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Das rigoros verschmähte Anlegerglück

Ausgabe #6/2017 • Glück

Erstmals seit vielen Jahren sind SparerInnen und AnlegerInnen im zu Ende gehenden Jahr von kaum noch gekannten Glücksgefühlen beseelt gewesen. Die praktisch weltweite Hausse an den Börsen hat dazu geführt, dass man sich als AnlegerIn wieder einmal so richtig freuen durfte. Sofern man in Aktien, Aktienfonds oder Mischfonds investiert hatte. Doch nur einer verschwindenden Minderheit der SparerInnen in Österreich war dieses Glück beschieden …

Nun legte schon Friedrich Torberg der legendären „Tante Jolesch“ eine vielzitierte Weisheit rund um das menschliche Streben nach Glück in den Mund. „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Natürlich gilt das auch für die Geldvermögensbildung. Die sollte nach rationalen Gesichtspunkten und in nüchterner Abwägung der eigenen Möglichkeiten und Bedürfnisse erfolgen.

Die ÖsterreicherInnen haben sich jedoch auch anno 2017 in ihrem Sparverhalten für das rigorose Sicherheitskonzept entschieden. Trotz der Nullzinspolitik auf den Sparbüchern und auch entgegen so mancher Beraterempfehlung, die den AnlegerInnen schon seit geraumer Zeit nahelegt einen Teil der Ersparnisse in höherverzinsliche, dafür aber auch etwas risikoreichere Anlageformen umzuschichten. Doch jeder ist seines Glückes Schmied, um eine weitere Binsenweisheit zu bemühen. Jedenfalls ist dieser kompromisslose Weg bei den eigenen Finanzen kein „Glücksgriff“.

„Sicherheit und Verfügbarkeit sind seit einigen Jahren unverrückbare Prämissen der heimischen SparerInnen, wodurch sich auch das überdurchschnittliche Interesse an Einlagen im EU-Vergleich erklärt“, heißt es unmissverständlich in einer Analyse der Oesterreichischen Nationalbank. „Selbst reale Erträge bei oder unterhalb der Nulllinie werden hierfür in Kauf genommen“, betonen die ExpertInnen, die sich der Frage widmen, was das Ersparte bringt. Einlagen warfen 2016 nominell 0,28 Prozent ab, Lebensversicherungen und Pensionskassenansprüche erzielten infolge der dort enthaltenen Wertpapiere im Vergleichszeitraum dagegen 4,36 Prozent Rendite. Insgesamt erreichten Österreichs Haushalte 2016 mit allen Veranlagungen einen nominellen Ertrag von 2,4 Prozent (real 1,5 Prozent).

Das ist leider ein europäischer Tiefstwert. In einigen skandinavischen Ländern liegt die Performance in diesem Zeitraum bei mehr als sieben Prozent. Trotz bewundernswert hoher Sparbereitschaft lassen die ÖsterreicherInnen auf der Ertragsseite eine Menge Geld liegen. Auch die folgende Feststellung der Notenbanker sollte uns alle alarmieren: „Das Investment in Vorsorgeprodukte ist in Österreich krass unterdurchschnittlich. Nur ein Fünftel des gesamten Geldvermögens der privaten Haushalte in Höhe von 638 Milliarden Euro (Stand Juni 2017) entfällt auf Produkte für die Altersvorsorge, während der Anteil im EU-Durchschnitt fast doppelt so hoch ist. In Österreich ist dieses Anlagesegment in den letzten zwanzig Jahren nur schwach gewachsen. In den meisten übrigen EU-Mitgliedstaaten investierten Haushalte im selben Zeitraum mehr in Vorsorgeprodukte.“ Kurzfristig verfügbare Einlagen seien derzeit – wie auch in den vergangenen Jahren – die bei Weitem beliebteste Anlageform der österreichischen Haushalte, obwohl damit kaum Erträge erzielt werden konnten.

Mit nur 21 Prozent oder 134 Milliarden Euro des gesamten Geldvermögens waren in Österreich betriebliche und private Vorsorgeprodukte wie Lebensversicherungen (81 Milliarden Euro), kapitalgedeckte Pensionsansprüche (43 Milliarden Euro) und Ansprüche aus betrieblichen Vorsorgekassen (10 Milliarden Euro) im europäischen Vergleich äußerst schwach ausgeprägt.

In Deutschland etwa lag dieser Anteil bei über 30 Prozent, im EU-Durchschnitt sogar bei 38 Prozent. Seit 1996 ist das Volumen der Vorsorgeprodukte in Österreich auch kaum gestiegen. Eine Vielzahl an EU-Mitgliedstaaten lässt hier eine deutlich dynamischere Entwicklung erkennen.

Österreichs Haushalte haben in den zwölf Monaten bis Juni 2017 rund 15,6 Milliarden Euro oder 7,6 Prozent ihres verfügbaren Einkommens nicht konsumiert. Diese Mittel wurden vor allem für den Aufbau des Geldvermögens (13,7 Milliarden Euro) verwendet. Mehr als 80 Prozent dieser Zuwächse beim Geldvermögen entfielen netto auf Einlagen, wobei täglich fällige Produkte zulasten jener mit Bindungsfrist an Bedeutung gewannen.

Handelbare Wertpapiere spielten per saldo mit Neuveranlagungen in Höhe von wahrlich bescheidenen 320 Millionen Euro keine Rolle, da der Zukauf von Investmentzertifikaten durch Tilgungen von Bankanleihen annähernd kompensiert wurde.

Zum Glück sind die ÖsterreicherInnen Realzinsmuffel und merken die Kaufkraftschmelze nicht! Oder ist das gar kein Glück?