wunder, denn mehr als die Hälfte der untersuchten Betriebe hat permanent mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Für 47,5 Prozent ist es gerade noch möglich, den laufenden Betrieb zu erhalten, für rund elf Prozent ist selbst das kritisch.

KEIN SPIELRAUM FÜR INVESTITIONEN
Unter diesen Bedingungen sind notwendige Investitionen nicht möglich. Das wiederum bremst Innovation. Studienleiter Hermann Frank: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei landwirtschaftlichen Familienbetrieben zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft kommt.” Nur etwas mehr als 40 Prozent können es sich leisten, ihren Betrieb weiterzuentwickeln. Der Rest kann keine Zukunftsinvestitionen tätigen. Gleichzeitig weisen vier von fünf Betrieben eine große Zurückhaltung gegenüber der Inanspruchnahme von Fremdkapital auf – nur drei Prozent der Befragten geben an, ihre Möglichkeiten diesbezüglich voll ausgeschöpft zu haben, 37 Prozent nutzen diese Option gar nicht.  Thomas Uher, Vorstandschef der Erste Bank Oesterreich: „Hier gibt es also viel ungenütztes Potenzial, denn grundsätzlich ist die Landwirtschaft aufgrund der verfügbaren Sicherheiten, zum Beispiel Hypotheken, ein guter Kreditnehmer.“ Zudem könnte man auch an der Kostenschraube der Betriebe einiges machen. Maximilian Hardegg, Landwirt und Initiator der Studie: „Aus meiner Sicht wäre auch eine Senkung der Produktionskosten ein wichtiger Ansatzpunkt für erfolgreiches Weiterbestehen der Betriebe. Hier könnte man Anreize für eine freiwillige Buchführung schaffen.“

 Zu einem großen Übel in der Landwirtschaft entwickelt sich die Überregulierung. Hardegg: „Einerseits gibt es eine starke Abhängigkeit von Förderungen und andererseits einen steigenden bürokratischen Aufwand für die Bauern. Das senkt ebenfalls die Attraktivität des Berufs.“ 

KEINE BEST-PRACTICE-KULTUR
Was die Produktion betrifft, kann Österreich mit vielen Topbetrieben aufwarten. „Doch bei der Verwertung der Produkte gibt es noch viel Luft nach oben”, sagt Studienleiter Frank. LandwirtInnen müssten sich überlegen, wie sie ihre Produkte möglichst ertragreich auf den Markt bringen, sowie Abnehmer und Handelspartner vergleichen. WU-Experte Frank: „Ein Beispiel kann man sich an den heimischen WinzerInnen nehmen, die ihre Produkte sehr gut und vor allem gewinnbringend vermarkten.“