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Economy

Was bringt TTIP der Wirtschaft?

Ausgabe #5/2015 • Trends

Seit Mitte 2013 verhandeln VertreterInnen der USA und der EU über das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), von dem sich die EU eine Erhöhung des BIP-Wachstums um 0,5 Prozent erhofft. Ende Oktober ging in Miami die elfte TTIP-Verhandlungsrunde zu Ende.

Die Verhandlungen zum kontroversen Abkommen kommen nur langsam voran. Starke offentliche Kritik, vor allem aus Deutschland und Osterreich, aber auch die ungeheure Komplexitat des Abkommens im regulatorischen Bereich erschweren eine Weiterentwicklung. Doch was ist TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) eigentlich?

Senkung nicht-tarifärer Handelshemmnisse  

TTIP ist kein „einfaches“ Handelsabkommen, in dem blos Zolle gesenkt werden. Nur die Halfte des Handels zwischen den USA und der EU unterliegt einem Zoll. Fur die meisten anderen Guter liegt der Zoll auf einem niedrigen einstelligen Prozentwert. Der Handel zwischen den zwei Wirtschaftsblocken ist aber nicht frei.

Im Gegenteil, technische Produktvorschriften (zum Beispiel Normen, Prufverfahren und Zulassungen) verursachen hohe Zusatzkosten und wirken dadurch oftmals wie Zolle von mehr als 20 Prozent. In vielen Fallen gewahren diese Vorschriften das gleiche Niveau an Sicherheit oder Qualitat, unterscheiden sich aber in Bezug auf technische Einzelheiten, oder im Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften. Durch Beseitigung von Doppelgleisigkeiten sollen Kosten gesenkt werden und die ursprunglichen Schutzfunktionen der Vorschriften erhalten bleiben.

Senkungen dieser sogenannten nicht-tarifaren Handelsbarrieren sollen vier Funftel des von der EU erhofften 0,5-Prozent-BIP-Zusatzwachstums ausmachen. Von den drei Grundpfeilern TTIPs sind sie daher der mit Abstand wichtigste.

Ein weiteres Element von TTIP ist ein verbesserter Zugang zu beiden Markten: Viele der noch bestehenden Zolle sowie Restriktionen bei Dienstleistungen sollen fallen. Aber auch der Zugang zu staatlichen Projektausschreibungen soll erleichtert werden.

Der dritte Pfeiler von TTIP ist ein Konvolut von unterschiedlichen Intiativen in Bereichen wie Energie, Wettbewerbsrecht, geistiges Eigentum, oder aber auch Hilfestellung fur KMUs. An dieser Stelle ist auch der hochst umstrittene Investitionsschutz zu nennen, der InvestorInnen bei „ungerechter Behandlung“ (zum Beispiel Diskriminierung, Enteignung ohne Entschadigung) das Recht geben soll, von Staaten Schadenersatz zu verlangen.

Technische Branchen profitieren am stärksten 

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen TTIP haben wird, ist derzeit noch schwer abzuschatzen. Dennoch legen erste Einschatzungen nahe, dass vor allem „technische“ Branchen starker von TTIP profitieren sollten.

Im Automobilsektor werden die internationalen ECE-Regelungen (Economic Commission for Europe) fur technische Vorschriften bei Kfz in den USA nicht anerkannt werden. Die in den USA definierten Regelungen (Mindestanforderungen an Bauteile) sind dabei meist weder strenger noch lockerer, aber anders. Durch harmonisierte Regeln sollen Exportkosten stark reduziert werden. Fahrzeugexporte in die USA konnten dadurch um 46 Prozent zulegen. 

Im Maschinenbau ist die Lage ahnlich, unterschiedliche Regelungen fuhren oft zu hohen Zusatzkosten. Speziell bei elektrischen Geraten gibt es fundamentale Unterschiede, da die in Europa (und im Rest der Welt) verwendeten ISO/ IEC-Standards in den USA nicht gelten. Auserdem variieren Regeln innerhalb der USA. Schatzungen zufolge entstehen durch zusatzliche Konformitatsprufungen bis zu 20 Prozent hohere Kosten.

Der Technologiesektor wurde durch ahnliche Einsparungen profitieren. Auch der pharmazeutische Bereich konnte stark profitieren, wenn zum Beispiel Studien, die zur Zulassung eines Medikaments notwendig sind, nicht doppelt gemacht werden mussen.

Geringere Auswirkungen in anderen Sektoren

Der Bausektor konnte von TTIP ebenfalls profitieren. EUFirmen sehen sich bei offentlich ausgeschriebenen Projekten in den USA oft schweren Hurden gegenuber, wie etwa dem „Buy American Act“. Kleinere Bauunternehmen werden davon aber wohl nur beschrankt profitieren.

In der Bekleidungsindustrie konnte die Vereinfachung von Herkunfts- und Etikettierungsregeln und das Fallen einzelner Zolle (bis zu 30 Prozent) den Handel deutlich erleichtern. HerstellerInnen von technischen Textilien und von Luxusgutern sollten die grosten Nutznieser von TTIP sein. Doch wie im Bausektor ist der Gesamteffekt eher moderat, da der Grosteil der Produktion in Drittlandern, zum Beispiel in Asien, stattfindet.

Im Energie- und Rohstoffsektor erwartet man eher kleine Auswirkungen. So setzt sich die EU etwa fur die Aufhebung von Restriktionen im Energieexport ein. Im Gasmarkt aber, wo Europa wegen russischer Abhangigkeiten am meisten profitieren wurde, sind keine grosen Veranderungen zu erwarten, da der Transport mit Flussiggastanker viel teurer ist als uber Pipelines.

Im Agrarsektor weisen Nahrungsqualitatsstandards zwischen den USA und der EU grose Unterschiede auf. Hier gibt es daher wenig regulatorische Doppelgleisigkeiten und dadurch auch weniger potenzielle Harmonisierungen.

In der Chemiebranche sind auf Grund der starken Unterschiede bei der Bewertung und den Bewertungsmethoden keine grosen Handelserleichterungen zu erwarten. Angleichungen bei der Etikettierung stehen daher im Fokus und sollten vor allem KMUs zu Gute kommen.

TTIP-Kritik und Spekulation

TTIP wird nicht nur Exportmarkte offnen, sondern auch den Wettbewerb in Europa erhohen. Insgesamt erwartet man jedoch zumindest positive volkswirtschaftliche Effekte.

Viele Kritikpunkte von TTIP-Gegnern sind nicht von der Hand zu weisen. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass in Graubereichen Regelharmonisierungen zu Gunsten von Lobbys interpretiert werden und zu einem Verlust von EU-Standards fuhren.

Das groste Problem – und der starkste Kritikpunkt – ist der Mangel an detaillierten Informationen. Bis TTIP ausverhandelt ist und beim Europaischen Parlament vorliegt, werden Spekulationen daher wohl ein wesentlicher Teil der TTIP-Analyse bleiben.

Dieser Artikel basiert auf einem internen Report, der in der Erste Group erstellt wurde – Autorin: Flora Boewing.