DIE ÜBERWINDUNG DER GESCHLECHTERKLUFT DURCH FINANZIELLE BILDUNG RÜCKT INTERNATIONAL IMMER MEHR IN DEN FOKUS. GABRIELE SEMMELROCK-WERZER, PRÄSIDENTIN DES ÖSTERREICHISCHEN SPARKASSENVERBANDES, SETZT SICH AUCH IN BRÜSSEL FÜR MEHR FINANZBILDUNG FÜR FRAUEN EIN.
Leider ist es noch immer Fakt: Frauen verdienen weniger, haben eine geringere Pension und sind deutlich öfter von Altersarmut betroffen als Männer. Gabriele Semmelrock- Werzer, Präsidentin des Österreichischen Sparkassenverbandes, will diese Geschlechterkluft mit Finanzbildung und der Förderung der finanziellen Gesundheit verringern. Dabei führte sie ihr Engagement auch nach Brüssel, wo sie am 25. Oktober 2022 der Einladung zu einer von der ESBG organisierten Konferenz zum Thema „Meine Welt, mein Wissen, meine Zukunft: Ein weiblicher Ansatz zur finanziellen Bildung“ folgte. Unter den Teilnehmer:innen waren auch Dominique Goursolle-Nouhaud, Präsidentin der Fédération Nationale des Caisses d‘Epargne und ESBG-Präsidentin, Verena Ross, Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sowie Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Überwindung der geschlechtsspezifischen Diskrepanz durch Finanzbildung“ konnte Gabriele Semmelrock- Werzer als Mitglied des hochkarätigen Panels ihren Standpunkt, ihre Erfahrungen und auch die erfolgreichen Maßnahmen der Sparkassengruppe einem internationalen Publikum vorstellen.
MASSGESCHNEIDERT FÜR DIE BEDÜRFNISSE DER FRAUEN
Die finanzielle Bildung, so waren sich die Teilnehmer:innen der Konferenz einig, muss gezielt auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sein, insbesondere weil sie in der Regel länger leben und weniger verdienen als Männer, sodass sie im Alter mit größerer Wahrscheinlichkeit in finanzielle Not geraten. Das bestätigt auch Semmelrock- Werzer: „Finanzielle Bildung wird Frauen bei der Bewältigung ihrer spezifischen Probleme unterstützen, wenn der richtige Ansatz für ihre Bedürfnisse gefunden wird. Denn die Sicherung ihrer finanziellen Zukunft ist für sie tendenziell schwieriger.“ Das Leben von Frauen sei im Allgemeinen unbeständiger als das von Männern, ist Semmelrock-Werzer überzeugt: „Eine Partnerschaft einzugehen und eine Familie zu gründen, hat für eine Frau andere Auswirkungen als für einen Mann. Allzu oft macht sich die Frau in finanzieller Hinsicht von ihrem Partner abhängig, indem sie den größten Teil der Pflegearbeit und Kindererziehung übernimmt und die bezahlte Arbeitszeit reduziert. Dies führt zu einer geringeren Pension und Abhängigkeit vom Partner.“ Für sie steht fest, dass die Hauptprobleme auf gesellschaftlicher Ebene, zum Beispiel durch eine erschwingliche Kinderbetreuung sowie durch die Schaffung geeigneter Anreize für die Rückkehr der Frauen in das Berufsleben, angegangen werden müssen.
FINANZIELLE GESUNDHEIT DURCH BILDUNG VERBESSERN
Nach Angaben der OECD scheinen Männer zwar in allen Volkswirtschaften insgesamt höhere Werte bei der finanziellen Allgemeinbildung zu haben, aber der Unterschied zu Frauen ist statistisch nicht signifikant. „Frauen haben also mehr oder weniger das gleiche Niveau an finanzieller Bildung, sind aber in Bezug auf ihr finanzielles Wohlergehen, oder wie wir es nennen, ihre finanzielle Gesundheit, im Rückstand. Um Frauen zu helfen, ihre finanzielle Gesundheit zu verbessern, ist es wichtig, ihr positives Finanzverhalten zu fördern und Frauen das Vertrauen zu geben, Maßnahmen zur Sicherung ihrer finanziellen Zukunft zu ergreifen“, so Semmelrock-Werzer.
