Sparkassen Zeitung

Economy

Baustelle Altersvorsorge

Ausgabe #6/2016 • Obdach

Österreich liegt im Vergleich der Altersvorsorgesysteme in 27 ausgesuchten Ländern auf dem 18. Platz. Spitzenreiter bleibt Dänemark, gefolgt von den Niederlanden und Australien. Zu diesem Ergebnis kommt der jüngste „Melbourne Mercer Global Pension Index“.

Dieser wurde vom Beratungsunternehmen Mercer bereits zum achten Mal erstellt. Die Bewertung des österreichischen Rentensystems wurde auch 2016 durch die Zusammenarbeit mit der Agenda Austria ermöglicht.

Die Studie untersucht und bewertet die Altersvorsorge verschiedener Länder hinsichtlich ihrer Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität. Dabei wurden neben den staatlichen Rentensystemen und der betrieblichen Altersversorgung auch private Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt.

Dänemark sicherte sich erneut den Spitzenplatz unter anderem durch die solide Finanzierung, das hohe Vermögens- und Beitragsniveau sowie ein gut reguliertes privates Vorsorgesystem (80.5 von 100 möglichen Punkten). Enttäuschende Daten für Österreich: Mit einem Gesamtindexwert von 51.7 hat sich das österreichische Rentensystem im Vergleich zum Vorjahr (52.2) leicht verschlechtert.

Auch wenn es im Gesamtranking auf Platz 18 geblieben ist, zeigt sich vor allem im Bereich Nachhaltigkeit, in dem unter anderem die Finanzierung des Rentensystems betrachtet wird, ein großer Verbesserungsbedarf. Mit 16.0 Punkten hat Österreich hier erneut Boden verloren (2015: 17.2). Dahinter liegt nur noch Italien.

Im Gegensatz zu Modellen in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Schweden, gibt es im österreichischen System keine automatische Anpassung an demografi sche Entwicklungen. Diese sorgt für mehr Gerechtigkeit über alle Generationen hinweg. Um das System zukunft sfähig zu halten, sollten sich die Arbeitsgruppen und Pensionsreformkommissionen hierzulande – nach Ansicht der ExpertInnen – weiterhin mit den folgenden Themen befassen:

  • Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung
  • Ermöglichung eines fl exiblen Übergangs in den Ruhestand
  • Erhöhung der Erwerbsquote älterer ArbeitnehmerInnen
  • Schnellere Erhöhung des Pensionsantrittsalters für Frauen

„Das Ergebnis des Melbourne Mercer Global Pension Index 2016 zeigt abermals, dass das Pensionssystem in Österreich dringend eine Weiterentwicklung nötig hat. Kosmetische Anpassungen unserer Strategie zur Finanzierung der Pensionen sind längst nicht ausreichend. Wünschenswert wäre eine ernstzunehmende Reform. Nur damit wäre ein deutlicher Sprung nach vorne im Ranking möglich“, betont Josef Papousek, Geschäft sführer von Mercer in Österreich. Es sei hoch an der Zeit, die österreichischen Pensionen besser abzusichern, fügt Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria hinzu: „Ohne die steigende Lebenserwartung zu berücksichtigen wird das nicht möglich sein. Das zeigt auch eine Studie der Agenda Austria. Schweden ist mit dem automatischen Berücksichtigen der Lebenserwartung ein Vorbild.“

BEVÖLKERUNGEN WERDEN IMMER ÄLTER
Der diesjährige Bericht enthält auch eine Projektion für den Altersquotienten. Dabei fällt der Altersquotient sehr unterschiedlich aus: In Südafrika wird das Verhältnis zwischen RentnerInnen und Menschen im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2040 voraussichtlich bei 1:7 liegen, in Japan dagegen wahrscheinlich bei 1:1,44.

