Sparkassen Zeitung

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Wir erleben den perfekten Stur,"

Ausgabe #3/2016 • Die Zukunft ist jetzt

Seit Jahresbeginn ist Franz Portisch Generalsekretär des österreichischen Sparkassenverbandes. Der Vollswirt hat die Operative Leitung der Interessensvertretung der Sparkassengruppe in bewegter Zeit übernommen. Im Gespräch mit der Sparkassenzeitung spricht er unter anderem über Nullzinspolitik, Überregulierung und strategische Positionierung der Sparkassen im künftigen Wettbewerb.

Sparkassenzeitung: Herr Portisch, was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Funktion des Sparkassenverbandes in der Zukunft?
Portisch: Alle heimischen Sparkassen sind Mitglieder des Verbandes, es geht in erster Linie um den Ausgleich der Interessen. Eines der gravierendsten aktuellen Probleme ist die Überregulierung. Das betrifft sowohl die Vorgaben der nationalen wie auch jene der internationalen Regulatoren. Die Belastungen, die aus diesen Regulativen entstehen, sind enorm, unabhängig von der jeweiligen Betriebsgrößen-Struktur des Instituts. Als Sparkassenverband ist es unser erklärtes Ziel Proportionalität einzufordern. In Brüssel bei der EZB ebenso wie bei der heimischen Bankenaufsicht.

Der jüngste Sparkassentag in Linz stand im Zeichen der KMUFinanzierung. Die Sparkassen betonen, dass sie die Kreditbedürfnisse der Klein- und Mittelbetriebe derzeit problemlos befriedigen können. Dennoch geistert das Gespenst der „Kreditklemme“ herum. Ein Widerspruch? 
Portisch: Das ist eine Frage der Definition von Kreditklemme. Hätte jemand, der gegenwärtig keinen Kredit bekommt, einen solchen vor zehn Jahren bekommen? Das muss man sich im Einzelfall sehr genau ansehen. Es stimmt allerdings, dass wir in fast täglicher Diskussion mit der Finanzmarktaufsicht betonen müssen: Jedes zusätzliche Regulativ hat Auswirkungen auf die Struktur des Kreditgeschäfts und somit auch konjunkturelle Implikationen. Hier gibt es noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Seit dem Höhepunkt der Finanzkrise ist die Kritik an Banken etwas schwächer geworden. Ist das auch Ihr Eindruck?
Portisch: Die Einstellung gegenüber Standpunkten der Kreditwirtschaft wird verständnisvoller. Das merken wir auch in der medialen Berichterstattung über die Bankensteuer in Österreich. Hier beginnt die Einsicht zu greifen, dass es sich um eine steuerliche Belastung handelt, die der Wirtschaft mehr schadet als sie zum Beispiel dem Budget nützt.

In Sachen Reform der Bankensteuer hat sich in den vergangenen Monaten politisch doch einiges getan. Wohin geht die Reise?
Portisch:
Es gab gute laufende Kontakte mit der Regierung und ich hoffe sehr, dass auch unter dem neuen Bundeskanzler diese Gespräche konstruktiv und zügig weitergehen. Eine ersatzlose Abschaffung der Bankensteuer wird es aus fiskalpolitischen Gründen wohl derzeit nicht geben. Deshalb streben wir an, dass die Höhe der Belastung aus der Bankensteuer in Zukunft anteilsmäßig etwa jenem Volumen entspricht, das auch in Deutschland von der Kreditwirtschaft getragen werden muss. Konkretere Aussagen sind derzeit schwierig. 

Die Digitalisierung beschäftigt selbstverständlich auch die Kreditwirtschaft. KritikerInnen meinen, die Ausdünnung der Filialnetze bei gleichzeitiger Forcierung der Online-Dienste könnte zu Problemen für die KundInnen führen,
Portisch: Wir erleben derzeit den perfekten Sturm. Die Niedrigzinspolitik wirkt sich negativ aus, gleichzeitig untergraben die härteren Vorgaben der Regulierer die Geschäftsmodelle, und junge agile Finanztechnologiefirmen sind wendige Konkurrenten um Marktanteile geworden. Wir sind in der glücklichen Position, dass wir agieren können und in diesem Wettbewerbsumfeld selbstsicher auftreten können. Selbstverständlich erwarten die KundInnen auch von den Sparkassen beides, also die persönliche Beratung und die digitalisierte Dienstleistung, wenn man etwa an das digitale Bankingkonzept von George denkt. Die einfachere Dienstleistung wird wohl zunehmend digital abgewickelt werden, aber jeder, der eine maßgeschneiderte Beratung wünscht, wird diese bei seiner Sparkasse erhalten. 

Die gegenwärtige Zinslage wäre doch der ideale Nährboden für andere Formen der Kapitalveranlagung.
Portisch: Vielleicht in der Theorie, aber Österreich ist kein Land der Risikokapital-Aufbringung. Auch beim Crowdfunding ist vielen offensichtlich nicht bewusst, dass sie Risikokapital zur Verfügung stellen, das im Ernstfall verloren gehen kann. Viele Zusammenhänge, die wir aus den Lehrbüchern kennen, stimmen derzeit einfach nicht mehr. Niedrigste Zinsen sind kein Stimulator für mehr Investition, das Null-ZinsUmfeld beflügelt die Aktienmärkte nicht im erwarteten Ausmaß und die Sinnhaftigkeit des Sparens wird – ausgerechnet von den obersten Währungshütern – diskreditiert. 

Abschließend: Wie sehen Sie die strategische Positionierung  der Sparkassen im kreditwirtschaftlichen Wettbewerbsumfeld?
Portisch:
Wir handeln aus einer Position der Stärke: Die Sparkassen haben bereits viele Strukturreformen hinter sich. Wir haben mit dem Haftungsverbund die Verbindung der Vorteile zwischen zentralen und dezentralen Strukturen sehr gut organisiert und auch umgesetzt. Die heimischen Sparkassen sind für die Anforderungen der Märkte in den kommenden Jahren gut gerüstet. Das hat sich in steigenden Marktanteilen und auch in einer verbesserten Ertragslage dokumentiert. Während also andere noch mit sich selbst und ihren künftigen Strukturen beschäftigt sind, haben die österreichischen Sparkassen einen großen Teil ihrer Hausaufgaben weitgehend schon erledigt. 

Dies ist auch die Basis, um unsere Aufgaben und Verpflichtungen im Bereich der Gemeinwohlorientierung weiterhin im Sinne unseres Gründungsauftrages umzusetzen, was die Sparkassen in eindrucksvoller Art und Weise tun.