Sparkassen Zeitung

Economy

Jetzt Krise, oder was?

Ausgabe #3/2020 • RE-START

DIE CORONA-PANDEMIE HAT EINE TIEFE SCHNEISE DURCH UNSER PRIVAT- UND WIRTSCHAFTSLEBEN GEZOGEN. DAS FÜHRT IN VIELEN BEREICHEN ZU EINEM UMDENKEN UND EINER NEUBEWERTUNG VIELER THEMEN. DIE STIMMUNG BEI DEN UNTERNEHMEN UND DEN BÜRGER_INNEN IST ERSTAUNLICH GUT UND MAN SCHMIEDET GROSSE PLÄNE FÜR DIE ZUKUNFT.

Was bisher geschah: Am 31. Dezember 2019 wird die WHO über mehrere Fälle einer mysteriösen Lungenkrankheit in der chinesischen Stadt Wuhan informiert. Noch im Jänner wird der Erreger 2019-nCoV (später SARS-CoV-2 genannt) identifiziert, der die Infektionskrankheit COVID-19 auslöst. Am 11. Jänner vermeldet China den ersten Todesfall. Am 24. Jänner erreicht das Virus Europa, und im Februar stirbt der erste Patient in Italien. Ende Februar gibt es erste Corona-Fälle in Österreich. Am 12. März brechen weltweit die Kapitalmärkte ein. Am 15. März erfolgt wegen stark steigender Infektionsraten der Shutdown in Österreich. Ab 17. April gibt es wieder erste Lockerungen. Und was jetzt?

CORONA-SCHERBENHAUFEN

Das Stilllegen einer gesamten Volkswirtschaft über mehrere Wochen hat ihren Preis. Erst vor kurzer Zeit präsentierte die OeNB die aktuelle BIP-Prognose und hier werden die ersten Kosten der Corona-Krise greifbar. Die ExpertInnen der Nationalbank gehen von einem Rückgang der heimischen Wirtschaftsleistung um 7,2 Prozent aus. Damit wäre die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Rezession doppelt so stark wie jene in Folge der Finanzkrise im Jahr 2009. Damals betrug das Minus „nur“ 3,6 Prozent. In absoluten Zahlen hat die heimische Volkswirtschaft zwischen Mitte März und Ende Mai somit eine Wertschöpfung von 14,5 Milliarden Euro verloren. Anfangs betrug der Verlust zwei Milliarden Euro pro Woche, inzwischen ist es nur mehr eine Milliarde alle sieben Tage. Mitte Juni waren noch 812.745 Menschen in 58.500 Firmen in Kurzarbeit und 422.765 Personen beim AMS als arbeitslos gemeldet.

HEIMISCHE UNTERNEHMEN OPTIMISTISCH

Es ist die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg, doch sie fühlt sich nicht wie eine Krise an. Anders als 2008 und 2011 wird kein Weltuntergang beklagt, sondern Unternehmen und die ÖsterreicherInnen allgemein blicken positiv nach vorn. Laut einer Studie der Leitbetriebe Austria, an der 219 Unternehmen, darunter 90 ausgezeichnete Leitbetriebe, aus allen Branchen, Größenklassen und Bundesländern teilgenommen haben, sehen sich mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen stark oder sehr stark von der Krise betroffen, fast 30 Prozent rechnen mit Umsatzrückgängen von mehr als 30 (in Extremfällen sogar mehr als 70) Prozent. Dennoch haben die UnternehmerInnen die Zuversicht für die Zukunft nicht verloren: 81,5 Prozent geben sich optimistisch, fast exakt zwei Drittel rechnen sogar damit, dass ihre Firma am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Leitbetriebe-Austria-Geschäftsführerin Monica Rintersbacher: „Praktisch überall, selbst in den am schwersten betroffenen Branchen, dominiert eher eine Jetzt-erst-recht-Stimmung. Statt Resignation herrscht Aktion: Es werden neue Vertriebswege gesucht, neue Produktideen umgesetzt, Produktions- und Verwaltungsabläufe optimiert und manchmal auch völlig neue Geschäftsmodelle entwickelt. Der Mut und die unternehmerische Kreativität, die hier zu spüren sind, machen mich für den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich optimistischer, als es alleine der Blick auf die aktuellen Zahlen rechtfertigen würde.“ Nicht zuletzt liegt es auch daran, dass die Bundesregierung die Losung „Koste es, was wolle“ herausgegeben hat. Und sie hat unglaubliche 50 Milliarden Euro bereitgestellt, um die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus abzufedern. Abgesehen von einigen Schwierigkeiten bei den Hilfspaketen zeigt besonders die Kurzarbeit Wirkung und verhindert eine Welle der Arbeitslosigkeit.