Auch für Österreich wird ein ähnliches Ergebnis erwartet: 2040 könnten auf einen Rentner, eine Rentnerin weniger als zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter kommen. David Knox, Verfasser der Studie und Senior Partner bei Mercer zufolge sind diese Indikatoren zwar nicht vollständig zuverlässig, geben aber Hinweise auf Entwicklungen, die sich auf die Nachhaltigkeit und das Vertrauen der Menschen in die künft igen Rentenleistungen auswirken. „Indonesien ist ein interessantes Beispiel: Der relativ geringe Altenquotient wird durch eine vergleichsweise hohe Zahl älterer Erwerbstätiger und eine deutliche Anhebung des Renteneintrittsalters kompensiert“, erläutert Knox.

Die global sinkenden Geburtenraten hätten deutlich größere Auswirkungen als zahlreiche Regierungen und Staaten bisher angenommen haben, meinen die Autoren der Studie. Es sei ein dringendes politisches Gebot, dass alle Länder – ganz gleich, wie groß sie sind und wie sie derzeit eingestuft werden – die erforderlichen Änderungen umsetzen, damit sie den durch die weltweite Alterung der Bevölkerung entstehenden Herausforderungen standhalten können.

ZUR METHODIK DER STUDIE
Der international renommierte Mercer Index wurde erstmalig im Jahr 2009 mit einem Ranking für 11 Länder erstellt. Im vergangenen Jahr wurden 25 Länder untersucht, inzwischen umfasst der Index 27 Länder. Im Vergleich zum Vorjahr hat es einige Änderungen gegeben, unter anderem eine Anpassung der Daten hinsichtlich gesunkener Nettoersatzraten sowie die Einbeziehung von Faktoren wie Altersarmut oder eine immer weiter steigende Lebenserwartung und die damit einhergehende längere Rentenbezugszeit. Jedes Land ist auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Der Gesamtindex ist der gewichtete Durchschnittswert der drei Sub-Indices Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität.

  • Der Sub-Index Angemessenheit untersucht die derzeit gewährten Versorgungsleistungen und einige wichtige Gestaltungsmerkmale, wie beispielsweise Versorgungsniveau, steuerliche Anreize, Gestaltung der Altersversorgungsmodelle und Sparquote. Er wird als wichtigster Index mit 40 Prozent gewichtet.
  • Der Sub-Index Nachhaltigkeit untersucht anhand mehrerer Indikatoren, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Dieser Sub-Index wird mit 35 Prozent gewichtet.
  • Der Sub-Index Integrität konzentriert sich auf den Bereich der Privatvorsorge und untersucht anhand verschiedener Indikatoren, wie „vertrauenswürdig“ und beständig das Vorsorgesystem ist. Die Gewichtung liegt bei 25 Prozent.

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"KOSMETISCHE ANPASSUNGEN
UNSERER STRATEGIE ZUR FINANZIERUNG
DER PENSIONEN SIND
LÄNGST NICHT AUSREICHEND."

Josef Papousek, Geschäftsführer Mercer Österreich

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Besorgt ist rund um die Altersvorsorge auch Manfred Rapf, Generaldirektor-Stellvertreter der Sparkassen Versicherung AG. Österreich sei Schlusslicht bei der Vorsorge und bislang gebe es keine Diskussion darüber, wie man hier gegensteuern könne. Das Schwierigste sei dabei, dass Verkaufsargumente, die früher selbstverständlich waren, nicht mehr gelten würden, wie etwa die Rendite. Heute müsse man verstärkt auf Risikoabsicherung fokussieren. ÖsterreicherInnen aber unterschätzten ihre Lebenserwartung um durchschnittlich sieben Jahre. „Die Menschen sollten nicht nur auf ein Pferd setzen, sondern Risiken streuen. Nur die Kombination der Systeme kann dabei helfen.“ Daher sei es wichtig, weder die staatliche noch die private Vorsorge schlechtzureden. Von der Politik wünsche er sich einen konstruktiven Dialog über das Th ema, betonte Rapf vor Kurzem bei einer einschlägigen Diskussion des Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ).