Sparkassen Zeitung

Economy

Wellenreiten

Ausgabe #3/2016 • Die Zukunft ist jetzt

Die Tourismusbranche befindet sich vor einem elementaren Wandel. Digitalisierung, individuelle Kundenwünsche und starke Konkurrenz aus dem Ausland erfordern Flexibilität. Dem gegenüber steht eine absurde Bürokratie, die eigeninitiativen von Hoteliers bestraft anstatt sie zu fördern.

Der Tourismus ist ein wichtiger Konjunkturmotor. Österreichs GastronomInnen erzielten 2015 38,4 Milliarden Euro Umsatz bei ausländischen TouristInnen. 135 Millionen Nächtigungen stehen zu Buche. Auch der österreichische Anteil am europäischen Tourismusmarkt und die Zahl der Beschäftigten im Tourismus stieg, und zwar um 2,6 Prozent auf 202.943 Menschen, 58 Prozent davon Frauen. 7 Prozent des heimischen BIP gehen derzeit auf touristische Nachfrageeffekte zurück. Die angeschlossenen Verbände überschlagen sich mit Meldungen über immer neue Rekordwerte. Grund zum Jubeln für eine satte, gesunde Branche? 

Ein österreichischer Hotelier darf Gäste mit dem Auto zum Flughafen bringen, aber nicht zum Skilift – dafür braucht er einen weiteren Gewerbeschein. Brandschutzbestimmungen, eine Anhebung der Mehrwertsteuer, Registrierkassen, Allergenverordnungen und Nichtraucherschutz haben in den vergangenen Jahren nicht gerade zum Vertrauen der UnternehmerInnen der Tourismusbranche in die Bürokratie beigetragen. „Wir sind des Öfteren einer kompletten Willkür der Beamten ausgesetzt, die sich in den Tiefen einer Gewerbeordnung von 1859 verlieren und uns durch Detailverliebtheit zur Kasse bitten“, sagt Michaela Reitterer, Chefin des Boutiquehotels Stadthalle und Vorsitzende der Österreichischen Hotelvereinigung (ÖHV). Dafür fehlt oft das Verständnis, weil die Probleme von einer ganz anderen Seite auf die Branche einprasseln. Aus Übersee nämlich, genauer: aus dem Silicon Valley. 

RECHTLICHE GRAUZONEN
Airbnb und andere Plattformen der Sharing Economy, wie Wimdu, agierten bisher in einer rechtlichen Grauzone: Die VermieterInnen zahlten weder Kurtaxen noch Steuern. In Wien bietet das Kollektiv „Vienna Living“ beispielsweise „58 voll möblierte moderne Apartments in zentraler Lage für einen kurz- bis mittelfristigen Mietzeitraum als Alternative zum anonymen Hotel“. Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner beschloss Mitte Mai eine änderung des Tourismusförderungsgesetzes, die erreichen soll, dass die Plattformen Daten über die VermieterInnen an die Verwaltung weitergeben, um die angefallenen Abgaben besser eintreiben zu können.

Denn Wien bekommt mit Anbietern wie Airbnb gerade ähnliche Probleme wie andere europäische Metropolen:  „Wir beobachten, dass internationale Investoren Wohnungen ankaufen und dann über diese Plattformen vermieten“, erklärt Brauner. Ihr gehe es nicht um die „Kriminalisierung von Kleinanbietern“, die den ursprünglichen Geist von Airbnb kultivieren, sondern darum, die Schattengewerbe einzudämmen. Ein weiteres Spezifikum, das die Website für Wien ausgibt: Zwei Drittel aller Wohnungen, die auf Airbnb gelistet sind, gehören VermieterInnen, die mehr als ein Objekt anbieten. Deshalb wurde die Strafgrenze von 420 auf 2.100 Euro angehoben. Der Stadt entgehen durch die Sharing-Plattformen jährlich rund 400.000 Euro an Ortstaxen. Airbnb sperrt sich aus Datenschutzgründen allerdings gegen die Herausgabe der Daten. Man strebe einen „kooperativen Austausch“ mit der Stadt Wien an, heißt es aus der Pressestelle, eine Weitergabe der Daten könne das auf Vertrauen basierende Geschäftsmodell gefährden.

INDIVIDUALISTEN AUF DEM VORMARSCH
Die jungen Zielgruppen reisen vermehrt spontan, viel kürzer als noch vor 20 Jahren, und betreten nur in den seltensten Fällen ein Reisebüro. Der komplette Buchungsvorgang vollzieht sich über Apps oder den Browser. Deshalb treiben im Fahrwasser der großen Konzerne wie booking.com oder eben Airbnb kleinere Start-ups die Branche vor sich her und zwingen sie zum Umdenken. Neue Aufgaben kommen auf RezeptionistInnen zu. „Reputation Management“ – die Bespielung der zahlreichen Social-Media-Kanäle, neue Buchungs-Technologien und das Erfüllen immer individuellerer Gästewünsche bezüglich Küche und Unterbringung werden in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen. „Wer heute den Anschluss verliert, wird so schnell nicht mehr aufholen, sagt Reitterer. 

Deshalb fordert sie von der Regierung neben dem Abbau der Bürokratie auch die Installierung neuer Lehrberufe, die den Herausforderungen der Zeit gerecht werden. „Ich will nicht monatelang mit schlecht gelaunten Beamten über die Begrünung meines Innenhofs streiten, sondern fordere Unterstützung bei der Einstellung junger, fähiger Leute.“ Denn vor allem die eklatant hohen Lohnnebenkosten stürzen die personalintensive Branche in Verzweiflung. „Ich bin keine Gegnerin von Airbnb. Ich wünsche mir lediglich Chancengleichheit, und bevor man jetzt wieder damit beginnt, nach Möglichkeiten zu forschen, den US-Konzernen die Daumenschrauben anzusetzen, wäre der andere Weg der bessere: Vereinfacht uns das Leben und trennt euch von vielen dieser widersinnigen Vorschriften, die noch aus Zeiten stammen, als man sich nationale Alleingänge leisten konnte.“ 

Während die großen Hotelketten mit Budget-Angeboten versuchen, auf die neue Konkurrenz zu antworten, und Kooperationen mit kleinen, individuellen Hotels in den hippen Bezirken der europäischen Großstädte eingehen, fürchten die österreichischen Betriebe fern der Ballungszentren noch ein anderes Ungemach: Bleibt in den Wintermonaten der Schnee mehr und mehr aus, verlieren die Gäste die Lust am Skifahren. Nahezu 80 Prozent der Wintergäste kommen aus diesem Grund nach Tirol, Kärnten und in die Steiermark. Die Verbände versuchen mit neuen, ganzheitlichen Angeboten diesem Trend entgegenzuwirken, aber der Klimawandel wird nicht aufzuhalten sein. Österreich braucht einen New Deal für den Tourismus, sonst droht dem Konjunkturmotor bald ernsthaft der Sprit auszugehen.