Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Das Land kommt

Ausgabe #5/2016 • It's the Economy, Stupid

Immer mehr Top-Start-ups entstehen in den Bundesländern. Sie profitieren dort von den Fördertöpfen und der wachsenden Infrastruktur, aber auch von den herrlichen Landschaften.

Die Diversifikation schreitet voran. Zuerst war es Oberösterreich, das sich mit etwas Abstand zu Wien eine Berechtigung verdiente: Runtastic und LineMetrics, die aus dem Umfeld der FH Hagenberg entstanden, eroberten in ihren Segmenten die mobile Welt. Runtastic mit der bekannten Lauf-App, Linemetrics im industriellen Bereich. Ansonsten hörte man in den Bundesländern lange nicht viel aus der Welt der Start-ups. Vor wenigen Jahren jedoch entdeckten die Landesregierungen die jungen Unternehmen für sich und stellten Budgets für die Förderung und den Ausbau des Netzes auf. Diese Förderungen zeigen erstmals Wirkung: Das vom Land Tirol vor vier Jahren ins Leben gerufene Investorennetzwerk Tirol etwa konnte bis dato rund 10 Millionen Euro an privatem Beteiligungskapital vermitteln.

FRISCHES KAPITAL FÜR TIROL
Heuer gibt es in Tirol seit Jahresbeginn zudem bereits sieben Finanzierungsrunden mittlerer Größe im Wert von insgesamt 7,1 Millionen Euro. Zu diesen zählen unter anderem die Beteiligung der Tyrolean Business Angel GmbH am Medizintechnik-Start-up HeaRT, die Beteiligung des aws Gründerfonds in Kooperation mit Situlus Holding am Funktechnologieanbieter endiio oder das Joint Venture zwischen der Tiroler iSYS Interventional Systems und dem US-Medtech-Konzern Medtronic. Vor allem Tirol tat sich mit einigen spannenden Projekten hervor, und es hat eine aktive Start-up-Szene entwickelt. Dafür sprechen steigende Gründungszahlen (2.694 Gründungen jährlich bei einem Plus von 12 Prozent) und ein starker IT-Sektor (50 Prozent) bei den universitären Ausgründungen. Und die Tiroler Start-ups nützen das vorhandene Know-how konsequent: 80 Prozent der universitären Spin-offs führen weiterhin gemeinsame Forschungsprojekte mit den Universitäten und Fachhochschulen durch. Nach Fachbereichen sind die betreffenden Start-ups in den Zukunftsbranchen Elektronik, IT und Software (50 Prozent), Life Sciences und Medizintechnik (21 Prozent), Werkstoffe und industrielle Verfahren bzw. Ingenieurswesen (je 10 Prozent) sowie Umwelt-, Energie- und Verkehrstechnologie (8 Prozent) tätig.

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„EIN URBANES ARBEITSUMFELD AUF DEN
BERGGIPFEL BRINGEN“

Patrizia Zoller-Frischauf, Wirtschaftslandesrätin

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Die Stadt Innsbruck zeigte dann Anfang Oktober, wie man die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen kann und eröffnete am Patscherkofel den höchst gelegenen Coworking- Space des alpinen Raums. Auf fast 2.000 Meter Höhe entstanden 30 Arbeitsplätze mit Top-Internetzugang, Besprechungs- und Präsentationsräumen. Direkt im Panormarestaurant des Innsbrucker Hausberges können heimische und internationale Start-ups inmitten des Alpenpanoramas arbeiten. Unter den ersten Gästen sind zehn asiatische Jungunternehmen, die in Kooperation mit dem Global Incubator Network sowie auf Vermittlung von Staatssekretär Harald Mahrer vier Tage im COWO Tirol arbeiten werden. „Der COWO Tirol ist ein Pilotprojekt, mit dem wir neue Formen des Arbeitens und des Wirtschaftens für Tirol ermöglichen, indem wir ein urbanes Arbeitsumfeld auf einen Berggipfel bringen. Wenn der Testbetrieb Erfolg hat, werden wir prüfen, wie sich das Konzept auch in anderen Regionen Tirols umsetzen lässt“, erklärt Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf.

SWAROVSKI ALS GAMECHANGER
In Wattens, nahe am Hauptquartier von Swarovski, wurde auf Betreiben der Familie ein weiterer Standort für die Entwicklung spannender Business-Ideen geboren. Die „Werkstätte Wattens“ bietet auf 2.200 Quadratmetern alles, was sich GründerInnen wünschen. In diesem Umfeld entstehen Projekte aus den unterschiedlichsten Teilgebieten. Der „Blue Sparrow“ zum Beispiel: ein Quadcopter, der mit einem Gewicht unter 200 Gramm zulassungsfrei geflogen werden kann, mit einer patentieren Point-and-Fly-Steuerung vom Smartphone aus bedient wird und Filme von besonderen Momenten im Leben seiner UserInnen liefert. Das Unternehmen wurde 2014 von Michael Niedermayr und Moritz Willburger gegründet, beschäftigt ein internationales Team von 14 MitarbeiterInnen aus Physik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Industriedesign, Sozialwirtschaft sowie Betriebs- und Volkswirtschaft und will den Blue Sparrow bis 2017 auf den Markt bringen.

DIE BERGE ALS STANDORTVORTEIL
„ExperienceFellow“ ist ebenfalls ein Prestige-Projekt aus Tirol. Basierend auf Forschungsleistungen am MCI Management Center Innsbruck wurde eine App entwickelt, die eine Bewertung von Marken, Produkten und Dienstleistungen durch KundInnen von Unternehmen ermöglicht. Neu dabei ist, dass die KundInnen ihr eigenes Smartphone benutzen und mit Hilfe der App immer und überall ihre Meinung abgeben können. „Am Standort Tirol profitieren wir neben der Nähe zur Wissenschaft immer wieder von den kurzen Wegen. Sie haben uns einen raschen Zugang zu SchlüsselpartnerInnen, FördergeberInnen wie dem AplusB-Zentrum CAST und aws ermöglicht. Assets, die wir als Start-up keinesfalls missen wollen, sind zudem die hohe Lebensqualität und die Freizeitmöglichkeiten im Land. Welche GründerInnen in London können schon behaupten, nach der Arbeit direkt skifahren gehen zu können? Hochqualifizierte MitarbeiterInnen, die wir aus Europa, Weißrussland und den USA gewinnen, sehen darin einen USP und entscheiden sich nicht zuletzt auch deshalb für unser Team.“