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„Zu einem erfüllten Leben gehört auch ein würdiger Abschied"

Ausgabe #September/2022 • GEMEINWOHL

Frau Klasnic, Sie engagieren sich schon seit Jahren für den Dachverband Hospiz Österreich. Warum ist Ihnen dieses Engagement so wichtig?
Waltraud Klasnic: Obwohl der Tod sicher eines jener Themen ist, die wir in einer modernen Gesellschaft gerne verdrängen, ist dieser ein Teil unseres Lebens. Rund 80.000 Menschen pro Jahr sterben in Österreich. Für diese und auch deren Angehörige muss man da sein, denn leider ist der Tod nicht immer einfach und manchmal auch mit sehr großen Schmerzen verbunden. Mit unserer Arbeit haben wir es geschafft, wieder mehr in das Bewusstsein der Österreicher:innen zu bringen, wie wichtig gute Lebensqualität bis zuletzt und ein Sterben in Würde sind. Deshalb hat Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten die höchste Dichte an Hospiz- und Palliativstationen.

Gibt es einen schönen Tod?
Gabriele Semmelrock-Werzer: Zu einem erfüllten Leben gehört auch ein würdiger Abschied. Es macht einen großen Unterschied, ob man Menschen auf dem letzten Weg begleitet oder diese in Einsamkeit sterben.

Klasnic: Sterben ist der größte Moment im Leben. Und wenn man das Glück hat, in einer Hospiz- und Palliativbetreuung zu sein, dann ist das ein Geschenk.

Gabriele Semmelrock-Werzer
„Zu einem erfüllten Leben gehört auch ein
würdiger Abschied. Es macht einen großen Unterschied,
ob man Menschen auf dem letzten Weg begleitet
oder diese in Einsamkeit sterben.“
Foto: Kärntner Sparkasse

Bereits seit 15 Jahren sponsert die Sparkassengruppe den Dachverband Hospiz Österreich. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Semmelrock-Werzer: Begonnen wurde mit dem Sponsoring von der Steiermärkischen Sparkasse. Dort hat man vor 15 Jahren Sponsoring-Schwerpunkte in den Bereichen Soziales, Sport und Kultur definiert und im Bereich Soziales fiel die Wahl auf den Dachverband Hospiz Österreich. Das Thema passt zum Gründungsgedanken der Sparkassen. Dieser definiert, dass wir Menschen durch ihr Leben begleiten, ihnen zu Wohlstand verhelfen und für Glücksmomente sorgen. Dieser Weg endet aber immer mit dem Tod.

Ist Hospiz- und Palliativversorgung nicht Aufgabe des Sozialstaates?
Klasnic: Bis zu einem gewissen Grad ist sie natürlich die Aufgabe eines Sozialstaates, aber dieser übernimmt nur einen Teil. Neben den hauptberuflichen Mitarbeiter:innen gibt es auch ehrenamtliche und diese brauchen eine gute Ausbildung, die finanziert werden muss. Auch hier greift das Sponsoring der Sparkassengruppe. Heute haben wir in Österreich 3.000 ehrenamtliche Mitarbeiter:innen, die sich in der Hospizarbeit engagieren. Das sind Menschen, die Verantwortung übernehmen und gleichzeitig wissen, dass das Leben endlich ist.

Seit Beginn des Jahres 2022 ist auch Sterbehilfe in Österreich erlaubt. Erleichtert das vielen Menschen, zum Beispiel bei schwerer Krankheit, nicht den Abschied vom irdischen Leben?
Klasnic: Hier wird gern der Vergleich mit der Schweiz gezogen, aber da gibt es einen wesentlichen Unterschied: In unserem Nachbarland ist aktive Sterbehilfe erlaubt. In Österreich dürfen Menschen nicht mehr bestraft werden, wenn sie einem Menschen unter bestimmten Voraussetzungen helfen, aus dem Leben zu scheiden. Umso wichtiger ist es, dass wir in Österreich eine sehr gute Palliativmedizin haben, die Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Ein wichtiger Schritt, der mit der gesetzlichen Beschlussfassung einherging, war: die Regelfinanzierung. Die Budgetmittel werden für Hospiz- und Palliativversorgung in den nächsten Jahren sukzessive aufgestockt und Hospiz und Palliative Care flächendeckend und leistbar angeboten. Das ist ein Meilenstein, der vor allem auf die Arbeit des Dachverbandes Hospiz Österreich zurückzuführen ist und darauf bin ich wirklich stolz.

Wie lange haben Sie gebraucht, bis die Forderung nach einer flächendeckenden Hospiz- und Palliativversorgung durchgebracht wurde?
Klasnic: Schon 2003 fand sich diese Forderung erstmals in einer Regierungserklärung und tauchte danach immer wieder in Regierungserklärungen auf. Erst im Jahr 2014 gab es eine parlamentarische Enquete. 2016 wurde das Hospizund Palliativforum gegründet und 2022, nach jahrzehntelangem Einsatz, konnte man endlich höhere Budgetmittel und flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich durchsetzen. Es hat lange gedauert, aber letztendlich wurde das Ziel erreicht.

Warum ist es grundsätzlich wichtig, dass sich Unternehmen und die Zivilgesellschaft auch für unbequeme Themen wie etwa den Tod, die Umwelt oder Armut engagieren?
Semmelrock-Werzer: In Österreich haben wir im Vergleich zu vielen anderen Staaten einen sehr ausgeprägten Sozialstaat, aber auch dieser hat Grenzen und hier muss das zivilgesellschaftliche Engagement greifen. Dabei sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass eine Gemeinschaft nur dann gut funktioniert, wenn es einen Ausgleich zwischen den Schwächeren und den Stärkeren gibt. Das gilt auch für uns als Sparkasse. Natürlich sind wir gewinnorientiert, aber gleichzeitig sind wir auch unserer Gesellschaft, die uns stark macht, verpflichtet. Daher ist es auch unser Bestreben, hier wieder etwas zurückzugeben und das machen wir mit unterschiedlichsten Initiativen in den Bereichen Umwelt und Soziales.

