Sparkassen Zeitung

Economy

Insight Brüssel

Ausgabe #Dezember/2022 • ZEITENWENDE

INTERESSENSVERTRETUNG AUF EU-EBENE
Heute werden circa 90 Prozent der Bankengesetzgebung von EU-Institutionen vorgegeben. Angesichts der bevorstehenden Gesetzeslawine (die bis zu den EU-Wahlen im Mai 2024 weggeschaufelt werden soll) ist die EU-Interessensvertretung essenziell, um sicherzustellen, dass die Anliegen der österreichischen Sparkassen in den EU-Gesetzen Berücksichtigung finden.

WICHTIGE ANSTEHENDE GESETZESÄNDERUNGEN
Endspurt der Basel-III-Reformen. Die Verhandlungen zum aufsichtsrechtlichen Reformpaket laufen derzeit auf Hochtouren. Im Rat konnte bereits eine allgemeine Ausrichtung erzielt werden und auch das EU-Parlament plant über den Kompromissvorschlag noch in diesem Jahr abzustimmen, so dass die Trilogverhandlungen Anfang des kommenden Jahres beginnen können. Mit den Reformen, die ab dem 1. Jänner 2025 EU-weit gelten sollen, werden insbesondere die Eigenkapitalanforderungen verändert, was die Finanzstabilität für Banken in der gesamten EU verbessern soll.

Überarbeitung des Rahmenwerks für Krisenmanagement und Einlagensicherung. Ebenso wichtig für uns ist die für das erste Quartal 2023 erwartete Überarbeitung des Rahmenwerks für Krisenmanagement und Einlagensicherung (CMDI Review). Dieser Kommissionsvorschlag könnte eine Verschmelzung zwischen den Abwicklungs- und den Einlagensicherungssystemen möglich machen.

Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion. Für das erste Quartal 2023 plant die Kommission ihre „Retail Investment Strategy“ für Kleinanleger:innen vorzulegen. Die Strategie verfolgt das Ziel, mittels Überarbeitung der Richtlinie sowie der Verordnung zur Regulierung der Märkte für Finanzinstrumente (MiFID/MiFIR Rahmenwerk) eine europäische Kapitalmarktunion zu schaffen.

Die Zukunft des Geldes. Die europäische Zentralbank (EZB) plant die Einführung eines digitalen Euro. Die digitale Währung soll jedoch keinesfalls das Bargeld ersetzen, sondern es vielmehr ergänzen. Aktuell führt die EZB Untersuchungen zu diesem Thema durch, die bis Oktober 2023 andauern sollen und sich insbesondere mit möglichen Problematiken befassen werden.

Für die Interessensvertretung auf EU-Ebene sind die Besuche unserer Präsidentin Gabriele Semmelrock-Werzer und unseres Generalsekretärs Franz Portisch von besonderer Bedeutung. Denn wie zuletzt im Oktober vermitteln sie bei ihren Treffen mit hochrangigen Vertreter:innen der EU-Kommission und des Parlaments wichtige Einsichten über die Auswirkungen der Gesetze auf die alltägliche Praxis der Sparkassen. Eine wesentliche Botschaft betrifft die Berücksichtigung und Förderung von regionalen Champions im EURecht.

SPARKASSEN SIND REGIONALE CHAMPIONS
Die vielen Krisen der letzten 15 Jahre haben bewiesen, dass dort, wo es einen ausgeprägten dezentralen Sektor gibt, die Finanzmarktstabilität gewährleistet bleibt. Sparkassen übernehmen Verantwortung für die Menschen und die Region und sichern so den Zugang zu Finanzierungen. Die finanzielle Inklusion von Verbraucher: innen und Unternehmen bleibt gewährleistet und dadurch auch die soziale Inklusion.

Viele Entscheidungsträger:innen auf EU-Ebene beklagen immer wieder, dass Europa overbanked sei, eine Konsolidierungswelle erforderlich sei und es nur drei bis vier europäische Großbanken brauche, die als globale Champions auch im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig sind. Wir vertreten aber auf EU-Ebene die Position, dass es kein „Entweder-oder“ sondern ein „Sowohl-als-auch“, geben muss. Globale Champions sind wichtig. Europa ist aber ein Kontinent der Vielfalt. Deshalb sind die regionalen Champions wichtig, um auf die unterschiedlichen Finanzbedürfnisse der Unionsbürger:innen und der Unternehmen, besonders des Mittelstandes, einzugehen und maßgeschneiderte Angebote zu schaffen. Es ist daher ein wesentlicher Teil unserer Arbeit, dass sich diese Vielfalt auch in den EU-Rechtsakten widerspiegelt. Subsidiarität und Proportionalität sind Kernprinzipien des europäischen Einigungswerkes. Wir werden uns weiterhin für die Würdigung dieser Grundprinzipien und die Förderung von regionalen Champions im EU-Recht einsetzen.

Lewi App
Im Vordergrund: Dina Filipović (Head of EU Affairs);
zweite Reihe von links: Annemarie Frosig (Praktikantin),
Caroline Cont (EU-Advisor), Gabriele Semmelrock-Werzer
(Präsidentin ÖSPV); dritte Reihe von links: Andoni Garrido-Zamora
(EU-Advisor) und Franz Portisch (Generalsekretär ÖSPV)