Sparkassen Zeitung

Werte

Talent im Blut

Ausgabe #6 Dezember/2020 • FAMILIE

SIE STEHEN AUF DEN BRETTERN, DIE DIE WELT BEDEUTEN, SIND AUS FILM UND FERNSEHEN BEKANNT UND BEWEISEN, DASS TALENT IM BLUT LIEGEN KANN: KÜNSTLERFAMILIEN AUS ÖSTERREICH.

Gleich, ob sie SchauspielerInnen oder RegisseurInnen sind, ob sie seit zwei oder vier Generationen in derselben Branche arbeiten – sie alle verbindet die Liebe zu Kunst und Kultur und die Fähigkeit, Menschen mit ihrem Talent zu begeistern. Während manche der begabten Mütter und Söhne, Großväter und Enkeltöchter, Brüder und Cousins gerne gemeinsam auf der Bühne oder vor der Kamera stehen, vermeiden es andere bewusst. Denn der bekannte Nachname kann, gerade wenn er seit vielen Generationen getragen wird, auch eine Herausforderung sein. Letztendlich gilt jedoch: Beweisen muss man sich immer selbst, egal, ob die Vorfahren berühmt sind oder nicht.

101 JAHRE SCHAUSPIEL

Vor mehr als einem Jahrhundert, im Jahr 1919, standen sowohl Paul als auch sein zwei Jahre jüngerer Bruder Attila Hörbiger das erste Mal auf einer Theaterbühne – und legten damit den Grundstein für eine österreichische Künstlerfamilie, die bis heute so viele bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler hervorgebracht hat wie keine andere davor oder danach. Cornelius Obonya ist einer von ihnen: Attila Hörbiger und Paula Wessely waren seine Großeltern, seine Mutter ist Burgtheater-Doyenne Elisabeth Orth, sein Vater war der Schauspieler Hanns Obonya, seine Tanten sind Maresa und Christiane Hörbiger. Auch die Kinder und Enkel seines Großonkels Paul Hörbiger sind der Familientradition treu geblieben – von Christian Tramitz bis Mavie Hörbiger.

Obonya, von 2013 bis 2016 der Jedermann der Salzburger Festspiele und in zahlreichen Fernseh- und Kinofilmen zu sehen, hat sich schon früh für eine Karriere als Schauspieler entschieden. Als er etwa 15 Jahre alt war, erinnert sich der Wiener, hat er in der Burgtheatergarderobe seiner Mutter öfters Hausaufgaben gemacht und so die „beeindruckenden Kolleginnen und Kollegen“ kennengelernt.

ABSTAND GEWINNEN

Wie seine Mutter zog es Obonya anfangs vor allem auf die Bühne. Er spielte schon in jungen Jahren am Wiener Volkstheater sowie an der Berliner Schaubühne und ist seit knapp 20 Jahren regelmäßig in jenem Haus zu sehen, dem schon seine Großeltern und Eltern als Ensemblemitglieder angehörten: dem Wiener Burgtheater.

„Ich habe vieles anders gemacht“, sagt der 51-Jährige. „Die Familiengeschichte war mir lange Zeit egal. Aber das musste für mich auch so sein, denn sonst hätte ich mich vielleicht nicht getraut.“ Auch wenn sich die künstlerisch begabten Nachfahren von Paul und Attila Hörbiger nicht bei einer Film- oder Theaterpremiere treffen, gemeinsam auf einer Bühne oder vor einer Kamera stehen, Kultur ist im Hause Obonya ein ständiges Thema, denn Cornelius Obonyas Frau Carolin Pienkos ist Theaterregisseurin. Mit ihr hat er schon in zahlreichen Inszenierungen gearbeitet, zum Beispiel als Regie-Duo der Zauberflöte im Römersteinbruch St. Margarethen im Sommer 2019. „Die absolut gleiche Wellenlänge, auf der man reitet und Dinge erfindet, ist ein Geschenk – und privat wird es dadurch immer schöner“, sagt der Schauspieler über seine Beziehung.

WAHRE BESTIMMUNG

Schauspielerin Brigitte Kren und Sohn Marvin
Schauspielerin Brigitte Kren und Sohn Marvin schätzen
gemeinsame Projekte für Film und Fernsehen: „Durch das
enge Vertrauen entsteht Freiraum für die Kunst.“
Foto: privat

Oftmals jedoch suchen die Kinder künstlerisch begabter Eltern bewusst einen anderen Weg, möchten ihre eigenen beruflichen Erfahrungen in einem anderen Umfeld sammeln – und finden dann schlussendlich zu ihren Wurzeln zurück. So auch Marvin Kren, Sohn von Schauspielerin Brigitte Kren („Soko Donau“). Schon als junger Mann sammelt er Erfahrungen im Filmgeschäft und arbeitet als Assistent in verschiedensten Bereichen wie Regie, Kamera und Produktion.

„Ich war zwar von jung auf in der ,Kunstwelt‘ integriert“, so Marvin Kren, „familiär bedingt aber gar nicht so scharf drauf, mich künstlerisch zu betätigen. Ich wollte etwas ,Richtiges‘ lernen.“ Nach einem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium war für Kren jedoch schnell klar, „dass ich in die Kunst muss – in meinem Fall zum Film.“ Und das mit Erfolg: Kren drehte unter anderem den Kinofilm „Blutgletscher“ und zahlreiche „Tatort“-Folgen und wurde mit zwei Romys ausgezeichnet.

