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Alles Clara unterstützt Sie, damit Sie weiterhin helfen können

Ausgabe #September/2022 • GEMEINWOHL

PFLEGE KANN PHYSISCH UND PSYCHISCH HERAUSFORDERND UND BELASTEND SEIN. OFT BRINGT SIE MENSCHEN IN SITUATIONEN MIT MEHR FRAGEN ALS ANTWORTEN. DIE NEUE ALLES-CLARA-APP BIETET PFLEGENDEN ANGEHÖRIGEN KOSTENLOS SOWIE ANONYM HILFE VON PROFESSIONELLEN BERATER:INNEN AN.

In Österreich findet Pflege bis zu 80 Prozent durch Angehörige und oft ohne Einbindung professioneller Dienste statt. Schätzungen im Auftrag des Sozialministeriums aus 2018 zufolge betreuen und pflegen rund 950.000 Personen Familienmitglieder oder ihnen nahestehende Personen wie Freund:innen oder Nachbar:innen in deren Alltag. Mit ihrer Arbeit erbringen pflegende Angehörige eine enorme Leistung für die Gesellschaft, die weder ausschließlich über professionelle Kräfte erbracht noch durch den Staat finanziert werden könnte. So lohnend und wichtig ihre Arbeit ist, so herausfordernd ist sie und bringt Angehörige oft an ihre eigenen Grenzen: Körperliche und psychische Belastungen, zeitlicher und finanzieller Mehraufwand, ein Dschungel an Informationen und Zuständigkeiten, Isolation, mangelnde Anerkennung und Wertschätzung und zu wenig Zeit für sich selbst begleiten sie oft über Jahre.

DIGITALE ENTLASTUNGS- UND PFLEGEBERATUNG
Gemeinsam mit den großen österreichischen Pflegeorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe, der Wissenschaft, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand wurde nun Alles Clara als digitales Entlastungsangebot für pflegende Angehörige in Österreich ins Leben gerufen, um Menschen, die sich um nahestehende Personen kümmern, durch digitale Entlastungs- und Pflegeberatung zu helfen und individuelle spezifische Informationen, praktische Handlungsempfehlungen und Entlastungsgespräche zu erhalten. So gibt ihnen Alles Clara Sicherheit und Stütze in ihrem Alltag und nimmt ihnen die Hürde, bei Bedarf passende bestehende Angebote des Pflegesektors kennenzulernen und anzunehmen. „Die Möglichkeit, jederzeit und unkompliziert mit Fachleuten über diese Situation sprechen und auch ganz konkrete und anwendbare Ratschläge zu erhalten, ist in solchen Situationen eine enorme Entlastung – und das ist es, was Alles Clara bietet. In den Pflegeorganisationen besteht eine gewaltige und über die Jahrzehnte gewachsene Erfahrung und praktisches Wissen über alle Aspekte der Pflege und der Herausforderungen von pflegenden Angehörigen. Dieses Wissen unmittelbar und niederschwellig zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, gelingt Alles Clara durch das professionelle Zusammenwirken einer Vielzahl engagierter Personen und Organisationen aus den unterschiedlichen Sektoren“, erklärt Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrum der Erste Bank Österreich und Vorstandsmitglied der ERSTE Stiftung.

PROFESSIONELLE BERATER:INNEN
In Alles Clara tauschen sich ratsuchende Angehörige und professionelle Berater:innen in virtuellen Beratungsräumen über Chat, künftig auch Telefonie und Videotelefonie aus. Diese Beratungsräume orientieren sich an bekannten Messenger-Tools, wie WhatsApp oder Signal, und bauen so auf bekannten Verhaltensmustern auf. Als Berater:innen stehen zurzeit diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger: innen, klinische Psycholog:innen und Psychotherapeut: innen zur Verfügung. Künftig sollen die Kompetenzen um Sozialarbeiter:innen oder Personen mit Spezialisierungen erweitert werden. Die Berater:innen kommen von den großen Pflegeorganisationen Österreichs. Sie werden zu Online-Berater:innen ausgebildet, erhalten regelmäßig Supervision und beraten als Teil ihrer regulären Arbeit in Alles Clara.