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„PRAKTISCH ÜBERALL, SELBST IN DEN AM SCHWERSTEN BETROFFENEN BRANCHEN, DOMINIERT EHER EINE JETZT-ERST-RECHT-STIMMUNG. STATT RESIGNATION HERRSCHT AKTION.“

Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria
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NACHHALTIGKEIT GANZ OBEN AUF DER AGENDA

Anders als man es in so einer Krise erwarten könnte, wollen die ÖsterreicherInnen nicht den Wiederaufbau um jeden Preis. Eine im Auftrag von Greenpeace durchgeführte  repräsentative Umfrage zeigt die starke Zustimmung der ÖsterreicherInnen zum Klimaschutz, auch in Zeiten der Corona- und Wirtschaftskrise. So sind 84 Prozent der Befragten  der Ansicht, dass zum Wiederaufbau der Wirtschaft eingesetztes Steuergeld immer auch dazu beitragen soll, die Klimakrise zu bekämpfen. Für drei Viertel der ÖsterreicherInnen ist laut Studie auch klar, dass Hilfspakete vorrangig an Unternehmen gehen sollen, die in ihrem Bereich zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beitragen. Dabei zeigt sich laut Greenpeace, dass die ÖsterreicherInnen in Krisenzeiten von der Regierung nicht nur ökologische, sondern auch soziale Lösungen fordern: Null Toleranz zeigen die Befragten für Unternehmen, die Hilfszahlungen vom Staat erhalten und sich nicht an faire Arbeitsrahmenbedingungen halten. 90 Prozent halten das für ein No-Go. Trotz der Verhandlungen rund um die Konjunkturpakete wird auch die Relevanz einer längst ausständigen ökosozialen Steuerreform nicht gemindert. 84 Prozent der ÖsterreicherInnen sind überzeugt, dass es eine Steuerreform braucht, die das Klima schützt, während sie die Menschen entlastet.

WERTE VERSCHIEBEN SICH

Eine im Juni präsentierte Gallup-Umfrage sieht auch einen Wertewandel bei den ÖsterreicherInnen, der durch die Krise angestoßen wurde. Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz: „Ausgelöst durch die Corona-Krise zeichnet sich ein Wandel im Privatleben, in der Gesundheitsvorsorge, im Beruf, in der Ausbildung und natürlich auch beim Konsum ab.“ Demnach befürchten 49 Prozent der 1.000 befragten Menschen wegen der gegenwärtigen Krise langfristige wirtschaftliche Nachteile für sich. „Die Corona-Krise ist  abei, das Wertesystem unserer Gesellschaft grundlegend zu verändern“, erklärt Fronaschütz.

Über 70 Prozent der ÖsterreicherInnen benennen laut Umfrage Arbeitslosigkeit und Gesundheit als die Themen, die in der Krise am stärksten an Bedeutung gewonnen haben. Mehr als 50 Prozent sehen Regionalität im Aufwind – und würden dies auch in  hrem Einkaufsverhalten umsetzen. „Bewusster, maßvoller und nachhaltiger Konsum heißt das neue Leitbild. Acht von zehn KonsumentInnen beabsichtigen, stärker auf regionale  erkunft der gekauften Produkte zu achten. Für zwei Drittel spielen Nachhaltigkeit und Qualität eine größere Rolle, neun von zehn wollen hingegen auf den Kauf von Prestige- und Luxusmarken verzichten“, erläutert die Gallup-Geschäftsführerin.