Klasnic: Grundsätzlich gilt: Der Mensch braucht den Menschen. Wir sind soziale Wesen und wer sich für andere einsetzt und engagiert, bekommt auch sehr viel zurück. Daher haben wir in Österreich ein sehr ausgeprägtes System der Ehrenamtlichkeit. Fast die Hälfte aller Menschen in Österreich engagiert sich freiwillig und ohne Bezahlung in Vereinen aus den Bereichen Katastrophenhilfe, Rettungsdienste, Umwelt- und Tierschutz oder auch im Sozial- und Gesundheitsbereich. Gerade dieser in Österreich sehr stark gelebte Gemeinwohlgedanke macht auch den Wohlstand unseres Landes aus. Denn alles kann der Staat nicht regeln und bezahlen. Hier greift dann unbürokratisch die Zivilgesellschaft.

Was bringt es für Unternehmen, sich hier für das Gemeinwohl zu engagieren?
Semmelrock-Werzer: Wir als Bankengruppe mit einer über 200-jährigen Geschichte haben schon mit der Gründungsurkunde einen starken Wertekatalog mit auf den Weg bekommen, in dem der Gemeinwohlgedanke ein zentraler Faktor ist. Diese Werte machen uns stark und sind ein wesentlicher Teil unserer Geschichte und sie geben unserer Arbeit einen Sinn. Gerade heute rückt das sinnstiftende Element der Arbeit bei den jungen Menschen wieder in den Mittelpunkt. Diese wollen nicht einfach ihren Job machen, sondern sie wollen auch einen Beitrag für eine ein bisschen bessere Welt leisten. Und das Gute bei der Projektauswahl unserer Sparkassen ist, dass diese sich sehr regional engagieren. Damit wird auch für die Mitarbeiter:innen erlebbar, was sich mit ihrem Engagement und unserem Sponsoring erreichen lässt. Das reicht von Bibliotheken über Konzertsäle und Mentoring-Projekte für Jugendliche bis hin zu Kulturvereinen.

Waltraud Klasnic
„Demokratie und Gesellschaft heißt, füreinander
Verantwortung zu übernehmen. Das ist nicht immer
einfach, aber im Großen und Ganzen funktioniert
es in Österreich: Die Menschlichkeit siegt.“
Waltraud Klasnic
Foto: Norbert Novak

Stärkt ein hohes zivilgesellschaftliches Engagement nicht auch eine Demokratie?
Klasnic: Demokratie und Gesellschaft heißt, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Das ist nicht immer einfach, aber im Großen und Ganzen funktioniert es in Österreich: Die Menschlichkeit siegt. Gerade die Pandemie führte zu einer großen Spaltung in der Gesellschaft und einige Politiker:innen trugen hier sicherlich aktiv zu einer tiefen Spaltung bei. Wie beurteilen Sie das als ehemalige Spitzenpolitikerin?

Klasnic: Die Hauptverantwortung des Politikers ist seine Sprache. Für jedes Wort muss man die Verantwortung übernehmen können. Wenn man diese Grenze überschreitet, braucht man auch den Mut zur Entschuldigung. Leider sind diese gesellschaftlichen Umgangsformen verloren gegangen. Bei Wahlen wird entschieden, dass die Österreicher:innen in einem friedlichen Land leben wollen und Verantwortung nur gemeinsam funktionieren kann. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass alle politisch Verantwortlichen, unabhängig von welcher Partei, einen Beitrag für ein besseres Österreich leisten wollen. Der Unterschied liegt im Weg, den die jeweiligen Politiker:innen beschreiten wollen. Hier Kompromisse zu finden, ist natürlich in einer Demokratie nicht immer ganz einfach, aber die Erfahrung zeigt, dass wir es doch immer wieder schaffen, auch wenn es manchmal lange dauert.

Was muss in den nächsten Jahren passieren, um das Gemeinwohl auch bei den zukünftigen Herausforderungen, wie etwa dem Klimawandel, weiter zu stärken?
Klasnic: Grundsätzlich sollten wir uns mit dem Erreichten nie zufrieden geben. Gerade der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Welt. Hier hat die jetzige Generation für die uns folgenden Generationen die Verantwortung, einen Beitrag zu leisten, dass auch in Zukunft der Planet Erde lebenswert bleibt. Das bedeutet unter Umständen auch Verzicht.

Semmelrock-Werzer: Natürlich tut es immer weh, wenn wir auf etwas Wohlstand verzichten müssen. Aber die großen Herausforderungen der Zukunft werden wir nur bewältigen können, wenn wir nicht nur auf uns selbst schauen, sondern den Blick auch auf das große Ganze richten. Heute haben wir die Grenzen des Wachstums bereits überschritten und die Energiekrise führt uns gleichzeitig vor Augen, wie abhängig wir uns durch diesen Wohlstand gemacht haben. Höhere Verkaufszahlen und mehr Konsum können nicht die Antworten für die Zukunft sein. Wir Menschen sind soziale Wesen mit einer großen Kreativität und gerade das sind Stärken, die wir ausspielen müssen. Mit Erfindungsgeist und neuen Technologien müssen wir Lösungen für die anstehenden Herausforderungen finden. Letztendlich heißt es, dass wir unsere Art zu wirtschaften und zu leben auf den Prüfstand stellen müssen, um als Menschheit eine Zukunft zu haben.

Klasnic: Ein herzliches Danke an den Österreichischen Sparkassenverband!