NIEDERSCHWELLIGES ANGEBOT
Die Beratung in Alles Clara findet immer 1:1 statt, also ein Ratsuchender oder eine Ratsuchende wird mit einer Online-Berater:in verbunden. Jede Beratung startet und endet schriftlich im asynchronen Chat. Dies gewährleistet die Dokumentation der Beratung für beide Nutzer:innen. „Ratsuchende bekommen Zugang zu professioneller psychologischer und pflegerischer Beratung und das einfach über ihr Smartphone. Sie loggen sich einfach ein, öffnen den Chat und hinterlassen eine Nachricht. Das ist für manche mit weniger Hürden verbunden als zum Beispiel ein Anruf. Und im Vergleich zu E-Mails ist die Beratung auch datenschutzrechtlich geschützt“, so Alexander Rieder, Psychotherapeut und Berater in Alles Clara. „Die Fragen und Herausforderungen der Ratsuchenden sind sehr vielfältig und unterschiedlich komplex. Manche brauchen ganz konkrete Informationen, wie etwa: Wie errechnet sich das Pflegegeld? Wo finde ich kurzfristig eine Entlastung für meine Mutter, die von der Pflege unseres Vaters schon total erschöpft ist? Oft geht es um praxistaugliche Tipps und konkrete Anregungen für den Alltag: zum Beispiel im Umgang mit der zunehmenden Vergesslichkeit von Angehörigen oder für die Stärkung und Aktivierung von Kranken, die zunehmend die Struktur und Motivation für ihre Alltagsverrichtungen verlieren“, erklärt Martina Genser-Medlitsch, Klinische und Gesundheitspsychologin, Leiterin des „Keep Balance“-Programms des Hilfswerk Österreich und Alles-Clara-Beraterin. Auch Sorgen, ein schlechtes Gewissen oder auch das Gefühl, nicht genug für die Angehörigen zu tun, sind Themen, die, wenn die Situation der Angehörigen schlimmer wird, von einem Tag auf den anderen als Belastung bei den Ratsuchenden aufschlagen. „Da braucht es dann viel Einfühlungsvermögen und sensibles Hinweisen auf Unterstützungsstrategien für die Angehörigen, vor allem aber die individuelle Begleitung des oder der Ratsuchenden hin zu Achtsamkeit und Fürsorglichkeit sich selbst gegenüber. Dabei geht es unter anderem um Vermittlung emotionaler Entlastungsstrategien, Stärkungder Selbstwahrnehmung, Anregungen zu Entspannungsübungen et cetera. Die Beratungen machen uns immer wieder bewusst, wie viel die Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen leisten und wie wertvoll ihr Tun ist!“, so Genser-Medlitsch.

REGELBETRIEB NACH PILOTPHASE
Alles Clara arbeitet in der Pilotphase mit großen österreichischen Unternehmen zusammen und fokussiert im ersten Schritt auf Menschen, die durch Beruf, Familie und Pflege besonders gefordert sind. Ihre Ansprache und damit die Kommunikation von Alles Clara erfolgt über die internen Kommunikationskanäle ihrer Arbeitergeber:innen. Mitte Juli wurden im ersten Schritt alle Mitarbeiter:innen der Erste Bank und Sparkassen und Erste Group sowie ihrer Österreich-Töchter eingeladen, Alles Clara zu nutzen, Entlastung und Antworten zu erfahren und mit ihrem Feedback zur Weiterentwicklung der App und der Beratung beizutragen. Ihnen folgten die Mitarbeiter:innen der ÖBB, Wiener Städtischen, von Deloitte, Jank Weiler Operenyi, magenta, IBM und Coca Cola HBC.

 

Eva Höltl
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„PERSÖNLICH IST MIR DIESES PROJEKT EIN HERZENSANLIEGEN.
ES GEHT EINE ABSOLUTE NOTWENDIGKEIT AN, DIE ICH TÄGLICH
IN MEINER ARBEITSMEDIZINISCHEN TÄTIGKEIT WAHRNEHME.“

Eva Höltl,
Leiterin des Gesundheitszentrum der Erste Bank Österreich
und Vorstandsmitglied der ERSTE Stiftung

Foto: Erste Group/Marlena König
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Die Pilotphase dauert bis August 2023. Ist sie erfolgreich, soll Alles Clara in den Regelbetrieb übergehen und für alle Menschen mit Betreuungs- und Pflegeverantwortung zugänglich sein. „Persönlich ist mir dieses Projekt ein Herzensanliegen. Es geht eine absolute Notwendigkeit an, die ich täglich in meiner arbeitsmedizinischen Tätigkeit wahrnehme. Aber nur durch die ERSTE Stiftung und ihre Herangehensweise war die Entstehung eines solchen Projekts überhaupt erst möglich. Die Stiftung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich der brennendsten, wichtigsten und schwierigsten gesellschaftlichen Probleme annimmt und Lösungen für diese findet. Ähnlich wie schon bei der Gründung der Zweiten Sparkasse setzt sie auch bei Alles Clara auf den kontinuierlichen Austausch mit Sozialorganisationen und einen zutiefst inklusiven Leitgedanken: Zugang zu Informationen und Digitalisierung darf nicht elitär sein, sondern muss für jeden Menschen möglich sein“, so Eva Höltl.

 

Illustrationen: Alles Clara