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„BEWUSSTER, MASSVOLLER UND NACHHALTIGER KONSUM HEISST DAS NEUE LEITBILD. ACHT VON ZEHN KONSUMENT_INNEN BEABSICHTIGEN, STÄRKER AUF  REGIONALE HERKUNFT DER GEKAUFTEN PRODUKTE ZU ACHTEN.“

Andrea Fronaschütz,  Geschäftsführerin Gallup Institut
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DIGITALISIERUNG ANGESCHOBEN

Die Pandemie hat Home-Office, Videocalls und Co-Working salonfähig gemacht und auch die letzten Unternehmen in Österreich haben verstanden, dass es ohne Digitalisierung in Zukunft nicht mehr geht. Aber dafür wird eine große Kraftanstrengung notwendig sein, denn im Mitte Juni präsentierten Digitalisierungsindex der EU, dem Digital Economy and  ociety Index (DESI), belegt Österreich trotz Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr weiterhin nur einen Platz im Mittelfeld. Das Land liegt auf Platz 13 in der EU, weit hinter den skandinavischen Ländern Finnland, Schweden und Dänemark, aber auch deutlich hinter den Niederlanden, Malta oder Estland. Zwar hat sich Österreich im DESI-Index gegenüber 2019 um einen Platz verbessert und liegt mit insgesamt 54,3 Punkten (Vorjahr: 51,1) knapp über dem EU-Schnitt von 52,6 (Vorjahr: 49,4), aber Deutschland ist etwas  besser und erreicht den 12. Platz. Gut unterwegs ist Österreich bei den digitalen Grundkompetenzen der Bevölkerung und beim E-Government, schlechter steht es um die Versorgung mit Breitbandinternet, den Digitalisierungsgrad der Wirtschaft und die Nutzung von Online-Dienstleistungen. Kein Zufall also, dass das österreichische Wirtschaftsministerium erst kürzlich den „Digitalen Aktionsplan Austria“ gestartet hat, der Österreich in den nächsten Jahren bei den großen Themen digitale  Wirtschaftstransformation, E-Government, Bildung & Forschung, Gesundheit & Pflege sowie Sicherheit nach vorn bringen soll. Gemäß Berechnungen des  Beratungsunternehmens accenture wäre durch Investitionen in die Digitalisierung ein zusätzliches BIP-Wachstum in Österreich bis zu 1,9 Prozent möglich. Allein der verstärkte Einsatz Künstlicher Intelligenz brächte laut accenture bis 2035 rund sieben Milliarden Euro mehr Wertschöpfung. Durch Digitalisierung könnten jährlich rund 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Es ist also davon auszugehen, dass die Bundesregierung in den nächsten Jahren viel Geld in die Hand nehmen wird, um die Digitalisierung  voranzutreiben.

GLAUBE HILFT

Wer schnell aus der aktuellen Krise gelernt hat, ist die katholische Kirche. Sie ist mit ihrer 2.000 Jahre währenden Geschichte sehr krisenerprobt. Innerhalb kürzester Zeit hat die Kirche digital aufgerüstet und Messen und religiöse Blogs aus dem Boden gestampft. Erst vor wenigen Tagen zogen die heimischen Diözesen eine erste Bilanz und man ist positiv überrascht. Die spirituellen Online-Angebote wie Onlinemessen und theologische Blogs („fein-schwarz.net“ oder „theocare.network“) kommen gut an. Laut  Aussendung der Erzdiözese Wien verzeichneten alle Diözesen in Österreich massive Zuwächse bei den Zugriffen. Intensiv befasst sich die Diözese Gurk-Klagenfurt mit dem Thema Digitalisierung des religiösen Angebots. Allein Gurk hat in den letzten Wochen rund 50 Live-Streamings von Gottesdiensten an den verschiedensten Orten durchgeführt. Via Facebook kam man dabei auf über 220.000 geschaute Minuten. Karl-Heinz Kronawetter, Leiter der Internetredaktion Diözese Gurk-Klagenfurt und zugleich Koordinator der diözesanen Webmaster Österreichs: „Angesichts der vorliegenden Zahlen halten wir es für sinnvoll, die LiveStreamings beizubehalten, werden diese aber reduzieren und regelmäßig und dauerhaft als Zusatzangebot für bestimmte Zielgruppen etablieren.“