"WENN, DANN GANZ"

Gemeinsam haben Mutter und Sohn schon viele Serien und Filme gedreht und schätzen das gemeinsame Arbeiten. Sie sagen, dass der große Vorteil der sei, dass man sich sehr gut kennt und bereits Vertrauen da ist, wodurch wiederum ein großer Freiraum für die Kunst entstehe. Wobei die beiden keinesfalls ihre schärfsten Kritiker sind, wie man annehmen würde. „Wir schonen einander“, verrät Brigitte Kren. Und Marvin ergänzt: „Meine Frau ist meine schärfste Kritikerin.“ Wenn sich mehrere Mitglieder der Familie Kren treffen, versuchen Brigitte und Marvin bewusst, die Arbeit nicht zum Thema zu machen. Das gelingt freilich nicht, wenn sie sich nur zu zweit sehen, „dann geht es meistens um die Arbeit“. Kürzlich waren die Krens in der TV-Serie „Freud“ gemeinsam tätig: Marvin auf dem Regiestuhl, seine Mutter in der Rolle der Haushälterin des Vaters der Psychoanalyse vor der Kamera. Neben dem Herzblut für die Arbeit verbindet auch ein weiteres Credo, wie Brigitte Kren betont: „Wir werfen uns mit höchstem Einsatz in die uns überantworteten Projekte hinein. Es ist ein Familiencredo: Wenn, dann ganz.“

Dabei sind es nicht immer nur die Künstler-Kinder, die von der Erfahrung ihrer Eltern profitieren – auch umgekehrt kann der Nachwuchs den etablierten Müttern und Vätern noch einiges beibringen: „So wie Marvin als junger Mensch bei mir am Theater dabei war, zugesehen hat und dadurch seine ersten Erfahrungen machen konnte, so profitiere ich heute als alter Profi von seiner jugendlichen Sichtweise.“

SICH AUSPROBIEREN

Familie Woerle
Lange Zeit war Daniel Geronimo Prochaska als Cutter
für Film und Fernsehen im Einsatz. Mittlerweile arbeitet er
wie auch sein Vater Andreas als Regisseur
Foto: Daniel Rachnaev

Auch in Daniel Geronimo Prochaskas Leben drehte sich schon früh alles um Kunst und Kultur, genauer gesagt um die laufenden Bilder im Kino und Fernsehen. Sein Vater ist Andreas Prochaska, Regisseur von Kinofilmen wie „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ und „Das finstere Tal“. Bereits als Jugendlicher drehte der heute 37-jährige Daniel Geronimo Dokus über seine Freunde und gestaltete die ersten Stop-Motion-Filme. Später sammelte er, als Fahrer oder Beleuchter, Erfahrungen auf den Filmsets seines Vaters. „Mein Vater hat mir früh mitgegeben“, erinnert sich Prochaska, „dass ich alles ausprobieren soll, damit ich eine Ahnung davon habe, was die Menschen an einem Set machen. Dadurch weiß ich genau, wie alles funktioniert, und habe Respekt vor allen Menschen, die dort arbeiten.“ Schließlich wechselte Prochaska in den Schneideraum und war bei zahlreichen Filmen seines Vaters Cutter. Mittlerweile ist er auch Regisseur: Sein erster Langspielfilm „Das schaurige Haus“ hatte kurz vor dem zweiten Corona-Lockdown Premiere. In der Regie scheint Daniel Geronimo Prochaska nun angekommen, hat er doch kürzlich mit „Schuld“ eine große deutsche Fernsehserie abgedreht, für die Bestsellerautor Ferdinand von Schirach („Der Fall Collini“) die Drehbücher verfasst hat.

DIE NÄCHSTE GENERATION

Mit „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ hat Andreas Prochaska eine der erfolgreichsten Kinokomödien Österreichs gedreht, ein Erfolg, der durchaus mit Druck verbunden ist, wenn man sich als Sohn ebenfalls für das Regiefach entscheidet, wie Daniel Geronimo Prochaska weiß: „Wobei ich auch sehr viel von ihm gelernt habe und viele seiner Filme schneiden durfte. Ich habe von meinem Vater vermittelt bekommen, dass es im Film immer um die Figuren geht und habe daher hinsichtlich des Castings viel von ihm mitgenommen. Auch, dass ich immer hinterfrage, warum ich eine Einstellung drehe, was sie mir erzählt und was sie für die Geschichte bringt.“ Doch bei den filmischen Vorbildern gibt es dann doch Unterschiede: So wurde Daniel Geronimo Prochaska neben 80er-Jahre-Filmen auch von Regisseuren wie Tim Burton und Wes Anderson beeinflusst. Dennoch gilt für ihn: „Mein Vater war und ist einer der prägendsten Regisseure für mich.“

Cornelius Obonyas Sohn Attila, benannt nach seinem berühmten Urgroßvater, ist heute 15 Jahre alt, genauso alt wie sein Vater, als der seine Hausaufgaben in der Burgtheater-Garderobe seiner Mutter machte – und schließlich vom Bühnenfieber gepackt wurde. Was er seinem Sohn raten würde, falls auch dieser sich entschließt, den Pfaden der Vorfahren zu folgen? „Wenn er es wirklich will, dann wird er es sowieso machen. Dann gebe ich ihm ein paar Tipps – mehr nicht ...“