FRÜH FINANZWISSEN VERMITTELN
Damit Frauen sich erfolgreich um ihre finanzielle Zukunft kümmern können, muss ihnen das richtige Wissen vermittelt werden. Im Erste Financial Life Park (FLiP) ist dem Thema Frauen deshalb ein großer Schwerpunkt gewidmet. „Wir sehen, dass Alltagsarmut ein primär weibliches Problem ist, dem es entgegenzuwirken gilt. Wir bieten eine extra Tour für Frauen an, um ein Bewusstsein dafür zu wecken. Vielen Frauen sind zentrale Punkte, wie die Problematik der Teilzeit oder dass es ein Pensionssplitting gibt, nicht bewusst. Das sind wichtige Aspekte, um sich auch in einer Partnerschaft eine finanzielle Unabhängigkeit zu bewahren und im Alter besser dazustehen und sich nicht mit einer Mindestpension abfinden zu müssen“, sagt Nina von Gayl, Kuratorin FLiP Erste Financial Life Park. Es geht auch darum, wie ich privat vorsorgen kann. Wer Teilzeit arbeitet, muss sich bewusst sein, was das bedeutet. Da zum Teil deutlich weniger Pensionszeiten erworben werden, muss man verstärkt privat vorsorgen.
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Nina von Gayl,
Kuratorin FLiP Erste Financial Life Park
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Seit einem Jahr gibt es in Österreich die Nationale Finanzbildungsstrategie, in der zwei Hauptzielgruppen definiert wurden. Die eine sind die Schüler:innen der Sekundarstufe 1 und die zweite Zielgruppe sind Frauen, weil hier besonderer Bedarf erkannt wurde. Doch mit Finanzbildung allein sei es nicht getan, auch im gesamtgesellschaftlichen Denken müsse sich noch einiges ändern, so von Gayl weiter: „Ich bin davon überzeugt, dass man hier am besten bei den jungen Menschen anfängt, damit sie das richtige Bewusstsein dafür entwickeln. Wir setzen im FLiP absolut auf Inklusion, wir ermutigen Mädchen und Frauen ihrem Finanzwissen zu vertrauen und klären auf.“
UNTERNEHMENSSTRATEGIE
Die Sparkassengruppe definiert Diversität und Inklusion als integralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie – und lebt diese auch. Die Förderung der Geschlechtergleichstellung durch die Erste Group wurde bereits drei Mal seit 2019 durch die Aufnahme in den Bloomberg Gender-Equality Index (GEI) als einziges österreichisches Unternehmen gewürdigt. Monika Sternathova, Team Lead Job Grading and Diversity der Erste Group, erklärt: „Gender-Diversity ist Teil unserer Strategie und wir haben klar definierte Ziele, die durch sehr viele Maßnahmen unterstützt werden.“
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Monika Sternathova,
Team Lead Job Grading and Diversity der Erste Bank
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Seit mittlerweile knapp neun Jahren gibt es das Frauennetzwerk Erste Woman‘s Hub mit drei Fokusgruppen: Frauen in der Führung, Frauen in der IT und Frauen und Finanzen. „Beispielsweise wurde die Idee einer Finanzbildungsinitiative von Frauen für Frauen – ‚she invests‘ – im Erste Women’s Hub geboren und ausgiebig pilotiert, bevor sie heuer im September österreichweit extern ausgerollt wurde. Die hohen Teilnahmezahlen zeigen, wie relevant dieses Thema ist. Weiters bietet EWH Angebote wie Mentoringprogramme, Coachings über das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bis hin zu Maßnahmen, die die Erste für Frauen in der IT zu einer attraktiveren Arbeitgeberin machen. Das Ziel ist generell eine Plattform für innovative Ideen und proaktives Engagement von Frauen zu bieten“, ergänzt Sternathova.