Sparkassen Zeitung

Economy

Strukturwandel in der Landwirtschaft

Ausgabe #2/2018 • Tradition, Innovation

Es geht zwar nur um 1,3 Prozent Anteil der Land- und Forstwirtschaft am BIP, aber immerhin um unserere Ernährungsgrundlage. Die heimische Landwirtschaft ist in einem flotten Strukturwandel begriffen. Die Zahl der Landwirtschaftlichen Betriebe sinkt, doch das öffentliche Interesse steigt rapid an. Vor allem die biologische Landwirtschaft und der Umgang der großen Handelsketten mit den bäurelichen Lieferanten stehen derzeit im Fokus.

Medial kommt einiges auf uns zu: „Schau, wo dein Essen herkommt!“ ist das Motto des diesjährigen „Mutter Erde“-Schwerpunkts, zu dem der ORF von 23. Mai bis 1. Juni eine Thememwoche präsentiert. Mit der Aktion soll Bewusstsein für Produktion, Herkunft und Qualität von Lebensmitteln geschaffen werden. In den Printmedien sind schon seit Monaten die Biobauern, der ökologische „Fußabdruck“ etwa der Viehwirtschaft sowie Glanz und Elend landwirtschaftlicher Importe kritisch beleuchtete Inhaltsschwerpunkte, wenn es um die österreichische Agrarwirtschaft geht.

DIE ZAHL SINKT – DIE FLÄCHE STEIGT

1951 – also kurz nach dem zweiten Weltkrieg – spielte die Konsolidierung der Wirtschaftsstrukturen in einem von Kriegsereignissen in jeder Hinsicht devastierten Land eine große Rolle. Die Hungerjahre waren vorbei, die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln funktionierte wieder einigermaßen. Damals gab es in Österreich noch 433.000 landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 2016 waren es nur mehr 162.000. Doch parallel dazu hat sich die Betriebsgröße deutlich nach oben entwickelt: Lag der Durchschnitt Anfang der fünfziger Jahre bei knapp 18 Hektar Gesamtfläche und 9,4 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche, so hat sich das Bild drastisch gewandelt. Derzeit beträgt die durchschnittliche Betriebsgröße rund 45 Hektar Gesamtfläche und rund 20 Hektar mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Das bedeutet einen beträchtlichen Anstieg nicht nur der Betriebsgröße, sondern auch der erzielbaren Produktivität. Denn je größer die bearbeitete Fläche, desto wirtschaftlich lohnender ist der Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen oder installierten Anlagen.

DIE MEHRHEIT SIND NEBENERWERBSBETRIEBE

Ein weiteres Merkmal dramatischen Strukturwandels ist die Veränderung der Erwerbsart. Von den erwähnten rund 162.000 landwirtschaftlichen Betrieben sind nur mehr 36 Prozent Haupterwerbsbetriebe, während 55 Prozent als Nebenerwerbsbetriebe agieren. Rund neun Prozent sind laut Betriebsstatistik der Landwirtschaft Personengemeinschaften und Betriebe juristischer Personen. Das heißt: Mehr als die Hälfte der agrarischen Unternehmen werden von Nebenerwerbsbauern und -bäuerinnen betrieben, die dazu noch einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen. Ein Strukturwandel, der naturgemäß die Beschäftigungsstruktur vor allem im ländlichen Raum nachhaltig verändert hat. Vor allem zugunsten der Frauen: Nicht weniger als 31 Prozent der BetriebsleiterInnen in der österreichischen Land- und Forstwirtschaft sind mittlerweile Frauen. Das hat damit zu tun, dass viele Nebenerwerbsbetriebe von Frauen geführt werden, die so in eine klassische Männerdomäne eingedrungen sind

Im Waldland Österreich – immerhin sind rund 50 Prozent der Landesfläche bewaldet – spielt die Forstwirtschaft naturgemäß eine große Rolle. Rund 30 Prozent der Betriebseinheiten sind Forstbetriebe. Überwiegend der Viehzucht widmen sich 36 Prozent der landwirtschaftlichen Unternehmenseinheiten, 13 Prozent überwiegend dem Getreidebau und den Ölfrüchten, und knapp 2.000 sind als Gartenbaubetriebe einzustufen.

AGRARPRODUKTE: EXPANSION DES AUSSENHANDELS

Die Markt- und Produktivitätsleistung der heimischen Landwirtschaft ist spektakulär am Agrar-Außenhandel abzulesen. Zur Erinnerung: Vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gab es vor allem in der Landwirtschaft große Bedenken. Viele ExpertInnen waren damals der Meinung, die heimische Produktion werde von Ländern mit deutlich größeren Betriebseinheiten – wie etwa den Beneluxländern – im europäischen Integrationsprozess binnen Kurzem überrollt werden. Es zählt zu den großen strukturpolitischen „Wundern“ der heimischen Landwirtschaft, dass die Herausforderungen der Integration mit beachtlichen Ergebnissen bewältigt werden konnten. Denn auch das ist Strukturwandel: Im Beitrittsjahr 1995 betrugen die Agrarexporte 1,8 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es bereits 11,1 Milliarden Euro, also rund das Sechsfache. Die Agrarimporte hingegen lagen 2017 bei rund 12,0 Milliarden Euro, überstiegen die Exporte also nur mehr unwesentlich. Zurück zur eingangs erwähnten Ernährungssensibilität: Nicht weniger als 20,4 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Biobetriebe, aktuell mehr als 23.000 an der Zahl. Insgesamt verzeichnet die Statistik der Landwirtschaftskammer seit 2001 einen Anstieg um 5.500 Betriebe, die nunmehr schon 620.000 Hektar biologisch geprüft und zertifiziert bewirtschaften. Österreich hat damit innerhalb der EU einen Spitzenwert erreicht. Die KonsumentInnen wissen das zu schätzen – auch ein Strukturwandel: Bei den Lebensmitteleinkäufen entfallen bei Eiern mehr als 20 Prozent auf Bioprodukte, bei der Trinkmilch sind es 18,5 Prozent und beim Frischgemüse immerhin schon mehr als 15 Prozent. Es gibt also eine Wechselwirkung zwischen dem Bio-Bewusstsein der KonsumentInnen und den landwirtschaftlichen Angebotsstrukturen.

Übrigens: Trotz der beträchtlich gesunkenen Zahl der Betriebe kann sich der Selbstversorgungsgrad sehen lassen. Bei Zucker liegt er hierzulande bei 100 Prozent, bei Getreide insgesamt erreicht er 88 Prozent und bei Kartoffeln sind es 78 Prozent. Gewiss, das war im Merkantilismus eine wesentlich wichtigere Kennzahl als in den integrierten, teilweise bereits globalisierten Agrarmärkten. Aber noch immer vermittelt der Selbstversorgungsgrad ein Gefühl nationaler Sicherheit. Im Bereich Wein liegt er bei 90 Prozent. Das beruhigt, trotz allem Strukturwandel …