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Economy

Gut zu sein lohnt sich

Ausgabe #6/2019 • Soziale Verantwortung

WIRTSCHAFTEN HAT NATÜRLICH ETWAS DAMIT ZU TUN, DASS MAN GELD VERDIENEN WILL. DOCH NUR DEN MONETÄREN VORTEIL ZU SUCHEN, OHNE DABEI AUF DIE UMWELT, DIE ETHIK UND DAS SOZIALE GEWISSEN ZU HÖREN, KANN NACH HINTEN LOSGEHEN. NACHHALTIGES HANDELN IN UNTERNEHMEN IST NICHT NUR EINE GEWISSENSFRAGE, SONDERN LOHNT SICH AUCH.

Der 18. September 2015 ist bei Volkswagen in die Geschichte eingegangen. Es war kein gutes Datum für den deutschen Autoriesen. Nachdem bekannt wurde, dass Volkswagen eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung seiner Diesel-Fahrzeuge verwendet, ging es Schlag auf Schlag. Allein in den USA sollen mehr als 480.000 Fahrzeuge betroffen sein. VW-Vorstandschef Martin Winterkorn kündigt zwar eine umfassende Aufklärung an, aber der Fall ist nicht mehr zu bremsen: Innerhalb weniger Stunden verliert die Aktie am 22. September 2015 unglaubliche 40 Prozent an Wert. Am 23. September tritt Vorstandschef Winterkorn zurück. Neben unzähligen Prozessen, die bis heute noch anhängig sind, leidet der Konzern noch heute, vier Jahre nach dem Skandal, unter dem riesigen Vertrauensverlust. VW-Finanzvorstand Frank Witter bezifferte im Frühjahr 2019 die Gesamtkosten des Diesel-Skandals auf 30 Milliarden Euro.

Heute sind die Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in aller Munde. Doch Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr. Noch viel zu oft schmücken sich Unternehmen nur aus Marketing-Gründen mit grünen Lorbeeren, aber nehmen ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft nicht ernsthaft wahr. Dabei werden die ökologischen und sozialen Problemfelder täglich bedrohlicher. Darüber hinaus steigt der Handlungsdruck auf Unternehmen ganz direkt und von mehreren Seiten zugleich: Regulatoren, KundInnen und InvestorInnen fordern überprüfbare Nachhaltigkeit. Darauf nicht einzugehen, stellt ein geschäftliches Risiko dar. Dabei ist Nachhaltigkeit im Wirtschaften heute ein echter Erfolgsfaktor.

Nachhaltig ausgerichtete Unternehmen gelten langfristig als erfolgreicher und gleichzeitig innovativer. Wenn Unternehmen ihre KundInnen auf ihr Nachhaltigkeitsengagement hinweisen, fällt das heute aber kaum noch als etwas Besonderes auf. Eher stiften die vielen Labels und Siegel bei VerbraucherInnen manchmal schon wieder Verwirrung: Die Programme für KaffeepflückerInnen in Südamerika, die gestiegene Bedeutung von „Fair Trade“- oder Ökolabels für Kleidung von Textildiscountern oder auch der Boom der Elektroautos werden eher als selbstverständlich hingenommen. Doch es ist nicht nur der Druck der VerbraucherInnen, der Unternehmen zum Umdenken zwingt, auch der Kapitalmarkt und die Regulatoren legen immer mehr Wert auf verantwortungsvolles Handeln der Unternehmen. 2014 wurden per EU-Richtlinie auch österreichische Unternehmen verpflichtet, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten regelmäßig zu berichten. Diese Regelung trat zwar erst 2017 in Österreich in Kraft und gilt nur für Unternehmen mit mehr als 500 MitarbeiterInnen und ab einem Umsatz von 40 Millionen Euro, aber sie war ein erster wichtiger Schritt. Doch schon seit Jahren werden private und institutionelle InvestorInnen wie Pensionskassen immer kritischer und investieren nur noch in Unternehmen, die auch bestimmte Corporate-Social-Responsibility-Kriterien erfüllen.

IMMATERIELLE WERTE ZÄHLEN

Der Wert von Unternehmen wird also zunehmend von immateriellen Faktoren beeinflusst, dazu gehören Forschung und Entwicklung, Patente, Know-how, Markenstärke und Reputation. Unternehmen, die Folgen ihres Handelns für Umwelt, Menschen und Politik nicht berücksichtigen, gelten zudem als schlecht geführt und wenig zukunftsfähig. Darüber hinaus lassen sich die Kosten von Umweltkatastrophen, Ausbeutung und Wiedergutmachungsforderungen nicht ignorieren. Wenn skrupellose Unternehmen Regenwälder niederbrennen, um Ackerland zu gewinnen, Kinder in Entwicklungsländern unter brutalen Verhältnissen T-Shirts nähen und Handys zusammenbauen, ist das den KonsumentInnen heute nicht mehr egal, und das wissen auch die InvestorInnen. Damit besteht zwischen KonsumentInnen und InvestorInnen Deckungsgleichheit bei den hehren Zielen wie Einhaltung von Menschenrechten an weit entfernten Produktionsorten, faire Löhne, ungiftige Materialien und Umweltschutz.

