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Economy

Vorausschauende Unternehmensführung ist ein Erfolgsfaktor

Ausgabe #2 Mai/2021 • RESILIENZ

GUDRUN EGGER, HEAD OF MAJOR MARKETS UND CREDIT RESEARCH, ÜBER RESILIENZ IN DER WIRTSCHAFT, DIE RICHTIGE HALTUNG IN DER KRISE UND GEMEINSAMES LERNEN ALS CHANCE.

Der Begriff Resilienz beschreibt die Fähigkeit, sich von Stress, Extremsituationen und Krisen nicht unterkriegen zu lassen. Doch wie könnte man diesen Begriff wirtschaftlich übersetzen?

Gudrun Egger: Eine präzise Definition findet man in der Physik, wonach ein (elastischer) Werkstoff auf Störungen, die von außen auf ihn einwirken, unbeschadet (nimmt wieder die ursprüngliche Form an) reagieren kann. Wirtschaftlich könnte das bedeuten, dass man proaktiv im Vorfeld Maßnahmen setzt, um einen Schock oder eine Krise möglichst gut bewältigen zu können. Die Corona-Pandemie ist im Grunde ein perfektes Beispiel für eine derartige Störung.

Was zeichnet resiliente Unternehmen und Volkswirtschaften aus?

Egger: Bleiben wir bei der Corona-Pandemie als Beispiel: Manche Unternehmen kämpfen mit dem Überleben, andere haben sich rasch angepasst oder restrukturiert und wieder andere sogar neue Marktchancen entdeckt. Vorausschauende Unternehmensführung ist hier sicher einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren. Auf volkswirtschaftlicher Ebene geht es nicht nur um die makroökonomische Perspektive, sondern für die Bewältigung von Krisen braucht es das Zusammenspiel aller: wirtschaftspolitischer Entscheiderinnen und Entscheider und von Unternehmen bzw. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der Mikroebene. Resilienz ist der Erhalt eines Systems im Krisenfall und die Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen.

Was ist die DNA solcher Unternehmen und Volkswirtschaften?

Egger: Bei DNA denke ich an die Evolutionstheorie von Charles Darwin: „Survival of the fittest“ beschreibt, dass jene Organismen, die sich am besten an Umweltbedingungen anpassen können, überleben und sich reproduzieren können.

Lässt sich Widerstandskraft lernen?

Egger: Es geht um das Mindset, und das würde ich mit Haltung, Denkweise oder Weltanschauung übersetzen. Unsere innere Haltung beeinflusst stark, wie wir fühlen und handeln. Auf individueller Ebene kann man Akzeptanz, Eigenverantwortung oder Lösungsorientierung lernen. Auf Unternehmensebene ist die Anwendung von unterschiedlichen Managementkonzepten wie Business Continuity Management, Qualitäts-, Risiko-, Krisen- oder Umweltmanagement wichtig.

Was sind zentrale Faktoren für eine resiliente Volkswirtschaft?

Egger: Staaten können darauf achten, zentrale Fähigkeiten oder kritische Ressourcen bereitzustellen. Die Politik kann die Robustheit von Strukturen fördern. Die Corona-Krise hat die Verfügbarkeit kritischer Güter wie etwa Impfstoffe wieder in den Mittelpunkt gerückt. Basis jeder vorausschauenden Bewältigung von Störungen ist eine umfangreiche Analyse, insbesondere von Schwachstellen. Es gibt umfangreiche Forschung zum Thema Resilienz. Auch die Analyse der makroökonomischen Ungleichgewichte der Europäischen Kommission liefert gute Hinweise auf die Schadensanfälligkeit bei auftretenden Krisen.

Welche Volkswirtschaften würden sie weltweit als echte Vorbilder für Resilienz sehen?

Egger: Das hängt von der Art der erwartbaren Störung ab. Grundsätzlich haben aber Länder mit höherem Einkommen bessere (finanzielle) Bewältigungskapazitäten, wenn sie von einem globalen Schock getroffen werden.

Österreich ist im FM Global Resilience Index an 8. Stelle von 130, was macht den Wirtschaftsstandort resilient?

Egger: Österreich hat eine gut balancierte Wirtschaftsstruktur mit einer niedrigen Arbeitslosenrate und einer tragfähigen öffentlichen sowie moderaten privaten Verschuldung. Die hohe institutionelle Stärke und die positive Leistungsbilanz sowie die niedrige Ungleichverteilung von Einkommen stärken die Widerstandsfähigkeit. Aber es gibt auch eine Reihe von Schwächen. Die OECD listet unter anderem den digitalen Fachkräftemangel und die geringe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt auf.

Welche Chancen bieten Krisen, wie wir sie derzeit erleben?

Egger: Das ist eine schwierige Frage. Die Pandemie hat viel Leid über die Bevölkerung gebracht: persönliche Verluste, wirtschaftliche Verluste, langandauernde Überlastung. Was diese Krise sicherlich gebracht hat, ist mehr Kooperation auf internationaler Ebene im Bereich der Forschung. Insgesamt kann man sagen, dass das gemeinsame Lernen und Sich-Weiterentwickeln zu den großen Chancen dieser Krise zählt.