Sparkassen Zeitung

Werte

Rezepte fürs Gemeinwohl

Ausgabe #3/2018 • Tourismus

Kuchen wie von Oma und Zuverdienst statt Altersarmut - das Generationskaffeehaus "Vollpension" ist nicht nur ein Ort der Gaumenfreuden und Treffpunkt für Jung und Alt, sondern auch eine schrullige, aber vor allem eindrucksvolle Idee gegen Einsamkeit und Mittellosigkeit von alleinstehenden Pensionistinnen. Ganz viel Kitsch und die besten Mehlspeisen Wiens inbegriffen. Die Sparkassenzeitung sprach mit der geschäftsführenden Gesellschafterin Hannah Lux über die "Vollpension".

Die „Vollpension“ versteht sich als Social Business. Was bedeutet das und welche Ziele verfolgen Sie?

Hannah Lux: Für den Begriff „Social Business“ gibt es viele Definitionen. Für uns und die „Vollpension“ bedeutet das, dass wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen den gleichen Stellenwert haben und wir versuchen, beides miteinander zu verbinden. Wir sagen immer: Ohne glückliche Omas gibt es keinen guten, liebevoll zubereiteten Kuchen. Und ohne verkauften Kuchen gibt es keine glücklichen Omas (lacht). Wir haben ein ganz klares soziales Ziel: Die „Vollpension“ will Omas öffentliches Wohnzimmer in der Stadt sein, den Oldies eine Chance zur Inklusion bieten und Jung und Alt wieder ins Gespräch bringen.

Das Konzept der „Vollpension“ löste Begeisterung aus. Wie gelang die Transformation von einem temporären zu einem dauerhaften Kaffeehaus und welche Idee steckt dahinter?

Lux: Das war kein einfacher Schritt. Obwohl unsere Idee auf viel Begeisterung gestoßen ist, hatten wir natürlich auch unsere Zweifel, dieses Konzept in ein echtes Business zu verwandeln. Deshalb haben wir uns am Anfang einen Gastroexperten ins Team geholt, der uns beim Aufbau der „Vollpension“ unterstützt hat und seine Erfahrungen mit uns geteilt hat. Es ist nach wie vor nicht immer leicht, ein solches Kaffeehaus zu führen, aber wir glauben an unsere Idee und halten daran fest. Gestartet haben wir mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mittlerweile ist unser Team auf 45 Köpfe gewachsen. Ungefähr die Hälfte davon besteht aus SeniorInnen ab einem Alter von 55 Jahren.

Sie sagen, dass in der „Vollpension“ der Kunde zwar König ist, aber nicht nur. Wie meinen Sie das?

Lux: Natürlich liegen uns unsere Kundinnen und Kunden sehr am Herzen, ebenso aber unser Team. Trotz des manchmal auch stressigen Gastroumfeldes geht es bei uns sehr menschlich zu und wir achten darauf, dass ein guter Teamspirit herrscht. Da kann es auch einmal vorkommen, dass wir eine Auszeit mit unserem Team nehmen und unsere Backöfen stillstehen, auch wenn das aus wirtschaftlicher Sicht vielleicht nicht unbedingt die beste Idee ist.

Das Thema Altersarmut ist kein einfaches. Was können wir noch tun, um pensionsschwache Mitmenschen vor der Mittellosigkeit zu bewahren?

Lux: Altersarmut ist ein sehr politisches Thema und vor allem ein weiblich besetztes Problem, zum Beispiel wenn es darum geht, dass Anrechnungszeiten nicht berücksichtigt werden, obwohl sie der Frau zustehen. Hier muss also noch sehr viel passieren. Ich würde mir wünschen, dass unsere SeniorInnen nicht bei der „Vollpension“ arbeiten wollen, weil sie sich etwas dazu verdienen müssen, sondern weil es sie glücklich macht und vor allem Spaß bereitet.

Man kann aber auch arm im Sinne von einsam sein. Warum ist gerade hier der Austausch von Jung und Alt so wichtig?

Lux: Das Thema „Alter“ verändert sich und muss grundlegend neu gedacht werden. Man denke hier nicht nur an den medizinischen Fortschritt. Wenn man vor 30 Jahren mit 60 vielleicht schon alt und wirklich bereit für den Ruhestand war, ist das sehr oft heute nicht mehr so. Für viele Menschen beginnt heute in diesem Alter ein sehr aktiver neuer Lebensabschnitt, viele fangen wieder zu studieren an und stellen ihr Leben auf ganz neue Beine. Aus Sicht der SeniorInnen beginnt ab der Pension ein neuer Lebensabschnitt. Gleichzeitig kommt oft der berühmt berüchtigte Pensionsschock dazu. Wo vorher das Leben oft durch die Arbeit definiert war, ist es nun wichtig sich neue Aufgaben zu suchen und sich in ein neues Umfeld einzubetten. Sich mit jungen Menschen auszutauschen kann dabei sehr viel helfen. Die SeniorInnen bekommen die Chance, Dinge neu zu betrachten und auch andere Perspektiven kennenzulernen. Diese zu akzeptieren hält jung!

Auch die jungen Leute profitieren von diesem Generationsaustausch bei uns in der „Vollpension“. Bei familiärer Atmosphäre können Erfahrungen ausgetauscht werden und wertvolle Erkenntnisse erlangt werden.

Welche Pläne gibt es für die Zukunft der „Vollpension“?

Lux: Die „Vollpension“ ist ein funktionierendes Social-Business- Modell, das wir in Zukunft weiter ausbauen möchten. Mittelfristig gehören dazu auch zwei neue Filialen – eine in Wien und eine in Graz. Langfristig wollen wir unser Konzept in ein Social-Franchise-Modell verwandeln. Unsere Partnerinnen und Partner können dann ihre eigene „Vollpension“ eröffnen und sind Lizenznehmer von uns.

Eine Frage zum Abschluss: Was können Sie uns aus Ihrer Speisekarte besonders empfehlen?

Lux: Neben unseren liebevoll gebackenen Kuchen gibt es immer wieder besondere Schmankerl in der „Vollpension“. Ich kann hier besonders den warmen Topfenstrudel von Maria empfehlen, den sie freitags frisch zubereitet. Ein Traum!

 

HANNAH LUX – ZUR PERSON

Hannah Lux, MPP hat in Wien Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und in Berlin Public Policy für Politisches Unternehmertum studiert. Nach einem Aufenthalt in den USA gründete sie eine NGO für Betroffene von Frauenhandel in Wien. Weitere Stationen waren bei der Erste Bank im Social Banking Department und im Impact Hub Vienna sowie dem Social Impact Award.

2014 gründete sie die Vollpension Generationencafé GmbH mit, wo sie seitdem als C(O)EO, Chief Oma Experience Officer, tätig ist.

Die Vollpension finden Sie in der Schleifmühlgasse 16 in 1040 Wien.