KONSUMENTINNEN IMMER KRITISCHER

Es zeigt sich auch im Konsumverhalten der Österreiche Innen, dass neben dem Wohl der Tiere die Regionalität, der Verzicht auf fragwürdige Inhaltsstoffe und Produktionsweisen oder eine umweltschonende Verpackung immer wichtiger werden. Das Thema Nachhaltigkeit bekommt einen immer höheren Stellenwert. Laut einer 2019 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent. com erstellten Studie zeigt sich, dass Nachhaltigkeit für die KonsumentInnen von heute zum Einkaufsalltag dazugehört. Gefragt nach den wichtigsten Kriterien beim Lebensmittelkauf folgt nach den Dauerbrennern gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (92 Prozent) und hohe Qualität der Produkte (90 Prozent) mit dem Schlagwort „Tierwohl“ (79 Prozent) bereits ein Nachhaltigkeitsthema.

Alles in allem sind die ÖsterreicherInnen bereit, im Schnitt 10,9 Prozent mehr für „Produkte ohne schlechtes Gewissen“ zu bezahlen. Interessantes Detail am Rande: Die Relevanz von Nachhaltigkeit für den persönlichen Einkauf steigt zwar mit dem Alter. Wenn es aber tatsächlich darum geht, einen Aufpreis für nachhaltige Artikel zu zahlen, zeigen sich jüngere KonsumentInnen spendierfreudiger.

Viele heimische Unternehmen unterstützen gemeinnützige Einrichtungen mit
Zeitspenden und beweisen dabei soziales Engagement.

MITARBEITERINNEN IST GUTES GEWISSEN WICHTIG

Greta Thunberg bringt mit ihrer Fridays-for-Future-Bewegung nicht nur tausende Jugendliche auf die Straße, sie hat auch den Mindset von zahlreichen jungen Menschen verändert. Ein solcher Wandel geht an den hiesigen Firmen nicht vorbei. Ethische Verantwortung und Umweltverträglichkeit werden auch immer wichtiger bei der Personalsuche. Gerade für besonders begabte Studierende, UniabsolventInnen und Berufsneulinge ist die Nachhaltigkeit des Arbeitgebers bei der Berufswahl mittlerweile ein schlagkräftigeres Argument als ein hohes Gehalt, ein sicherer Arbeitsplatz oder ein internationales Arbeitsumfeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey unter 7.000 jungen Talenten des Stipendiatenprogramms E-Fellows. Die grünen Bekenntnisse in den Umfragen bedeuten zwar noch nicht, dass sich Talente im Zweifel nicht doch lieber für den Job mit dem hohen Gehalt entscheiden. Doch gerade für Unternehmen, die nicht mit Spitzengehältern glänzen oder abseits der beliebten Metropolen liegen, bietet ein grünes Image die Chance, überhaupt das Interesse von Toptalenten zu wecken. Und nicht nur bei der Personalgewinnung können die Öko-Anstrengungen helfen, sondern auch beim Halten und Motivieren von Personal. Bei einer internen Umfrage beim deutschen Software-Riesen SAP sprachen sich 93 Prozent der Beschäftigten dafür aus, dass der Softwarekonzern ökologisch wirtschaften solle. Wichtig dabei ist aber, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen ernst meinen, ansonsten leidet die Glaubwürdigkeit.

SO SOZIAL SIND DIE ÖSTERREICHISCHEN UNTERNEHMEN

Der Fundraising Verband Austria sah 2018 die österreichischen Unternehmen bei ihrem gesellschaftlichen Engagement im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Insgesamt engagieren sich rund 83 Prozent der Unternehmen in Form von Geld-, Sach- oder Personalspenden. Dies zeigt die größte je durchgeführte Umfrage zum Spendenverhalten von Unternehmen im Auftrag des Fundraising Verbands. 77 Prozent bevorzugen Geld-, 48 Sach- und 36 Prozent Zeitspenden. 17 Prozent der heimischen Unternehmen unterstützen gemeinnützige Einrichtungen mit Pro-bono-Leistungen – also freiwillig geleisteter professioneller Arbeit ohne oder mit stark reduzierter Bezahlung. Geldbeträge spenden Unternehmen in erster Linie für Kinderhilfe, Sportförderung, Menschen mit Behinderung und sozial Bedürftige. Durchschnittlich geben Unternehmen pro Jahr für Spenden 6.360 Euro aus, das durchschnittliche jährliche Sponsoring liegt bei knapp über 3.000 Euro. Hauptmotive für die Unterstützung sind dabei allen voran die humanitäre und weltanschauliche Einstellung sowie der Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Bei Großunternehmen trifft dies immerhin auf rund 73 Prozent zu, bei Kleinstunternehmen sind es rund 38 Prozent.

DIE VORTEILE ÜBERWIEGEN

Wenn alle Unternehmen in Österreich, Europa oder rund um den Globus konsequent anfingen, die Hebel der ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung in Einklang zu bringen, würde sich eine Hebelwirkung entfalten, die unsere Umwelt spürt, die wir alle im Berufs- und Privatleben spüren und die uns noch weitere ungeahnte Innovationen erleben ließe. Doch es lohnt sich auch für die Unternehmen in Nachhaltigkeit zu investieren, um die besten Talente zu finden und zu binden, eine Innovationskultur zu schaffen, höhere Preise verlangen zu können und nicht zuletzt auch InvestorInnen von sich zu überzeugen. Gut zu sein lohnt sich, der globalen und unternehmerischen Zukunft zuliebe.